Der März ist für Anbieter und Betreiber von arktischen Expeditionsreisen traditionell ein hektischer Monat. Fahrplanerstellung, Guides und Crews organisieren, letzte Reiseplätze verkaufen und anderes machen füllen die Arbeitstage. Doch in diesem Jahr herrscht eine andere Art von Hektik: Die COVID-bedingte Unsicherheit, ob überhaupt eine Saison stattfinden wird und wie diese aussehen soll. Erste Anbieter haben deshalb die Notbremse gezogen und kurzerhand ihre Reisepläne gestrichen, andere warten noch ab und hoffen.
Die Liste der Anbieter, die ihre Expeditionsreisen entweder auf die zweite Hälfte des Sommers 2021 reduziert haben oder sogar ganz von der Webseite entfernt haben, wird in der nächsten Zeit immer länger. Ein Vergleich der Angebote auf den Webseiten der grösseren Reedereien und Anbieter zeigt, dass viele ihre Pläne umgestaltet haben. Dies aufgrund der Ankündigungen verschiedener Regierungen in Bezug auf Tourismus in ihren arktischen Regionen. So hat Kanada vor einigen Wochen mit seiner De-facto-Schliessung der arktischen Regionen für einen Aufschrei des Entsetzens in der Tourismusbranche gesorgt. Auch Norwegen hat mit der Neuigkeit, dass Svalbard noch mindestens bis zum 1. Mai für Schiffe und ausländische Besucher geschlossen bleibt, für tiefe Sorgenfalten gesorgt. Und in Grönland, welches ein Einreiseverbot für Schiffe, die weniger als 14 Tage nonstop auf See gewesen sind, immer noch in Kraft hat, geht man davon aus, in diesem Jahr im besten Fall nur dänische Besucher zu haben. Denn gegenwärtig sind nur notwendige Reisen von und nach Dänemark möglich. Und immer wieder derselbe Nebensatz: Man beobachte die Situation und entscheide dann auch kurzfristig, die Massnahmen zu ändern. Doch solche Sätze schaffen nicht Klarheit, sondern mehr Verunsicherung, sowohl bei Anbietern wie auch bei Gästen.
Hoffnung steuert viele Pläne von Anbietern
Eines ist sicher: Die Arktis-Saison 2021 steuert auf schwere Zeiten zu und Eisbären, Wale und Robben könnten auch dieses Jahr kaum Touristen kreuzen. Anders als im vergangenen Jahr, als die Angst vor COVID noch grösser war und die Länder einfach alles dicht gemacht haben, ist die Situation heute komplexer und für viele unübersichtlicher. Wer heutzutage Reisen planen will, sieht sich verschiedensten Quarantäneregeln, Einreisebeschränkungen, Ampelsystemen für Länder, Lockdowns und schnell ändernden Bestimmungen gegenübergestellt. Besonders die Anbieter für arktische Expeditionsreisen trifft die Situation hart. Planungen, die im letzten Jahr gemacht worden waren, sind stark in Frage gestellt, sowohl was die Abfahrten direkt anbelangt, aber auch die Zubringer der Gäste an die Startorte. Während nun einige Anbieter die Notbremse gezogen haben, aufgrund der Unwägbarkeiten, sind bei vielen noch die Angebote ersichtlich. Denn zum einen hoffte man, dass die Zahlen der COVID-Infektionen weiter sinken werden und dadurch die Regierungen zu einem Umdenken bewegt werden könnten. Ausserdem sind da ja noch die Impfmassnahmen in vielen Ländern. Während im letzten Jahr die Zahlen von Todesfällen die Medien beherrschten, waren es jetzt die Zahl an geimpften Personen. Diese Hoffnung gilt auch jetzt noch, besonders bei den Reedereien, die ihre Abfahrten nur nach hinten verschoben haben oder flugs ihre Abfahrtsorte und Zielgebiete etwas modifiziert haben. Denn Aufgeben ist zumindest zurzeit noch keine Option. Denn bei vielen Reise hatten die Gäste letztes Jahr darauf gehofft, dass 2021 wieder mehr Normalität herrschen wird und hatten deshalb einfach umgebucht. Diese Gäste will man nicht verlieren und setzt daher auf das Prinzip Hoffnung. Man bietet aber mittlerweile auch bessere Umbuchungs- und Stornierungsmöglichkeiten, um flexibler auf COVID-bedingte Änderungen eingehen zu können.
