AECO und Arktistourismus weiter in der Krise | Polarjournal
Fast wie Stochern im Nebel: Die Anbieter für Expeditionsreisen in die Arktis sind von der Länge des Verbotes überrascht worden, besonders in Kanada. Auch wenn die Regierung einen Strohhalm anbietet, indem sie eine kontinuierliche Neubeurteilung der Lage verspricht, ist eine Planung der Arktissaison so kaum umsetzbar. Bild: Michael Wenger

Seit dem Februar 2020 hat das kleine Sars-CoV-2 Virus die Welt fest in seinem Griff. Die Massnahmen, die Regierungen zum Schutz der Bevölkerung in den besonders abgelegenen arktischen Regionen erhoben haben, hatten bisher zumindest in Kanada, Grönland und auf Svalbard auch gewirkt. Während aber Grönland selbstständig über seine Grenzen bestimmen kann, sind die beiden anderen Regionen auf die Entscheidungen der zentralen Regierungen angewiesen. Und die haben sich beide letzte Woche für eine Verlängerung der Verbote für Touristenbesuche ausgesprochen. Dies hat der bereits schwer angeschlagenen Expeditionskreuzfahrtindustrie einen weiteren Stoss in Richtung Existenzkrise verpasst. Besonders die Gesellschaft der Anbieter Arktischer Expeditionsreisen AECO leidet unter der Situation.

Die Association of Arctic Expedition Cruise Operators AECO ist seit dem Beginn der Pandemie praktisch ohne Einkünfte geblieben. Denn die Einnahmen erzielt sie durch die Mitgliederbeiträge, die sich wiederum aus den Passagierzahlen der Mitglieder innerhalb der AECO-Gebiete berechnet. Wenn diese keine Reisen durchführen können, fallen damit auch die Beiträge weg. Und Reisen sind mit den Ankündigungen in Kanada und Norwegen auch weiterhin nicht in Sicht. Unterstützung der AECO durch die Mitglieder ist auch nur im geringen Umfang möglich. «Unsere Mitglieder geben ihr Bestes. Aber auch sie kämpfen sehr hart im Moment», schreibt Frigg Jørgensen in einer E-Mail an PolarJournal. «Wir haben viele Möglichkeiten für den Erhalt von Finanzmittel untersucht und wir haben für einige Projekte Finanzierungen erhalten, beispielsweise unsere «Clean Seas»-Kampagne, einige Forschungsprojekte und ein Projekt zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen», beschreibt die Geschäftsführerin der AECO ihre Bemühungen zur Finanzierungssuche.

Eine der erfolgreichsten Umweltkampagnen, die AECO-Mitglieder jedes Jahr durchführen, sind die «Clean Up Svalbard» Aktionen, die hunderte Tonnen Müll, vor allem Plastik und Netze, von den Stränden entfernt. Eine Schliessung der AECO würde den Umweltgedanken des arktischen Tourismus schwer schädigen. Bild: Julia Hager

Der norwegische Staat hat zwar zahlreiche Hilfspakete auf den Weg gebracht. Doch aufgrund einer komplexen Struktur der norwegischen Gewerbesteuer und der Tatsache, dass die AECO eine gemeinnützige Organisation ist, fiel sie bisher bei der Verteilung der Hilfspakete durch. «Wir haben uns daher auch an verschiedene Behörden gewandt und um finanzielle Unterstützung gebeten, um uns in dieser Krise zu helfen. Dies war bisher nicht erfolgreich.» erklärt Frigg Jørgensen weiter. Gegenwärtig sind noch Reserven und die Projektfinanzierungen da und auch einige der Mitglieder der AECO haben finanzielle Unterstützung gewährt. Doch mit den Ankündigungen der kanadischen und norwegischen Regierungen letzte Woche sehen die Aussichten auf eine Arktissaison nicht gut aus. Damit entstehen weitere Ausfälle bei den AECO-Mitgliedern und der AECO selbst, der Bankrott droht. Der Verlust der AECO wäre ein harter Schlag für die gesamte Branche. Denn die Organisation hat in den vergangenen Jahren Massstäbe für einen nachhaltigeren, sanfteren Expeditionstourismus gesetzt. Und der Verlust käme auch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da immer mehr neue Reedereien auf den Markt drängen wollen und sich ein Stück vom Kuchen schnappen möchten.

