Weiteres K.o. für Bohrpläne in der US-Arktis dank Eisbären | Polarjournal
Eisbärinnen benötigen Schneehöhlen für die Geburt ihrer Jungtiere. An der Nordküste von Alaska müssen die Tiere dazu an die Hänge des Festlandes, weil kein mehrjähriges Eis mehr vorhanden ist. Da Eisbären unter Schutz stehen, muss die Lage der Schneehöhlen im Vorfeld kartiert werden, um Störungen bei Aktivitäten im Schutzgebiet zu vermeiden. Symbolbild: Michael Wenger

Das Tauziehen um die geplanten Erdölförderungen im grössten US-amerikanischen Arktisschutzgebiet, dem Arctic National Wildlife Refuge, hat auch mit der Amtseinführung von Präsident Joe Biden nicht aufgehört. Die in Kaktovik, das mitten im Schutzgebiet liegt, angesiedelte Kaktovik Inupiat Corp (KIC) befürwortet die Förderpläne und hat nach der Auktion im Januar 2021 begonnen, diese umzusetzen. Doch nun müssen sie diese Pläne wieder auf die Wartebank setzen. Denn ausgerechnet die von Einheimischen geführte Gesellschaft hat bei der Beantragung von seismischen Voruntersuchungen einen kapitalen Fehler begangen und die Eisbären in der Region vergessen.

Die KIC-Gesellschaft hat bei der Einreichung der Pläne für seismische Voruntersuchungen vergessen, die Schneehöhlen von Eisbärenmütter zu kartographieren und eine Einschätzung des Störungspotentials der seismischen Aktivitäten miteinzureichen. Dies meldet die Agentur Reuter unter Berufung auf eine Mitteilung des Innenministeriums. «Das Unternehmen wurde heute darauf hingewiesen, dass ihr Anliegen nicht mehr umsetzbar ist», schreibt das Ministerium. Gemäss der Sprecherin habe das Unternehmen die Deadline zur Einreichung der notwendigen Daten ungenutzt verstreichen lassen. Damit sind die Pläne der Kaktovik Inupiat Corp wieder zurückgestellt worden, zumindest vorerst.

Die Karte zeigt die Lage des umkämpften «Section 1002» Areals. Mittendrin liegt die Gemeinde Kaktovik, deren Einwohner sich für eine Förderung von Erdöl und Erdgas aussprechen. Mehrere Gebiete innerhalb hätten dabei nun mit seismischen Untersuchungen an der Küste genauer unter die Lupe genommen werden sollen. Karte: US Fish & Wildlife Service via Alaska Dept. of Interior

Es scheint ein wenig ironisch, dass ausgerechnet das von lokalen Inupiat geführte Unternehmen einen derart wichtigen Aspekt des Bewilligungsverfahren vergessen oder vernachlässigt hat. Denn zum einen ist gerade die Region um Kaktovik für ihre Eisbärenpopulation bekannt und bei Touristen beliebt. Zum anderen ist es zwingend notwendig, eine Bewertung von allfälligen Störungen, besonders durch seismische Aktivitäten, bei der Einreichung mitbeizulegen. Und dazu gehört auch eine mit Luftaufnahmen erstellte Karte von Eisbärenhöhlen im Gebiet. Die Gründe, warum das Unternehmen diese wichtigen Daten nicht geliefert hat, können nur erahnt werden. Die KIC hat noch keine Stellungnahme veröffentlicht. Auf jeden Fall ist die Entscheidung des Innenministeriums ein weiterer Rückschritt für die Förderpläne. Denn Präsident Joe Biden hatte noch an seinem Amtseinführungstag einen temporären Stopp für Erdölförderungen im ANWR erlassen und eine Neubewertung der Situation versprochen.

Die Ortschaft Kaktovik liegt am sogenannten Alaska North Slope auf einer Insel direkt an der Beaufortsee. Die rund 250 Einwohner des Ortes sind in erster Linie Inupiat, die von der Jagd, dem Fischfang und Tourismus leben. Der Ort wurde offiziell 1971 gegründet, doch die Insel ist schon seit Jahrhunderten ein Handelszentrum der Inupiat und Inuit Kanadas. Karte: Michael Wenger / Google Earth

Trotz dem von US-Präsident Joe Biden noch am ersten Tag ausgesprochenen temporären Stopp der Förderpläne im ANWR geht das Tauziehen um Erdölförderungen weiter. Denn einige Kreise in Alaska und besonders in der Ortschaft Kaktovik wollen die Erschliessung der Gebiete vorantreiben. Alaska ist selber hat zwar in den vergangenen Jahren immer weniger Erdöl gefördert und auch der Preis für Rohöl ist derart tief, dass grosse Erdölfirmen nicht an der Auktion im Januar teilgenommen hatten. Doch Gouverneur Mike Dunleavy und auch die von Inupiat geführte KIC sind der Meinung, dass die Förderung «umweltfreundlich und nachhaltig» durchgeführt werden und Störungen der empfindlichen arktischen Natur in ihrer Tier- und Pflanzenwelt vermieden werden könnten. Doch zahlreiche Natur- und Umweltschutzorganisationen und auch Vertreter von Gesellschaften der Rechte von Ureinwohner fordern einen Stopp der Förderpläne und bekämpfen diese mit allen rechtlichen und medialen Mitteln. Ihrer Meinung sind die von den Befürwortern vorgelegten Bewertungen von veralteten Daten ausgegangen und man habe nicht alle Aspekte des Naturschutzes miteinbezogen. Die neueste Entwicklung in dem seit Jahrzehnten dauernden Konflikt dürfte ihnen sicherlich Recht geben.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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