Die Antarktis gehört niemandem und doch allen. Dem internationalen Vertragssystem gehören 54 Staaten an und 40 von ihnen haben auch das Umweltschutzprotokoll (auch Madrider Protokoll genannt) unterzeichnet und ratifiziert. Dies erlaubt den Unterzeichnerstaaten unter anderem auch den Bau und den Betrieb einer eigenen Forschungsstation in der Antarktis. Zu den jüngsten Staaten, die das Protokoll ratifiziert haben, gehört auch die Türkei. Sie hat nun auch Pläne für den Bau einer eigenen Station vorgelegt.
Nach den Vorstellungen des türkischen Polarinstitutes TUBITAK MAM PRI, welches für die Leitung und Operation der Station verantwortlich ist, soll die TARS (Turkish Antarctic Research Station) nach der Fertigstellung bis zu 50 Personen aufnehmen können. Sie soll nach einem zweijährigen Probelauf in den antarktischen Sommern schliesslich das ganze Jahr betrieben werden und das nationale Antarktisforschungsprogramm voranbringen. Die Forschungszweige beinhalten unter anderem Klima- und Eisforschung, Atmosphären- und Weltraumwissenschaften, Bio- und Geowissenschaften und die Auswirkungen menschlicher Einflüsse auf die Antarktis. Diese Forschungszweige sind Teil des türkischen Polarforschungsprogrammes, welches seit 2018 in der Antarktis betrieben wird.
Die Pläne für die Station, die insgesamt knapp 4’000 Quadratmeter gross sein wird, umfassen ein Hauptgebäude, welches auf Stelzen stehen soll und in drei verschiedene Bereiche in vier Modulen (Schlafen, Wohnen & Essen, Labors, Büros) unterteilt wird. Die einzelnen Module sind durch schliessbare Korridore voneinander getrennt, die auch eigene Luftfilteranlagen beinhalten sollen. Der Laborbereich wird fünf Labore beinhalten und nur erste Analysen erlauben. Abschliessende Untersuchungen von Proben sollen in der Türkei vorgenommen werden. Die technischen Bereiche wie Energie, Unterhalt und Fahrzeuge werden in anderen Gebäuden untergebracht. Dies sei aus praktischen und aus sicherheitstechnischen Gründen geplant, schreibt das Institut. Sonnenkollektoren und Windturbinen sollen einen Grossteil der notwendigen Energie liefern. Dieselgeneratoren werden für Notfälle und als Zusatz eingesetzt. Ein geplanter Hubschrauberlandeplatz soll lediglich bei Notfällen verwendet werden. Eine Mole oder anderweitige Landestelle für Schiffe ist nicht geplant. Alle Transporte und Verbindungen sollen per Kleinboot durchgeführt werden. Wasser erhält die Station von drei Seen oberhalb der Station. Abwasser wird grösstenteils wieder aufbereitet und nur in kleinen Mengen in die Bucht geleitet, Abfälle entweder verbrannt oder gesammelt und zurück nach Südamerika transportiert.
Der Bau der Station soll während zwei antarktischen Sommern durchgeführt werden. Dazu sollen alle modularen Teile in der Türkei vorfabriziert werden und dann via Südamerika nach Horseshoe Island gebracht werden. Das Polarinstitut rechnet mit einem Personalaufwand von rund 130 Personen für den Aufbau. Nach der Inbetriebnahme soll die Station zuerst nur in den Sommern besetzt werden, um sie zu testen. Danach ist der ganzjährige Betrieb geplant. De Laufzeit ist mit 25 Jahren angegeben. Horseshoe Island ist auch nicht zum ersten Mal Sitz einer Antarktisstation. Grossbritannien hatte hier in den 1950er-und nochmals in den 1960-er Jahren bereits ihre Station Y in Betrieb. Die Hütte steht auch heute noch und ist Teil des antarktischen Kulturerbes.
Die Türkei ist eine der jüngsten Antarktisnationen und drückt sehr aufs Gaspedal. Eine erste Antarktisexpedition mit türkischer Beteiligung wurde 2016 gemeinsam mit der Ukraine gestartet. Nachdem die Türkei 2017 das Madrider Umwelt Protokoll ratifiziert hatte, war der Weg frei für eigene Expeditionen. Bereits ein Jahr später wurde das temporärer Forschungscamp auf Horseshoe Island errichtet. Dieses soll nun durch die neue Station ersetzt werden. TUBITAK MAM PRI hat die Pläne und eine umfassende Umweltbewertung für den Bau der Station TARS vorgelegt. Diese Bewertung ist zurzeit öffentlich einsehbar (u.a. via Webseite der Australian Antarctic Division (AAD)) und kann auch entsprechend kommentiert werden. Die Umweltbewertungsstudie ist Pflicht als Teil des «Protokolls zum Schutz der Umwelt in Antarktisvertrag», auch Madrider Protokoll genannt. Aufgrund dieser Studie werden die Konsultativmitglieder des Antarktisvertrages darüber abstimmen, ob die Türkei die Erlaubnis für den Bau und den Betrieb der Station erhalten wird. Das geplante Treffen der Konsultativstaaten des Antarktisvertrages soll Mitte Juni in Paris stattfinden.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Link zur Webseite der Australian Antarctic Division für die Bewertungsstudie: Australian Antarctic Division