Grönlands Eisschild schmilzt schneller bis 2100 | Polarjournal
Jeden Sommer schmilzt der grönländische Eisschild an seiner Oberfläche und das Wasser läuft entweder auf oder unter dem Eispanzer ab. In den vergangenen Jahrzehnten ist dieser Schmelzvorgang immer stärker angestiegen und hat die Eisneubildung mittlerweile an vielen Stellen Grönlands überholt. Bild: Michael Wenger

In der Arktis schmilzt das Eis sowohl auf dem Meer wie auch auf dem Festland schnell weg aufgrund der Klimaerwärmung. Besonderes Augenmerk legt die Wissenschaft auf die Eisschilder auf dem Festland, da deren Abschmelzen den Meeresspiegel ansteigen lässt. Der grönländische Eisschild spielt dabei die Hauptrolle. Bisherige Modellberechnungen sagten voraus, dass bis in das Jahr 2100 die Schmelzvorgänge auf Grönland den Meeresspiegel global um bis zu 10 Zentimeter ansteigen lassen können. Doch eine neue Studie zeigt nun, dass der Anstieg sogar bis 18 Zentimeter betragen kann. Grund dafür sind bessere Modellberechnungen.

Das Modell, das die neuen Resultate geliefert hatte, ist dasselbe, welches auch für den letzten Klimabericht der IPCC (Klimawandel-Forschungsgruppe) verwendet worden war. Die grossangelegte Studie, die vom Labor für Klimatologie der Universität Liège angeführt worden ist, und in zwei Veröffentlichungen resultierte, hat das MAR-Modell mit den neuesten Erkenntnissen und Resultaten anderer Forschungsgruppen «gefüttert» und kam zu Schluss, dass der Eisschild Grönlands im «Worst-Case-Szenario» um 60 Prozent stärker schmilzt als bisher angenommen. «Während unser MAR-Modell vorhergesagte hatte, dass bis 2100 die Oberflächenschmelze des grönländischen Eisschildes für einen Anstieg der Ozean um rund 10 Zentimeter verantwortlich sei, wenn wir unsere Gewohnheiten nicht ändern, sagen unsere neuen Voraussagen einen Anstieg um 18 Zentimeter voraus», erklärt Hauptautor der einen Studie, Dr. Stefan Hofer von der Universität Oslo. Seine Arbeit wurde in Nature Communications veröffentlicht und sagt den Anstieg des Meeresspiegels voraus.

Die Animation zeigt die Unterschiede der beiden Berechnungen (links: alte Vorhersage, rechts: neue Vorhersage) und wie die Schmelze des grönländischen Eisschildes mit den neuen Erkenntnissen viel stärker wirkt. Je blauer, desto grösser ist der Unterschied zwischen Eisbildung und Schmelze Bild: Universität Liège

Den Aussagen der Forschungsgruppe zufolge haben die neuen Erkenntnisse über den Einfluss von Wolkenbedeckung und Rückkoppelungsmechanismen des schneller schmelzenden Meereises eine Verstärkung der Erwärmung um 1.3°C ergeben, was zum Ergebnis des stärker ansteigenden Meeresspiegels führt. Diese Aussage wurde gestützt durch die Untersuchungen der zweiten Forschungsgruppe von Dr. Xavier Fettweis von der Universität Liège. Sie hatten das ursprüngliche MAR-Modell mit verschiedenen neuen Modellen verglichen und herausgefunden, wie die Unterschiede der beiden Resultate zustande kamen. Dabei verglichen sie die Modellvorhersagen mit dem gegenwärtigen Zustand. «Es wäre jetzt spannend zu untersuchen, wie empfindlich die zukünftigen Szenarien für das von uns entwickelte regionale MAR-Modell sind. Dazu werden wir diese Szenarien mit ganz anderen Modellen vergleichen, wie wir es in dieser Arbeit für die Gegenwart durchgeführt haben,» erklärt Dr. Fettweis. Das Ziel dieses neuen Projektes soll es sein, globale Veränderungen des Eises mit vollständig quantifizierten Unsicherheiten bewerten zu können und so bessere und sicherere Vorhersagen über die lokalen, regionalen und globalen Meeresspiegelanstiege erstellen zu können.

Die Meeresspiegel steigen an, wenn das Eis der Gletscher Grönlands durch Kalbungen ins Meer gelangt und dort schmilzt. Durch die Erwärmung, die auf verschiedenen Ebenen auf die Gletscher wirkt, beschleunigt sich dieser Vorgang, die Gletscher verlieren mehr Eis und dadurch verliert der grönländische Eisschild an Masse. Denn hinten fällt auch nicht mehr genügend Schnee, um die Schmelze abzufangen. Bild: Michael Wenger

Die Gruppe um Xavier Fettweis möchte in ihrem neuen Projekt jedoch nicht nur die Einflüsse der Wolkendecke und der verstärkten Meereismechanismen untersuchen. Auch die katabatischen Winde, die vom Inneren des Eisschildes an die Küste brausen, sollen miteinbezogen werden. Davon verspricht er sich eine noch robustere Aussage des MAR-Modells und damit auch für den IPCC-Bericht. «In dem Wissen, dass der Wind das Schmelzen der Eisdecke beeinflusst, ist es wichtig, möglichst zuverlässige Modelle zu haben», meint er abschliessend.

Der Eisschild Grönlands ist in seiner Mitte bis zu 3’200 Meter dick und flacht dann gegen die Ränder ab. Das bedeutet, dass Luftmassen, die in der Mitte der Insel abkühlen und absinken, immer schneller gegen den Rand werden und als katabatische Winde Sturmgeschiwndigkeit an der Küste erreichen. Dies hat Einfluss auf die Schmelze der Oberfläche. Bild: Michael Wenger

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Links zu den Studien:

Hofer, S., Lang, C., Amory, C. et al. Greater Greenland Ice Sheet contribution to global sea level rise in CMIP6. Nat Commun 11, 6289 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-20011-8

Fettweis et al. (2020)The Cryosphere, 14, 3935–3958, GrSMBMIP: intercomparison of the modelled 1980–2012 surfacemass balance over the Greenland Ice Sheet; https://doi.org/10.5194/tc-14-3935-2020

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