Horchen oder Schnüffeln – Auf der Jagd nach dem Krill | Polarjournal
Das begehrteste Wesen im Südlichen Ozean ist dieses rund 6 Zentimeter kleine Krebstier, Euphausia superba. Sein Vorkommen hängt vom pflanzlichen Plankton im Meer ab, seiner Nahrung. Krill sammelt sich in riesigen Schwärmen an und treibt so mit der Strömung. Doch sein Auffinden ist keine einfache Sache. Bild: Michael Wenger

Krill ist im Südlichen Ozean der wohl wichtigste tierische Vertreter. Denn alle sind hinter dem kleinen Krebstier her, vom Pinguin bis zum Blauwal und neuerdings auch der Mensch. Doch Krill in den Weiten des Ozeans aufzuspüren, ist keine einfache Sache. Trotzdem ist es australischen Forschern gelungen, auf einer Expedition in die Ostantarktis mehr über Krill zu erfahren und ihn zu entdecken. Hilfe kam dabei auch von Walen und Seevögeln. Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, wie die Tiere das bewerkstelligen und warum sie uns trotz technischer Hilfsmittel überlegen sind.  

Die Forschungsreise der RV Investigator, die während zwei Monaten zwischen Afrika und Australien im Südpolarmeer auf der Suche nach Krill war, ist erfolgreich zu Ende gegangen. Die australischen Wissenschaftler der Australian Antarctic Division AAD hatten im Rahmen des TEMPO-Projektes Krill in dieser Region mit neuen Detektions- und Beobachtungsmethoden aufzuspüren und zu untersuchen. Mehr als 17’000 Kilometer legte das Schiff dabei zurück, bevor es wieder in den Hafen von Hobart einlief.  Dabei mussten die Forscher nicht nur schweren Seegang erdulden, sondern auch hoffen, dass ihre entwickelten technischen Möglichkeiten, dem Krill auf die Spur zu kommen, funktionieren. Denn das Ziel war es, genügend Daten zu sammeln, um die Menge der kostbaren Meerestiere abschätzen zu können.

«Zu einer Zeit, in der die kommerzielle Krillfischerei in neue Gebiete expandieren will, spielt diese Forschung eine wichtige Rolle, um nachhaltige Fangmengen zu garantieren.»

Sussan Ley, Umweltministerin von Australien

Ein wichtiger Aspekt, der zum einen dem Schutz der Tiere dienen soll; gleichzeitig aber geht es auch darum, dass die CCAMLR (Kommission zur Erhaltung von antarktischen lebenden Meeresressourcen) Fangquoten für die aufstrebende Krillfischerei in der Region festlegen kann. So soll illegaler Krillfischerei entgegengetreten werden. Dieser Meinung ist auch die australische Umweltministerin Sussan Ley: «Zu einer Zeit, in der die kommerzielle Krillfischerei in neue Gebiete expandieren will, spielt diese Forschung eine wichtige Rolle, um nachhaltige Fangmengen zu garantieren.»

Das Video der AAD zeigt eine Zusammenfassung der Expedition. Im Laufe dieser wurde mit Hilfe von speziellen Kameras neue Erkenntnisse mitten aus Krillschwärmen gewonnen und auch gezeigt, dass Krill in bis zu 1’500 Metern Tiefe vorkommt. Hilfe erhielten die Forscher auch von Walen und Seevögeln. Video: AAD

Zu den Erfolgen der Expedition gehören sicherlich zum einen die Tests mit Kameras für stereoskopische Aufnahmen mitten aus Krillschwärmen und die Erkenntnis, dass Krill grosse vertikale Wanderungen unternimmt. Tiere wurden noch in 1’500 Metern Tiefe und in verschiedenen Gebieten gefunden. Fest installierte Sonden mit Kameras werden während eines Jahres Aufnahmen und Daten über Krill in verschiedenen Gebieten liefern. Ausserdem hatten die Forscher das Glück, auf mehrere Superschwärme zu treffen, darunter einen von 3.2 Kilometer Länge, 300 Meter Breite und rund 100 Metern Dicke. Dort konnten sie auch beobachten, welche Auswirkungen Wale, Robben und Seevögel auf solche Schwärme haben und mehr über das Fressverhalten der Tiere erfahren, die von Krill abhängig sind. Insgesamt sichteten die Wissenschaftler mehr als 1’400 Wale, hunderte von Robben und Pinguine während der Expedition.

