Satelliten entdecken Antarktika’s „Missing Link“ | Polarjournal
Weil die Eiskappen fast den gesamten Bereich des antarktischen Kontinents bedecken, sind Untersuchungen zur Geologie Antarktikas schwierig und fragmentarisch. Vor allem aus dem Eis ragende Bergspitzen (Nunataks) und an den Küsten lassen sich Proben nehmen. Die neue Methode des internationalen Forschungsteams schafft Abhilfe. Bild: Michael Wenger

Antarktika ist scheinbar abgeschnitten vom Rest der Welt, getrennt durch die gewaltigen Wassermassen des Südlichen Ozeans. Doch das war nicht immer so: Vor rund 200 Millionen Jahren war Antarktika mit anderen Kontinenten verbunden und gemeinsam bildete man den Superkontinent Gondwana. Mithilfe der Geologie konnten Forscher bestimmen, wo diese Landmassen miteinander verbunden gewesen waren. Doch die Eiskappen Antarktikas liessen keine genaueren geologischen Bestimmungen zu. Nun hat ein Forschungsteam mit Satelliten-Hilfe ein klareres Bild zeichnen können und hochaufgelöste Details über die «Missing Links» zwischen Antarktika und seinen Nachbarn entdeckt.

Das Forschungsteam um den Geophysiker Professor Jörg Ebbing von der Universität Kiel konnte durch Aufnahmen der «SWARM»-Satelliten von der ESA (European Space Agency) Magentikdaten von Antarktika und anderen Kontinenten zusammenführen und mit jahrzehntelangen geophysikalischen Datenreihen, die bei Überflügen mit Flugzeugen erstellt worden waren, vergleichen. Dadurch konnte das Team eine Zeitreise bis 200 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit erstellen und zeigen, wie und wo Antarktika sich mit den Nachbarkontinenten zum Superkontinent Gondwana formte. Dabei gelang es dem Team, auch bisher bekannte Lücken zu schliessen. Besonders ein Bereich zwischen Ostantarktika und Südostafrika liess sich praktisch wie zwei Puzzleteile zusammenfügen.

Das Video nimmt den Zuschauer mit in die Vergangenheit und zeigt, wie sich Antarktika und die übrigen Südkontinente miteinander verbinden. In der Realität ging das Ganze aber rückwärts und die Kontinente lösten sich voneinander. Damit kann nun auch die Geologie Antarktikas unter dem Eis besser bestimmt werden. Video: ESA Youtube-Kanal

Die Ergebnisse der Arbeit, die in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht worden sind, sind ein neuer Weg, wie man geophysikalische Daten trotz dicken Eismassen erheben kann. «Wir hatten mit den alten Daten gewissermassen einen Flickenteppich an unterschiedlichen Briefmarken, die aneinandergelegt ein Bild ergeben haben – allerdings mit weissen Stellen. Der Satellit hat nun von diesen weissen Flächen neue Aufnahmen gemacht», erklärt Professor Ebbing. Die Resultate wurden von Doktorand Peter Haas visualisiert und zeigen, wie sich Antarktika und die Nachbarkontinente getrennt hatten. Doch die Ergebnisse gehen noch weiter. Denn mit den neuen Magnetik-Daten Antarktikas kann auch die Bewegungen der Eisschilde bestimmt werden, sagt Professor Ebbing. Das wiederum hilft bei der Erstellung von noch genaueren Klimamodellen für die komplexen Vorgänge in Antarktika im Hinblick auf die Klimaveränderungen.

Die geophysikalischen Daten der Kontinente sehen auf den ersten Blick wie ein Mosaik aus (links), in dem die Kontinentalteile mehr oder weniger gut zueinanderpassen. Mithilfe der Magnetdaten (rechts) und dem geologischen Profil (unten), konnten das Forschungsteam die Verbindungen detaillierter gestalten, die Puzzleteile fügten sich besser zusammen (blauer Kreis). Bilder: aus Ebbing et al (2021) Scientific Reports

Die Daten der Satellitenmessungen wurden mit aerogeophysikalischen Daten verarbeitet und mit der bekannten Geologie Antarktikas und seiner Nachbarn abgeglichen. Diese bisher verwendeten Daten waren durchaus nützlich, um die Trennung Antarktikas, die massgeblich zur Bildung der Eiskappen beigetragen hat, zu verstehen. Doch es fehlten immer wieder Teile des Puzzles. «Wir haben jahrzehntelang versucht, die Verbindungen zwischen der Antarktis und anderen Kontinenten zusammenzufügen,» erklärt Dr. Fausto Ferraccioli vom Ozeanograpischen und Geophysikalischen Institut in Triest und Mitautor. «Wir wussten, dass magnetische Daten eine entscheidende Rolle spielen, da man unter die dicken Eisschilde der Antarktis blicken kann, um die entlang der Küste exponierte Geologie in das Innere des Kontinents zu extrapolieren.» Doch erst mit den SWARM-Satelliten der ESA gelangen grossflächige und genauere Messungen der Geologie via deren magnetischen Anomalien und ein Vergleich mit den Nachbarkontinenten Australien und Afrika. So fügten sich die Teile der Kontinente genauer aneinander.

Drei identische Satelliten der ESA, jeder rund 9 Meter lang, umkreisen die Erde und messen magnetische Signale, die unsere Planeten umgeben (Erdmagnetfeld). Die dabei entstehenden Daten geben Aufschluss über Anomalien und die Geologie der Landmassen, auch wenn sie unter Eis liegen. Video ESA

Bei den SWARM-Satelliten der ESA handelt es sich um drei identische Satelliten, die seit 2013 in rund 480 Kilometer Höhe die Erde auf polare Umlaufbahnen umkreisen. Dabei brauchen die Satelliten zwischen 93 und 94 Minuten pro Umlauf. Jeder Satellit ist nur 75 Zentimeter breit, aber 1.3 Meter hoch und 9 Meter lang. Auf ihrem Weg vermessen sie die magnetischen Signale der Erde, vom Erdkern bis in die Magnetosphäre. Seit 2018 wird die Mission kanadischen Satelliten Cassiopeia unterstützt. Dabei können die Forscher einen Blick auf verborgene Strukturen wie beispielsweise unter den Eisschilden Antarktikas oder auf die Tiefseeböden der Ozeane werfen. Je nach magnetischem Fingerabdruck lassen sich so Aussagen über die Geologie erstellen. Damit wird sichtbar, was das Eis Antarktikas seit Jahrmillionen verborgen gehalten hat.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Ebbing, J., Dilixiati, Y., Haas, P. et al. East Antarctica magnetically linked to its ancient neighbours in Gondwana. Sci Rep 11, 5513 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-84834-1

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