Lücken und Hindernisse
Obwohl die gegenwärtige Lage in den arktischen Regionen eine Saison für ausländische Touristen schwierig macht, sind die Bestimmungen in den Ländern nicht ganz lückenlos. Einige Anbieter haben beispielsweise für Norwegen eine Möglichkeit entdeckt: Die Regierung in Oslo erlaubt das Anlaufen von norwegischen Häfen, wenn das Schiff von einem norwegischen Hafen aus gestartet ist und nur 50 Prozent seiner Passagierkapazität trägt. Daher findet man Reisen ab Juni von Tromsø. Doch zwei Hindernisse bleiben bestehen:
Zum einen das Verbot, dass Schiffe mit mehr als 30 Personen (inklusive Crew) Svalbard anlaufen dürfen. Doch auch hier existiert eine Lücke zumindest für die kleineren Schiffe, die bereits letztes Jahr erfolgreich ab Longyearbyen operieren konnten. Denn sie weisen eine kleinere Personenzahl an Bord und ein bisher funktionierendes Sicherheitskonzept auf.
Das andere Hindernis ist die Anreise für ausländische Touristen. Denn neben dem obligaten negativen PCR-Test müssen alle Reisenden aus Risikoländern in eine zehntägige Quarantäne, die frühesten nach sieben Tagen und zwei negativen Tests beendet werden kann. Die Risikoländer bestimmt die norwegische Regierung selbst und dies kann sich immer schnell ändern. Zurzeit betrifft das Einreiseverbot sämtliche Länder des europäischen Wirtschaftsraumes und zahlreiche andere Länder (Ausnahmen sind definiert). Wichtig hier auch: Die Einreisenden müssen die Tests und die Kosten für die Quarantäne selbst übernehmen. Daher sind Einreisen schwierig und kostenintensiv. Aber die Hoffnung, dass Mitte Jahr die Situation besser werden könnte und die Regierung in Oslo eine Lockerung vornimmt, bleibt bestehen.
Für die Tourismusfirmen in Grönland und Svalbard sind diese Nachrichten nicht besonders rosig. Zwar hat die Regierung in Oslo zwei Hilfspakete im Umfang von 6.5 Millionen Euro für Svalbard geschnürt und auch Nuuk unterstützt seinen Tourismussektor. Trotzdem kämpfen zahlreiche Firmen dort ums nackte Überleben. Hilfe durch Touristen auf Schiffen wäre notwendig. In Norwegen und Grönland setzt man daher auf den einheimischen Markt und versucht das Beste daraus zu machen. Man wirbt, kooperiert und hofft, dass zumindest im eigenen Land die Zahlen tief bleiben und neue Ausbrüche und Wellen vermieden werden können. Grönland weist zurzeit keine COVID-Fälle auf. Aber in Norwegen kam es erst vor kurzem zu steigenden Infektionszahlen in Oslo. Und in der kanadischen Arktis werden immer wieder neue Fälle vor allem in Arviat entdeckt. Massnahmenmüdigkeit bei der Bevölkerung und teilweise lasche Umsetzung der Bestimmungen durch einzelne Personen werden als Hauptgründe angegeben. Daher hängt es vom Verhalten jedes Einzelnen ab, ob das Virus auch weiterhin sein Unwesen treibt oder ob es in diesem Jahr für die Anbieter doch noch eine Chance gibt, die Schönheiten der Arktis zeigen zu können.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal