2050 werden 9.7 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Die Versorgung der Menschheit mit genügend Lebensmitteln wird spätestens dann zu einer Herausforderung werden. Aquakulturen können einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten. Das norwegische Unternehmen Andfjord Salmon AS möchte nun das Rad im Bereich Aquakulturen neu erfinden und baut auf den Vesterålen die «weltweit fischfreundlichste und nachhaltigste landbasierte Aquakulturanlage».
Schätzungen der Vereinten Nationen (UNO) zu Folge, werden im Jahr 2050 ca. 9.7 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Das sind 2,9 Mia mehr, als es noch im November 2020 waren. Parallel dazu wird sich der Lebensart der Bewohner von Schwellenländern immer mehr zu einem «westlichen» Lebensstil hin entwickeln. Und mit dieser Entwicklung werden sich auch ihre Ernährungsgewohnheiten drastisch ändern.
Auf Grund des prognostizierten Bevölkerungswachstums rechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) damit, dass der Fleischkonsum pro Kopf bis zum Jahr 2050 um 25% Prozent steigt. Selbst ohne diesen Zuwachs müsste die Agrarproduktion um 50-70% Prozent gesteigert werden, um den Bedarf an Nahrungsmitteln für die dann auf der Erde lebenden Menschen befriedigen zu können. Ausreichend Lebensmittel zu produzieren wird früher oder später eine weltweite Herausforderung werden. Noch wächst die Lebensmittelproduktion schneller als die Weltbevölkerung. Aber es geht längst nicht nur um eine ausreichende Ernährung, sondern je länger desto mehr auch um eine gesunde Ernährung.
Grundlagen für die Lebensmittelproduktion sind fruchtbare Böden, Süßwasser und die Fischbestände der Meere. Das Meer hat bzw. wird eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Nahrung für Milliarden Menschen spielen. Gemäss Analysen der Welternährungsorganisation (FAO) stagnieren aber die Fischerträge seit 1990 und sind teilweise sogar rückläufig. Die FAO unterstreicht, dass Produkte aus Aquakulturen einen wichtigen Beitrag zur Ernährung bilden.
Die Hoffnung auf eine Stabilisierung und Verbesserung der weltweiten Versorgungssituation richten sich auf die Mitte der 1960-er von der Weltbank gemeinsam mit der FAO ausgerufene „Blaue Revolution“. Dabei handelte es sich um den Versuch, die Ernährungssituation – vor allem die Versorgung mit Eiweiß – in den Entwicklungsländern zu verbessern. Nicht zuletzt durch die Erzeugung mariner Nahrungsmittel durch küstennahe Aquakulturen in Meer- und Brackwasser.
Aquakulturen stellten in den vergangenen Jahrzehnten den am schnellsten wachsenden Zweig der Ernährungswirtschaft dar. Im Jahr 2012 erzeugten Aquafarmen weltweit erstmals mehr Nahrungsmittel als alle Rindfleischzüchter der Welt. Und 2018 wurden weltweit über 114,5 Mio. Tonnen Fische, Weichtiere, Krebstiere, Algen und weitere Wasserorganismen in Aquakulturen produziert (FAO, 2020).
Aquakulturen sind also auf dem besten Weg, die wachsende Weltbevölkerung mit genügend tierischem Eiweiß zu versorgen. Ein großer Vorteil dabei ist, dass Fische praktisch jedes Gramm Futter in eigene Körpermasse umsetzen. Rinder dagegen brauchen sieben Kilogramm Futter pro Kilogramm Steak.