Solche Echogramme, die mithilfe eines Sonars vom Schiff aus erstellt werden, zeigen das Ausmass eines Krillschwarmes. Dieser war über drei Kilometer lang und rund 100 Meter „dick“. Die blauen Bereiche zweigen, wo Wale in den Schwarm getaucht waren. Bild: Gavin Macaulay, Australian Antarctic Division

«Die Herausforderung jetzt ist es, alle diese Daten in eine zuverlässige Schätzung der Krill-Biomasse in dieser Region zu verwandeln», erklärt Dr. So Kawaguchi von der AAD und Leiter der Expedition. «Diese Forschungsreisen sind entscheidend, um die riesige Meereswelt Australiens besser zu verstehen und den Wohlstand unserer wachsenden «Blue economy» zu sichern», erklärt die Tara Martin, Leiterin des CSIRO, der staatlichen Behörde für wissenschaftliche und industrielle Forschung Australiens. Als «Blue economy» wird die nachhaltige Nutzung mariner Ressourcen bezeichnet. Doch Krillfischerei ist umstritten, denn gerade die fischenden Nationen blockieren Bestrebungen bei den Treffen der Antarktisvertragsstaaten, grossflächige Meeresschutzgebiete in der Antarktis einzurichten.

Ansammlungen von Walen und Meeresvögeln zeigen den Standort eines Krillschwarms im Südpolarmeer schon von weitem an. Während wir vor allem auf visuelle und auditorische Entdeckung setzen und dabei distanztechnisch begrenzt sind, riechen die Tiere Krillschwärme schon auf grosse Distanz. Bild: Michael Wenger

Doch trotz aller technischen Erfolge der Expedition mussten die Wissenschaftler auf die Hilfe aus der Tierwelt zählen, um die Krillschwärme zu entdecken. Denn obwohl Krill in riesigen Mengen im Südlichen Ozean vorkommt, ist seine Verteilung nur fleckenhaft und in den Weiten des Meeres kaum aufzuspüren. Superschwärme könnten theoretisch mithilfe von Satelliten aufgenommen werden. Doch solche Schwärme sind eher die Ausnahme als die Regel. Doch wie schaffen es diejenigen Tierarten, die von Krill als Nahrung abhängig sind, ihre Nahrung aufzuspüren? Ein internationales Forscherteam aus Japan und den USA ging dieser Frage nach und entdeckte, dass die Tiere Zooplankton wahrscheinlich anhand eines spezifischen Geruchs aufspüren: Dimethylsulfid, auch der «Duft des Meeres», genannt. Diese schwefelhaltige Substanz entsteht, wenn Krill Phytoplankton frisst und dabei das in den Pflanzenzellen eingelagerte DMSP (Dimethylsulfoniopropionat) freigesetzt wird. Dabei einsteht der typische Meeresgeruch, den man von Stränden mit Algen kennt. Je mehr Zooplankton grast, desto höher sollte die Konzentration von DMS in der Luft und im Wasser sein.

Das Forschungsteam entwickelte dazu ein Instrument, das an Bord von Schiffen die Mengen der verschiedenen Schwefelverbindungen in Luft und Wasser analysiert und mengenmässig bestimmt. So konnte das Team feststellen, dass an Orte mit grossen Mengen an Zooplankton auch grosse Mengen an DMS und DMSP existieren. Diese Daten nahmen die Forscher in eine Pilotstudie in die Antarktis mit, in der Buckelwale markiert worden waren, um ihre Bewegungsmuster zu studieren. Die Auswertungen dieser Arbeit sind noch im Gange. Doch die Forscher sind überzeugt, dass sie in weiteren Studien mehr herausfinden werden, wie die Giganten der Meere dem kleinen Krill auf die Spur kommen… und dabei uns als Signal dienen.

Auch zahlreiche Pinguinarten leben fast ausschliesslich von Krill. Goldschopfpinguine, auch Macaronis genannt, schwimmen in Verbänden ins offene Meer zu den Krillschwärmen. Wahrscheinlich folgen sie dabei chemischen Signalen. Bild: Michael Wenger

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Links zu den Studien:


Owen, K., Saeki, K., Warren, J.D. et al. Natural dimethyl sulfide gradients would lead marine predators to higher prey biomass. Commun Biol 4, 149 (2021). https://doi.org/10.1038/s42003-021-01668-3

Okane, D., Koveke, E., Tashima, K., et al (2019) Anal. Chem., 91, 16, 10484–10491 High Sensitivity Monitoring Device for Onboard Measurement of Dimethyl Sulfide and Dimethylsulfoniopropionate in Seawater and an Oceanic Atmosphere; https://doi.org/10.1021/acs.analchem.9b01360

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