Antarktis-Flugplatz schlägt hohe Wellen | Polarjournal
Der Wilkins Aerodrome ist gegenwärtig Australiens einziger Flugplatz, auf dem auch Maschinen aus dem Mutterland landen können. Doch die Eispiste ist aufgrund des Klimawandels immer häufiger geschlossen und auch sonst nur im Sommer verfügbar. Abhilfe soll ein neuer Flugplatz bei der Davis Station schaffen.. Bild: M. Ryan / Australian Antarctic Division

Australien setzt sich seit Anfang an für den südlichsten Kontinenten ein und gehört zu den grossen Taktgebern innerhalb der Antarktisvertragsstaaten. Das Land sieht sich als Schutzmacht und Garant für den Erhalt des weissen Kontinents und geniesst einen hohen Stellenwert in der antarktischen Gemeinschaft. Doch sein neuestes Projekt eines ganzjährig betriebenen Flugplatzes mit Betonpiste hat eine ziemliche Delle in dieses Ansehen getrieben. International hagelt es Kritik und Besorgnis von allen Seiten, besonders in Bezug auf Umwelt, Nachhaltigkeit und Sicherheitspolitik.

Der von der australischen Regierung und der Australian Antarctic Division vorgelegte Plan sei «unnötig», «zu teuer», «eine schlechte Idee» werden die Kritiker Shaun Brooks und Julia Jabour von der University of Tasmania in der Presse zitiert. Brooks bezeichnete den Flugplatz als «White elephant», als ein Objekt, das mehr Kosten als Nutzen verursachen werde. Ihre Kritik richtet sich vor allem an die umwelttechnischen und ökologischen Konsequenzen. Denn in der Anflugschneise zum Flugplatz liegen Adéliepinguin-Kolonien und die Geburtsplätze von Weddellrobben. Diese gebären ihre Jungen im Winter und der Flugplatz, der ganzjährig betrieben werden soll, werde die Tiere massiv durch Lärm, Abgase und Partikel beeinträchtigen. Auch die CO2-Emissionen, die durch den Flugverkehr ausgestossen werden, monieren die Wissenschaftler. Der Bau der Anlage, die das grösste Projekt seiner Art in der Ostantarktis seit langer Zeit sein wird, werde mit den Sprengungsarbeiten, dem Lärm und den Störungen die empfindlichen antarktischen Ökosysteme stören und zerstören.

Die zweitälteste, aber grösste australische Station Davis, hat letzten Monat eine aufsehenerregende medizinische Evakuierung erlebt. Ein kranker Stationsbewohner musste in einem logistisch aufwändigen Verfahren nach Australien zurückgebracht werden. Im Hintergrund: die Vestfold Hills. Bild: Hannes Grobe AWI /Wikimedia Commons / CC BY-SA 2.5

Die Umwelteinwände der Kritiker dürften das Image Australiens als Vorkämpfer einer nachhaltigen Antarktisnation in Mitleidenschaft gezogen haben. Aber trotz der Kritik und der Vorwürfe bleibt Kim Ellis, der Leiter der AAD, dabei, dass der Flugplatz zum Wohl der australischen und internationalen Antarktisforschung dient, die damit ungeahnte Möglichkeiten erhalten würden. Gleichzeitig ist zu sagen, dass die AAD eine komplette Umweltverträglichkeitsstudie in Auftrag gegeben hatte, die zurzeit noch in der Prüfung ist. Gemäss der AAD wird das Projekt einer extensiven, transparenten und rigorosen Prüfung unterzogen werde, um sicherzustellen, dass die Standards zum Schutz der antarktischen Umwelt vollumfänglich gewährleistet seien. Schliesslich hat Australien und die AAD aktiv diese Standards bei den Konsultativstaaten des Antarktisvertrages durchgesetzt. Da der Prozess der Beurteilung noch im Gang ist, sind Änderungen in Bezug auf die Umsetzung des Projektes wahrscheinlich.

Die Notwendigkeit aber sieht die AAD und der australische Staat ganz klar, besonders im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse auf der Davis Station im vergangenen Dezember. Damals musste eine medizinische Evakuierung eines Stationsmitgliedes mithilfe einer aufwändigen, komplexen und auch kostenintensiven Operation durchgeführt werden. Dabei waren schliesslich mehrere Flugzeuge, ein Hubschrauber, Eisbrecher und mehrere Stationen beteiligt. Ausserdem musste eine Landebahn bei der Davis Station erstellt werden. Die gesamte Operation dauerte mehrere Tage von der Planung bis zur erfolgreichen Evakuierung.

Im australischen Sektor, der rund 40 Prozent des gesamten antarktischen Festlandes einnimmt, liegen mehrere Stationen anderer Länder. Dazu zählen auch die bekannten Stationen Vostok (RUS), Kunlun (CN) und Bharati (IND). Diese Länder würden vom Flugplatz ebenfalls profitieren. Bild: Tweetapo / H. Debussy-Jones / Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0

Neben der Wissenschaft und Logistik, die als Profiteure des Flugplatzes von der AAD und der australischen Regierung genannt werden, würden aber auch ausländische Stationen, die in derselben Region wie Davis Station profitieren. Denn Länder wie Indien, China und Russland, die permanent belegte Stationen in der Region betreiben, dürften ein Interesse an der Nutzung des Flugplatzes als Logistikzentrum haben. Sie alle haben ihre Antarktisprojekte und -programme in den vergangenen Jahren stark ausgebaut, besonders China. Genau hier sehen Politologen und Sicherheitsexperten das Problem für den geplanten Flugplatz. Damit, so schreibt beispielsweise der Politologe Grant Wyeth auf der Webseite The Diplomat, würde Australien «die politischen Bedingungen auf dem Kontinent verändern», indem es China und Russland heraufordern könnte, eigene Grossprojekte in diese Richtung zu unternehmen und sogar Gebietsansprüche anzumelden. Auch hier könnte es sein, dass das Konfliktpotential des Projektes vielleicht als zu hoch betrachtet wird. Denn die Staaten in der Region arbeiten eng zusammen und zwar schon seit vielen Jahren. So hat China beispielsweise die Evakuierungsoperation Australiens logistisch stark unterstützt. Ob dabei tatsächlich der Kooperationsgedanken, der die Antarktisvertragsstaaten eint, oder taktisches Kalkül dahintergesteckt haben, sei für einmal dahingestellt und es gilt «in dubio pro reo».Auf jeden Fall es ist nicht unwahrscheinlich, dass Australien mit seinem Megaprojekt nicht nur die Landepiste zementieren will, sondern auch seine Position in der weissen Welt der Antarktis.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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