Die Zahl der Touristen, die auf Svalbard, in Grönland und Kanada die arktische Natur und Wildnis spüren wollen, ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Die Pandemie und die Schutzmassnahmen haben die Entwicklung gebremst und es wird sich zeigen, wer in den kommenden Monaten bei einem erneuten Ausfall der Saison den längsten Atem haben wird. Bild: Michael Wenger

Die Ankündigung der kanadischen Regierung, keine Schiffe mit mehr als zwölf Personen in den arktischen Küstenregionen zu erlauben und Schiffe mit über 100 Personen ganz aus den kanadischen Gewässern zu verbannen, hatte bereits letztes Jahr für einen Aufschrei gesorgt. Dass nun diese Verbote noch einmal für ein Jahr gelten werden, kam sogar für Experten aus der Industrie überraschend. Zwar hatte man eine Verlängerung des Verbots bereits auf dem Schirm, doch nicht bis Februar 2022. Damit sind nicht nur die kanadischen Häfen aus dem Rennen, sondern auch die Alaska-Reisen vieler grösserer Anbieter. Denn mit ihrem Verbot schliesst die kanadische Regierung auch den Transit der Schiffe durch die Nordwestpassage. Gegenwärtig können nur Schiffe, die unter US-Flagge fahren, Häfen in Alaska direkt ansteuern. Alle anderen Schiffe müssen aufgrund eines US-Gesetzes aus dem Jahr 1920 zuerst einen ausländischen Hafen anlaufen. Und in der Vergangenheit waren das kanadische Häfen. Ein schwerer Schlag also für diejenigen Reedereien, die in diesem Jahr auf eine Wiedereröffnung ihrer Aktivitäten gehofft hatten. Von einem „Todesstoss für die arktische Kreuzfahrtindustrie“ ist bereits die Rede hinter vorgehaltener Hand. Vorneherum geben sich einige aber noch kämpferisch und wollen versuchen, die Regierung in Ottawa noch umzustimmen.

UPDATE: Vier US-amerikanische Anbieter mit kleinen Schiffen haben angekündigt, dieses Jahr ihre Alaska-Reisen durchzuführen. Wie Cruise Industry News berichtet, haben UnCruise, Alaskan Dream Cruise, American Cruise Lines und Lindblad Expeditions ihre Absicht, Reisen im Expeditionsstil in Alaska anzubieten, bekräftigt. Da die Firmen ihre Schiffe in den USA registriert haben, gilt für sie der Jones Act nicht. Dieses Gesetz besagt, dass ausländisch beflaggte Schiffe keine zwei US-amerikanischen Häfen hintereinander anlaufen dürfen. Die Gesellschaften planen, ab Mai ihre Fahrten anzubieten. Alles werde unter Einhaltung der Gesetze und Bestimmung Alaskas im Umgang mit der Pandemie durchgeführt. Besondere Hoffnung lege man auf die Impfstoffe, wie einer der Betreiber gegenüber Cruise Industry News sagt. UnCruise hatte bereits letztes Jahr versucht, den Markt in Alaska wiederzubeleben. Doch bereits auf der ersten Fahrt musste aufgrund eines positiven COVID-Tests umgedreht und die Reise abgesagt werden. Das Testresultat stellte sich im Nachhinein als falsch dar. Alaska verzeichnet gegenwärtig sinkende Fallzahlen und hat seit Mitte Dezember mit seinem Impfprogramm begonnen. Nach staatlichen Angaben seien bereits über 15 Prozent der Bevölkerung mit der ersten Dosis geimpft worden. Alaska verwendet die beiden mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontec und Moderna. Trotzdem befindet sich der Staat immer noch in der höchsten Alarmstufe der Pandemie.

Auch Norwegen hat angekündigt, seine Kreuzfahrtenregelungen im Zuge der COVID-Massnahmen bis zum 1. Mai zu verlängern und dann eine Neubeurteilung der Situation vorzunehmen. Auch hier lässt diese Aussage eine echte Planung der Arktissaison kaum zu. Damit bleiben Expeditionsschiffe mit ausländischen Gästen für Touren um Svalbard zurzeit Wunschdenken. Bild: Michael Wenger

Auch Norwegen hat Ende letzter Woche seine Regelungen bezüglich Kreuzfahrten nach Svalbard und entlang der norwegischen Küste bis zum 1. Mai verlängert. Zwar können Schiffe mit 30 Personen an Bord (inklusive Crew) einen Tagesausflug durchführen. Und auch Küstenfahrten, die in Norwegen starten und nur norwegische Häfen anlaufen, können mit Schiffen, die weniger als 200 Personen (inklusive Crew) an Bord haben und maximal 50 Prozent Passagierkapazität aufweisen, sind möglich.  Doch aufgrund der gegenwärtigen Grenzschliessung Norwegens für ausländische Touristen, sind auch hier keine Arktisreisen gegenwärtig realistisch. Gegenwärtig warten die meisten Anbieter noch ab mit Absagen von Reisen, zumindest für Svalbard. Doch Tatsache ist, dass die Zeit gegen sie läuft und auch eine Öffnung im Mai in Norwegen kaum die Verluste, die diese erneute Verlängerungen bedeuten, ausgleichen werden. Ob die kleinen Schiffe in diesem Jahr wieder ihren Vorteil der Flexibilität und geringen Grösse nutzen können, steht im Moment noch in den Sternen des Polarhimmels.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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