In der Arktis schmilzt das Eis sowohl auf dem Meer wie auch auf dem Festland schnell weg aufgrund der Klimaerwärmung. Besonderes Augenmerk legt die Wissenschaft auf die Eisschilder auf dem Festland, da deren Abschmelzen den Meeresspiegel ansteigen lässt. Der grönländische Eisschild spielt dabei die Hauptrolle. Bisherige Modellberechnungen sagten voraus, dass bis in das Jahr 2100 die Schmelzvorgänge auf Grönland den Meeresspiegel global um bis zu 10 Zentimeter ansteigen lassen können. Doch eine neue Studie zeigt nun, dass der Anstieg sogar bis 18 Zentimeter betragen kann. Grund dafür sind bessere Modellberechnungen.
Das Modell, das die neuen Resultate geliefert hatte, ist dasselbe, welches auch für den letzten Klimabericht der IPCC (Klimawandel-Forschungsgruppe) verwendet worden war. Die grossangelegte Studie, die vom Labor für Klimatologie der Universität Liège angeführt worden ist, und in zwei Veröffentlichungen resultierte, hat das MAR-Modell mit den neuesten Erkenntnissen und Resultaten anderer Forschungsgruppen «gefüttert» und kam zu Schluss, dass der Eisschild Grönlands im «Worst-Case-Szenario» um 60 Prozent stärker schmilzt als bisher angenommen. «Während unser MAR-Modell vorhergesagte hatte, dass bis 2100 die Oberflächenschmelze des grönländischen Eisschildes für einen Anstieg der Ozean um rund 10 Zentimeter verantwortlich sei, wenn wir unsere Gewohnheiten nicht ändern, sagen unsere neuen Voraussagen einen Anstieg um 18 Zentimeter voraus», erklärt Hauptautor der einen Studie, Dr. Stefan Hofer von der Universität Oslo. Seine Arbeit wurde in Nature Communications veröffentlicht und sagt den Anstieg des Meeresspiegels voraus.
Den Aussagen der Forschungsgruppe zufolge haben die neuen Erkenntnisse über den Einfluss von Wolkenbedeckung und Rückkoppelungsmechanismen des schneller schmelzenden Meereises eine Verstärkung der Erwärmung um 1.3°C ergeben, was zum Ergebnis des stärker ansteigenden Meeresspiegels führt. Diese Aussage wurde gestützt durch die Untersuchungen der zweiten Forschungsgruppe von Dr. Xavier Fettweis von der Universität Liège. Sie hatten das ursprüngliche MAR-Modell mit verschiedenen neuen Modellen verglichen und herausgefunden, wie die Unterschiede der beiden Resultate zustande kamen. Dabei verglichen sie die Modellvorhersagen mit dem gegenwärtigen Zustand. «Es wäre jetzt spannend zu untersuchen, wie empfindlich die zukünftigen Szenarien für das von uns entwickelte regionale MAR-Modell sind. Dazu werden wir diese Szenarien mit ganz anderen Modellen vergleichen, wie wir es in dieser Arbeit für die Gegenwart durchgeführt haben,» erklärt Dr. Fettweis. Das Ziel dieses neuen Projektes soll es sein, globale Veränderungen des Eises mit vollständig quantifizierten Unsicherheiten bewerten zu können und so bessere und sicherere Vorhersagen über die lokalen, regionalen und globalen Meeresspiegelanstiege erstellen zu können.
Die Gruppe um Xavier Fettweis möchte in ihrem neuen Projekt jedoch nicht nur die Einflüsse der Wolkendecke und der verstärkten Meereismechanismen untersuchen. Auch die katabatischen Winde, die vom Inneren des Eisschildes an die Küste brausen, sollen miteinbezogen werden. Davon verspricht er sich eine noch robustere Aussage des MAR-Modells und damit auch für den IPCC-Bericht. «In dem Wissen, dass der Wind das Schmelzen der Eisdecke beeinflusst, ist es wichtig, möglichst zuverlässige Modelle zu haben», meint er abschliessend.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Links zu den Studien: