Grönlands Politik erlebt stürmische Zeiten | Polarjournal
Die Tatsache, dass Grönlands Regierungspartei Siumut ihren Parteivorsitzenden ausgewechselt hat, wirft auch Fragen auf in Bezug auf die Regierung. Denn üblicherweise ist der Parteivorsitzende der Regierungspartei auch der Regierungschef. Doch das ist nicht in Stein gemeisselt, da dieser Posten vom Parlament (Bild) bestimmt wird. Bild: Verwaltung Sermersooq

Kim Kielsen, der charismatische Regierungschef Grönlands, hat seit seiner Amtsübernahme 2014 schon vieles erlebt und überstanden. Hofiert von den Grossmächten, trat Grönland unter seiner Ägide gegen aussen immer selbstbewusster und nach vorne gerichtet auf. Doch innenpolitisch musste er mehrfach Kritik über sich ergehen lassen und sich auch Misstrauensvoten stellen. Auch innerhalb seiner eigenen Partei Siumut, deren Vorsitz er auch seit 2014 innehielt, wurde er immer wieder kritisiert und sogar zum Rücktritt aufgefordert. Nun ist er in einer parteiinternen Wahl als Vorsitzender abgewählt worden, amtiert aber immer noch als Regierungschef, eine politische Zwickmühle in Grönland.

Die lange angekündigte Abstimmung am vergangenen Sonntag in Nuuk liess keine Zweifel offen: Die Basis der Regierungspartei Siumut war mit seinem Parteivorsitzenden nicht mehr zufrieden. Bei der Wahl für die Leitung der Partei kassierte Kim Kielsen und sein Parteivostand eine Klatsche und mit 39 zu 32 Stimmen wurde seinem Rivalen Erik Jensen der Vorzug gegeben. Auch der Vorstand wurde bei der Wahl neu besetzt und besteht nun aus Vertrauten des neuen Parteivorsitzenden, darunter auch der Parlamentsvorsitzenden Vivian Motzfeldt.

Der 45-jährige Erik Jensen, der am Sonntag zum neuen Parteivorsitzenden gewählt worden ist, stammt aus Sisimiut und war bereits zweimal als Minister in der Regierungsmannschaft von Kim KIelsen. Nach einem Streit im November 2019 hatte die Regierung verlassen und seine Ambitionen auf den Parteivorsitz bekanntgegeben. Bild: Parlament von Grönland

Die Abwahl von Kielsen als Parteivorsitzender kommt nicht völlig überraschend. Schon seit letztem Jahr hatte es in der Partei gegärt und Streitigkeiten waren aufgekommen. Dabei waren es vor allem Fragen über Fischerei- und Jagdquotas, die von der Regierung erlassen worden waren, die intern Zündstoff für Streit geboten hatten. Auch die Tatsache, dass Premier Kielsen oft nicht die Bürgermeister und lokalen Parteivertreter mit in die Entscheidungen eingebunden hatte, liess den Unmut an der Basis steigen. Ein Streit in der Regierung und eine Rücktrittsaufforderung, die unter anderem von Ministern aus den eigenen Reihen gefordert worden war, führte schliesslich zum Bruch mit Erik Jensen, dem damaligen Minister für Bergbau und Arbeit. Dieser zog sich aus der Regierung zurück und kündigte an, Kielsen beim nächsten Parteitag herauszufordern. Unterstützung erhielt er von der Parlamentsvorsitzenden Vivan Motzfeldt. An der Wahl am vergangenen Sonntag wurde Motzfeldt als Parteivizevorsitzende gewählt.

Die 48-jährige Vivian Motzfeldt (links) und Erik Jensen (rechts) vor der Wahl. Auf sie werden nun schwierige Zeiten kommen, da das Wahlergebnis knapper ausgefallen war, als gedacht. Es zeigt, dass beinahe die Hälfte der Partei hinter Kielsen steht. Bild: Vivian Motzfeldt via Facebook

Die Frage, die nach dieser richtungsweisenden Wahl aber aufkommt: Wie geht es jetzt weiter mit der nationalen Politik? Denn traditionell war bisher der Parteivorsitzende der stimmenstärksten Regierungspartei auch der Premierminister und Regierungschef. Der Posten wird vom Parlament offiziell bestätigt und die grönländische Verfassung verbietet nicht, die beiden Positionen von zwei verschiedenen Personen besetzt zu haben. Doch Kim Kielsen hat noch keinen Entschluss bekanntgegeben, wie es weitergehen soll. Erik Jensen, der neue Parteivorsitzende, hatte nach der Wahl gegenüber den Medien verlauten lassen, dass er nicht automatisch die Position des Regierungschefs anstreben werde, sondern zuerst das Gespräch innerhalb der Partei suchen werde. Dasselbe Vorgehen hat Wahlverlierer Kim Kielsen gegenüber Sermitisiaq geäussert auf die Frage, ob er zurücktreten werde. Auch das Ergebnis der Wahl muss in die Gespräche miteinbezogen werden. Denn der relativ knappe Ausgang der Wahl zeigt, dass die Partei zumindest in der Frage nach dem Vorsitz gespalten gewesen ist. Ein weiteres Aufreissen eines Grabens in Sachfragen wollen aber sowohl Kielsen wie auch Jensen vermeiden. Denn schliesslich geht es auch um den Erhalt der Regierungsgewalt. Siumut kann nur in Koalition mit den Demokraten und der separatistischen Nunatta Qitornai regieren und bei der letzten Wahl hatte sie einen Verlust von rund 5’000 Wählern verkraften müssen, eine Riesenzahl in einem Land mit nur 56’000 Einwohnern.

Wie soll die zukünftige Politik Grönlands aussehen? Zwar hängt alles von der Entscheidung von Kim Kielsen ab, ob er Regierungschef bleibt. Doch man geht auch nicht davon aus, dass sich enorm viel in politischer Richtung ändern wird. Denn auch Erik Jensen gehört derselben Partei an und teilt ähnliche Vorstellungen wie Kielsen. Bild: Michael Wenger

Sollte Kielsen tatsächlich den Rücktritt einreichen und an Erik Jensen übergeben, wird der neue Regierungschef kaum die Politik des Landes herumreissen. Nach seiner Wahl hatte Erik Jensen gegenüber der Zeitung Sermitsiaq geäussert, dass er die lokalen Kräfte stärken will und so die verlorenen Wähler zurückholen möchte. Aussenpolitisch will er weiter die Unabhängigkeitsbestrebungen Grönlands vorantreiben und vor allem die Veterinärkontrollen, die Einwanderung und die Schifffahrt von Dänemark abholen und auch einen eigenen aussenpolitischen Weg einschlagen, wie er High North News gegenüber erwähnt hat. Dabei scheue er sich auch nicht davor, neben den USA auch China mit ins grönländische Boot zu holen. Hier verfolgt er eine ähnliche Strategie wie Kielsen, der einst sagte: «Wir stehen offen für Geschäfte, aber nicht zum Verkauf.» Doch um das zu erreichen, muss Jensen zuerst die Wogen im eigenen Teich glätten.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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