Arktische Fischerei wird politisches Krisengebiet | Polarjournal
Fischerei in der Barentssee wird von der russischen und der norwegischen Regierung sehr stark kontrolliert. Es bestehen Verträge über Quoten und grenzübergreifende Kooperationen in der Region. Doch nun hat Norwegen Ärger mit der EU über Fanquoten und der russische Staat verstärkt seinen Griff auf die von privaten Firmen betriebene Fischerei. Bild: Bruce Tuten, Wikimedia Commons CC BY 2.0

Die Fischerei spielt in der Arktis eine enorm wichtige Rolle. Sie ist zum einen Nahrungsquelle für viele Bewohner dort, zum anderen auch eine der wichtigsten Einnahmequellen verschiedener Länder. Denn die Nachfrage nach Fisch und anderen Meeresprodukten ist global gesehen immer weiter ansteigend. Besonders wichtige Fanggebiete sind die Barentssee und die Tschuktschensee. Hier sind kommerziell wichtige Fischarten wie der Kabeljau und Köhler. Um aber zu verhindern, dass die Bestände in ihren Hoheitsgewässern leergefischt werden, haben Norwegen und Russland klare Quoten festgelegt und überwachen ihre Gebiete. Doch nun haben sich zwei Situationen ergeben, die zu Konflikten und ein Politikum werden können.

Zum einen ist Norwegen erbost über die von der EU festgelegten Fangquoten in der Schutzzone rund um Svalbard. Denn die EU hat bestimmt, dass dort rund 29’000 Tonnen Kabeljau gefangen werden dürfen, was rund 10’000 Tonnen über der von Norwegen festgelegten Quote liegt, wie norwegische Medien berichten. Mit der Entscheidung hat Brüssel einmal mehr die Souveränität Norwegens über die Fischfanggebiete im arktischen Archipel herausgefordert. Der zentrale Punkt ist dabei, dass in der Region unter anderem Grossbritannien nach Kabeljau gefischt hatte als EU-Mitglied. Da nun aber das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitglied der EU ist, fällt auch sein Anteil an der Quote weg, was eine beträchtliche Grösse war.

„Jegliche Fischerei über die von Norwegen festgelegten Quoten hinaus wird als illegale Fischerei betrachtet.“

Odd Emil Ingebrigtsen, Fischereiminister, Norwegen

Norwegens Premierministerin Erna Solberg kritisierte die Entscheidung der EU aufs Schärfste und warnte, dass jegliches Schiff, das dort oben über die von Norwegen bestimmte Quote hinaus fischen wird, konfisziert und mit saftigen Bussen belegt werden wird. Auch der Minister für Fischerei, Odd Emil Ingebrigtsen, gibt eine klare Warnung in Richtung seines EU-Pendants Virginijus Sinkevičius: «Jegliche Fischerei über die von Norwegen festgelegten Quoten hinaus wird als illegale Fischerei betrachtet und wird von der Küstenwache in der üblichen Art bestraft», schreibt das norwegische Staatsfernsehen in seiner Mitteilung.

Svalbard ist zwar eine demilitarisierte Zone. Zwischendurch aber legen Schiffe der norwegischen Küstenwache, hier die Svalbard (links) und die Barentshav, in Longyearbyen an. Die Schiffe sind Teil der Fischereipatrouillen in den reichen Gewässern rund um Svalbard. Bild: Bjoertvedt – Own work, CC BY-SA 3.0

Absicht war die Ankündigung der EU wohl keine, sondern ein Fehler, meint Andreas Østhagen, Experte für Sicherheitspolitik bei der Plattform The Arctic Institute und am Fridtjof Nansen Institut, gegenüber dem norwegischen Sender NRK. «Ich glaube, es ist ein Missverständnis von Seiten der EU-Bürokratie, das aber weitreicherende Konsequenzen haben kann, als sie annehmen. Sie haben keine guten Karten in dem Fall. Denn sie können sich keine eigenen Quoten geben, wie Norwegen. Das ist ein Bruch internationaler Gesetze», erklärt er. Seiner Meinung nach sollte die EU schleunigst ihre Ankündigung zurücknehmen. Ansonsten könnte Norwegen die EU-Fischereischiffe verbannen. Es bleibt nun abzuwarten, wie die EU auf die Drohungen Norwegens reagieren wird.

Die Barentssee ist eine wichtige wirtschaftliche Fischereizone, die von Norwegen und Russland innerhalb ihrer Wirtschaftszonen verwaltet wird. Die Karte zeigt, wie viele Fischereischiffe (orange) sich gegenwärtig in der Region tummeln. Auch der Transport der Fischereiprodukte geschieht entlang der Küsten der beiden Länder. Karte: Screenshot Marine Traffic

Neben den dunklen Wolken in der westlichen Barentssee stehen die Zeichen auch im Osten auf Sturm. Denn Russland hat angekündigt, seine Kontrolle über die Fischerei und die Verarbeitung von Fischereiprodukten zu verstärken und seine heimische Wirtschaft zu stärken, wie The Independent Barents Observer schreibt. Zum einen soll die Kontrolle der Fischerei ausgebaut werden, indem Fischereischiffe, die auch im Ausland gebaut worden sind, in Russland angemeldet werden müssen und ihre Fänge in Russland anmelden und verzollen müssen. Bei Nichteinhaltung dieses Dekrets, das bereits Ende Dezember 2020 in Kraft getreten ist, droht der Verlust der Fangrechte der Firma. Gleichzeitig sollen Fischereiprodukte in Russland verarbeitet werden und nicht mehr im Ausland. «Unsere Ressourcen müssen auf russischem Staatsgebiet verarbeitet werden. Wir müssen Arbeitsplätze kreieren, eine Wirtschaftszone in Russland und nicht im Ausland aufbauen», erklärte der Vizeministerpräsident und Verantwortliche für den russischen Fernen Osten, Yuri Trutnev in einer staatlichen Medienmitteilung.

Russland hatte letztes Jahr angekündigt, dass seine Fischfangflotte modernisiert und ausgebaut werden wird, besonders im Fernen Osten des Landes. Die ersten Schiffe sind dabei bereits gebaut worden, wie wir berichtet hatten. Nun sollen mit höheren Fangquoten die Firmen dazu ermuntert werden, auch mehr Fischerverabeitungsfabriken zu bauen, statt ins Ausland zu verschiffen. Bild: United Shipbuilding Corporation

Hintergrund der Ankündigung ist zum einen die Tatsache, dass China, einer der grössten Importeure russischen Fisches, die Importe gestoppt hatte, weil angeblich chinesische Arbeiter bei der Verarbeitung des Fisches sich mit dem SARS-CoV-2-Virus angesteckt hätten. Diese Mitteilung Mitte Dezember 2020 der chinesischen Behörden liessen zehntausende Tonnen von Fisch auf russischen Schiffen feststecken. Und Fisch ist eine der wichtigsten Handelsgüter für den russischen Fernen Osten. Gemäss staatlichen Angaben werden rund 70 Prozent des gesamten russischen Fisches in dieser Region gefangen und knapp 60 Prozent davon nach China verschickt zur Weiterverarbeitung, eine gewaltige wirtschaftliche Menge. Ein weiterer Hintergrund für die Ankündigung ist die Tatsache, dass russische Fischereifirmen bis zu 50 Prozent ausländische Beteiligung aufweisen können und Schiffe, die nicht in Russland gemeldet sind, ausländische Häfen zur Abfertigung und Verzollung anlaufen können. Dadurch entziehen sie sich der staatlichen Kontrolle und Russland verliert Millionen. Mit dem Dekret, das Ministerpräsident Minushin im Dezember in Kraft treten liess, haben nun die Fischereifirme Zeit bis zum 1. Januar 2022, um alle notwendigen Umstellungen und Anmeldungen durchzuführen.

Während im russischen Fernen Osten vor allem Köhler (Pollack), auch als Seelachs bekannt, gefangen wird, ist es in der Barentssee der Kabeljau (kleines Bild). Dieser hochbegehrte Fisch ist in der Region immer noch häufig und wandert aufgrund der wärmeren Wassermassen immer weiter in Richtung Svalbard hoch. Karte: Wikipedia, Bild: August Linnmann, Wikipedia

Doch Widerstand formiert sich bereits, wie die Zeitung Kommersant schreibt, von Seiten der Fischereiindustrie. Zum einen soll die Übergangsfrist für die Schiffsanmeldung um zwei Jahre verlängert werden. Zum anderen warnen russische Firmen, dass mit einen geplanten Gesetz, das die Beteiligung ausländischer Investoren in russische Fischereifirmen auf 25 Prozent reduzieren und deren Mitspracherecht beschneiden soll, sich Russland ein Eigentor schiesst. Denn so würden, gemäss Kommersant, «die Leistungen von fremden Transportschiffen zur Lieferung von Fängen in russische Häfen und schwimmende Basen für die Produktionsverarbeitung auf See verkompliziert werden.» Ausserdem drohten Handelshemmnisse mit dem Ausland und massive Kostensteigerungen bei Transporten. Arktischer Fisch wird wieder einmal zum Politikum, sowohl aussen wie auch innen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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