Obwohl von Norwegen verwaltet, ist es jedem Land möglich, auf Svalbard Aktivitäten zu unternehmen, wenn es den Spitzbergenvertrag ratifiziert hat. Dazu gehört neben der Etablierung einer Forschungsstation auch der Abbau von Ressourcen wie beispielsweise Kohle. Gegenwärtig sind die einzigen zwei Nationen Norwegen und Russland, die den schwarzen Brennstoff abbauen. Norwegen hat jedoch den kommerziellen Abbau gestoppt und betreibt nur noch die Mine 7 für den Eigenbedarf. Nun hat eine norwegische Firma bekanntgegeben, dass sie plant, ihre eigenen Abbaurechte an chinesische oder russische Investoren zu verkaufen. Brisant dabei: Den Boden des Gebietes hatte die Firma 2017 an Norwegen verkauft.
Wie verschiedenen norwegische Medien bekannt machten, habe die Firma Austre Adventfjord AS Kontakt zu verschiedenen Investorengruppen aus China und Russland, die an den Abbaurechten interessiert seien. Gleichzeitig habe aber die Firma auch dem norwegischen Staat angeboten, die Rechte zu erwerben. «Wir denken, dass es am reellsten ist, dem Staat ein Angebot zu machen, um zu hören, ob sie interessiert sind. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen wir davon ausgehen, dass es für sie in Ordnung ist, diese Rechte an ausländische Interessen zu verkaufen,» erklärt der Firmenanwalt Erling Lyngtveit gegenüber der norwegischen Rundfunkanstalt NRK. Gemäss seinen Aussagen habe der Staat bisher kein Interesse gezeigt, die Rechte noch zu erwerben.
Jan Morten Ertsass, der Leiter von Store Norske AS, die für den Bergbau auf Svalbard verantwortliche staatliche Gesellschaft, erklärt gegenüber NRK, dass er das Angebot abgelehnt hatte, weil ein Abbau nicht mehr profitabel sei und ausserdem sie eigene Ressourcen in dem Gebiet hätten, die besser seien. Seine Firma hat sich aus dem kommerziellen Abbau mit der Schliessung der grössten Kohlemine vor einiger Zeit zurückgezogen. Die einzige Mine, die sie noch betreiben, liefert den grössten Teil an das lokale Kraftwerk zur Energieproduktion, der Rest wird in Norwegen verkauft.
Rechtlich gesehen darf auf Svalbard Ressourcenabbau betrieben werden, auch wenn der Boden Norwegen gehört. Dafür sorgt das Extraktionsrecht. Als vor drei Jahren die Firma Austre Adventfjorden AS das gleichnamige Gebiet verkauft hatte, beinhaltete dies den Grund und Boden des Fjords, der gleich gegenüber von Longyearbyen liegt. Damals hatte die Firma bekanntgegeben, dass sie Anfragen von chinesischen und russischen Interessenten erhalten hätten, die das Gebiet kaufen und erschliessen wollten. Der Staat intervenierte und liess sich das Gebiet rund NOK 300 Millionen (ca. € 30 Millionen) kosten. Doch an den Abbaurechten war der Staat damals nicht interessiert. Ein Versäumnis, das den Staat jetzt teuer zu stehen kommen könnte.
Die Frage, ob chinesische oder russische Interessenten tatsächlich in dem Gebiet Kohle abbauen würden, ist schwierig zu beantworten. Denn einerseits ist der Hunger der beiden Länder nach fossilen Brennstoffen gewaltig, besonders jetzt nach der Pandemie. Die Wirtschaft anzukurbeln und die Verluste wegzumachen, sind sicherlich ganz oben auf der To-Do-Liste in Moskau und Peking. Besonders Letztere sind an mehr russischer Kohle interessiert, um die Lieferausfälle aufgrund eines Streits mit Australien aufzufangen. Ob aber die Fördermengen im Austre Adventfjord überhaupt eine Rolle spielen, kann noch nicht abgeschätzt werden. Andererseits geht es auch um politische Überlegungen der beiden Länder. Zum einen hat China den Ausbau seiner polaren Seidenstrasse im Visier. Bereits seit einiger Zeit kursieren Gerüchte, dass chinesische Investoren sich für Güter, die mit Svalbard in Verbindung stehen, interessieren, auch in Longyearbyen. Zum anderen will Russland seinen Halt am westlichen Ende seines arktischen Territoriums weiter ausbauen. Dafür würde man auch den unprofitablen Betrieb einer Kohlenmine in Kauf nehmen, ähnlich wie es mit Barentsburg bereits geschieht. In Longyearbyen könnte die Ankündigung von Austre Adventfjord auf jeden Fall für Gesprächsstoff sorgen und die Befürchtungen eines Ausverkaufs des norwegisch verwalteten Gebietes weiter nähren.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal