Orca vor Norwegens Küste | Polarjournal
Ein etablierter Tourismuszweig entlang der Küste von Nordnorwegen sind Whalewatching-Touren. Mit kleinen Schiffen (und mittlerweile anderen Wasserfahrzeugen) werden Touristen in die Fjorde gefahren. Dort haben sie die Möglichkeit, die intelligenten und sozialen Tiere bei der Jagd zu beobachten. Bild: Stefan Leimer

Orcas sind in allen Ozeanen beheimatet und ziehen in ihren Clans von Nahrungsquelle zu Nahrungsquelle. Dabei werden sie von einem weiblichen Tier angeführt und die Gruppe so zusammengehalten. Die Meeressäuger sind enorm intelligent und anpassungsfähig und können sowohl im tiefen Süden wie auch im hohen Norden vorkommen. Fasziniert werden die Menschen vor allem von ihren sozialen Fähigkeiten und ihrer Agilität. Wo Orcas auftauchen, schlagen sie die Menschen in ihren Bann. Auch im coolen Norwegen bringen es die Meeressäuger fertig, dass aus einem Journalist ein Tourguide wird.

«Fantastisk dag på Andøya. Masse spekkhoggere i andfjorden!» schreibt Helge begeistert auf Facebook. Was für ein fantastischer Tag in Andoya. So viele Schwertwale im Andfjord. Der Grund für die zahlreichen Walsichtungen ist das aktuell grosse Nahrungsangebot. Auf ihrer Wanderroute vom Atlantik in den Arktischen Ozean überwintern jeden Jahres Abermillionen Heringe an der norwegischen Küste. Wo Nahrung im Überfluss vorhanden ist, sind auch Fressfeinde nicht weit.

Wenn Orcas in die Fjorde Norwegens ziehen, sind sie auf der Jagd nach Fischen. Dabei lassen sie sich auch nicht von den Beobachtern stören, die selber auf der Jagd nach Bilder sind, die diese Meeressäuger zusammen mit dem majestätischen Hintergrund eines verschneiten Fjordes zeigen. Bild: Stefan Leimer

Der Winter entlang der norwegischen Westküste ist vergleichsweise mild. Die lokale Bevölkerung spricht gar von einem warmen Winter und einem kalten Sommer. Verantwortlich dafür ist eine der mächtigsten Strömungen der Welt. Vorm Atlantik her kommend fliesst Wasser zuerst zum Golf von Mexiko, wo es Wärme aufnimmt. Anschliessend vereint es sich mit dem Florida- und dem Bahamasstrom und bilden jetzt gemeinsam den eigentlichen Golfstrom. Europa wird so mit gewaltigen Mengen an Wärmeenergie versorgt. In der Folge frieren die Buchten an der Norwegischen Westküste selbst im Winter nicht zu. So auch der Andfjord, ein ausgedehnter 30 Kilometer breite und 40 Kilometer langer Fjord zwischen den Insel Andøya, Hinøya und Senja. Das gibt Buckel-, Grind-, Finn- und den Schwertwalen die Möglichkeit, den riesigen Fischschwärmen bis tief in den Andfjord hinein zu folgen, um sich so richtig satt zufressen.

Mit ihrer markanten schwarz-weissen Zeichnung, dem weissen Augenfleck (der kein Auge enthält) und der namensgebenden Rückenfinne (Schwertwal), sind die Tier enorm auffällig. Doch unter Wasser ist ihre Färbung eine perfekte Tarnung. Bild: Stefan Leimer

Bis zu 200 Kilo Nahrung nimmt ein ausgewachsener Orca pro Tag zu sich. Auf seiner Speisekarte stehen dabei – abhängig von seinem Lebensraum – Fische, Kalmare, Pinguine und Robben. Weil ab und zu auch Delfine, Zwergwale und Grauwale gefressen werden, nannten die Fischer die Orcas „killer of whales“. Im Laufe der Zeit wurde daraus „killer whale“. Mit dieser Bezeichnung tut man den faszinierenden Meeressäugern aber unrecht. Die wegen ihrer grossen Finne Schwertwal genannten Meeressäuger töten ausschliesslich zum fressen und nicht, wie der Name suggeriert, aus Lust am töten. Der Name Orca leitet sich übrigens von seinem wissenschaftlichen Namen Orcinus orca ab, was in etwa Wal aus dem Reich der Toten bedeutet und dem Image der Schwertwale auch nicht förderlich ist. Seit je her wurden die intelligenten, sehr sozialen Wale gefürchtet. Uns Menschen gegenüber verhalten sie sich aber freundlich, bisweilen sogar neugierig. In freier Wildbahn ist kein einziger Angriff auf Menschen dokumentiert. Und die lokalen Fischer sehen in den Schwertwalen keine Konkurrenz. Zu gross ist der Fischreichtum in diesen Gewässern. In den vergangenen Jahren ist der Bestand der «norwegischen» Schwertwale zu einem der größten der Welt angewachsen.

Orcas sind sehr soziale Tiere. Angeführt von einem weiblichen Tier, ziehen die Tiere immer wieder an dieselben Orte, um dort zu jagen. Dabei müssen die Kleinen lernen, wie man erfolgreich jagt und sich auch innerhalb der Gruppe benimmt. Ausserdem besitzen sie eine komplexe Sprache mit Dialekten. Bild: Stefan Leimer

In der Regel jagen Orcas im Team. Mit viel Einfallsreichtum erlegen die bis zu neun Meter langen grossen Delphine ihre Beute. Die Herings-Schwärme werden zu einer großen Kugel zusammengetrieben und mit einer Wand aus Luftblasen eingeschlossen. Dann betäuben sie die Fische mit einem Schlag ihrer Fluke, um sie anschliessend einzeln zu verspeisen. Dabei wird darauf geachtet, dass jedes Familienmitglied satt wird.

Orcas kennen keine Scheu vor Menschen. Sie sind durchaus neugierig und beobachten beim Auftauchen oder durch Spy-hopping die Umgebung über Wasser. Sie orientieren und jagen unter Wasser mit einer Vielzahl von Geräuschen. Doch das macht die Tiere anfällig auf Lärm. Und wenn es ihnen zu laut oder zuviel wird, ziehen sie schnell weiter. Bild: Stefan Leimer

Auf der Jagd nach Fisch umkreist eine Schule Schwertwale unser Boot. Einige tauchen gar unter dem Boot durch. Andere schlagen mit dem Schwanz auf das Wasser oder springen mit dem ganzen Körper aus dem Wasser, um die Fische zu verwirren. Gut eine halbe Stunde dauert das Spektakel, dann ziehen die Schwertwale weiter.

Die nördlich der Lofoten gelegenen Insel Andoya war bisher ein guter Platz, um Orcas und andere Wale zu beobachten. Auch um Tromsø herum war lange Zeit sehr viel Orca-Betrieb. Doch in den letzte Jahren verschoben sich die Tiere weiter nach Norden, wahrscheinlich auch weil ihre Nahrung dorthin weitergewandert ist. Dies wird als Zeichen einer Erwärmung der Gewässer um Norwegen gedeutet. Bild: Michael Wenger

In den letzten Jahren scheint der Hering von Jahr zu Jahr aber weiter nordwärts zu ziehen – und mit ihm die Wale. Während in der Vergangenheit die Fjorde von Senja und Tromsø Ziel der Heringe und damit der Schwertwale waren, beobachtet man die Wale in den vergangenen Jahren weiter nördlich in der Umgebung von Skjervøy.

Stefan Leimer

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