Weitere Vorteile sind:
- Schonung der natürlichen Wildfischbestände
- Möglichkeit für Entwicklungsländer, günstige Nahrung zu erwirtschaften
- mehrfache Nutzungsmöglichkeit von Offshore Windanlagen
- Schaffung von Arbeitsplätzen in sozial schwachen Regionen
Doch lange nicht alle Aquakulturen erfüllen die Standards für ökologische und artgerechte Fischzucht. Die Nebenwirkungen sind oft ähnlich wie bei der Landwirtschaft: Zerstörung von natürlichem Lebensraum, Wasserverschmutzung, Einsatz von Pestiziden und Antibiotika, um nur die wichtigsten zu nennen. Entsprechend polarisierend wird das Thema Aquakulturen diskutiert. Um die Probleme langfristig unter Kontrolle zu bekommen, hat der WWF im Jahr 2004 einen Gedankenaustausch für umweltgerechtere Aquakulturen initialisiert. Daraus entwickelte sich fünf Jahre später der Aquaculture Stewardship Council (ASC), eine breit abgestützte, unabhängige Organisation, welche die Standards für Aquakulturen festlegt (www.asc-aqua.org).
Nun schickt das norwegische Unternehmen Andfjord Salmon AS sich an, das Rad im Bereich Aquakulturen neu zu erfinden. Nichts weniger als «… die weltweit fischfreundlichste und nachhaltigste Aquakulturanlage ihrer Art zu bauen» hat sich der Gründer Roy Bernt Pettersen auf die Fahnen geschrieben. Es soll eine zukunftsorientierte Anlage entstehen, die beispielhaft für eine nachhaltige Entwicklung der Aquakulturindustrie ist. Andfjord Salmon hat von Anfang an mit dem Aquaculture Stewardship Council für eine Zertifizierung seiner Aquakulturstandorte zusammengearbeitet.
Andfjord Salmon hat sich sein innovatives Konzept für die Zucht von Atlantischem Lachs patentieren lassen. Der Leitgedanke des Unternehmens basiert dabei auf Innovation für eine nachhaltige Lachszucht. Die zukünftigen Fischzuchtanlagen sollen eine minimale Menge Energie verbrauchen, geringe Betriebskosten verursachen und möglichst wenig Auswirkungen auf die Umwelt haben. Im Einzelnen heisst das:
- Becken mit fliessendem, sauerstoffreichem Atlantikwasser
- eine patentierte Methode zur Reinigung der Pools
- keine Energie zum Erwärmen oder Abkühlen des Meerwassers benötigt
- Sichere Sperren, die ein Entweichen der Zuchtlachse verhindert
Eigene Photovoltaik- und Windkraftanlagen werden zudem die Energiekosten der gesamtem Produktionsanlage senken. Das durchdachte Gesamtkonzept der Anlage verhindert die von herkömmlichen Aquakulturen bekannten Probleme mit Lachsläusen oder giftigen Algen. Reinigungsroboter am Grund der Becken sorgen permanent dafür, dass die Pools sauber bleiben. Ein innovatives Mehrfachreinigungssystem verhindert die Verschmutzung des umliegenden Meeres. Martin Rasmussen, CEO von Andfjord Salomon und Vater von zwei kleinen Mädchen, betont, wie wichtig es für das Projekt ist, einen möglichst kleinen ökologischen Fussabdruck zu hinterlassen.
Modernste Filtersysteme erfassen und entfernen unerwünschte Partikel bzw. biologische Substanzen. Die biologischen Rückstände werden von der Nachbarfirma Andøytorv AS im Torfmoos als Gartenergänzung weiterverarbeitet. Ein Bericht des norwegischen Instituts für Bioökonomie (NIBIO) kam diesbezüglich zu folgendem Ergebnis: Getrockneter Fischschlamm aus den Fischfarmen von Andfjord Salmon kann zu «Anbaumedien wie organischem Dünger oder organisch-mineralischem Dünger für Landwirtschaft und Gartenbau» weiterverarbeitet werden. Oder wie es Martin Rasmussen, ausdrückt: « Wir können mit Fischscheisse Geld verdienen».
Anlässlich der aussergewöhnlichen Hauptversammlung am 19. März hat Gründer Roy Bernt Pettersen seinen Vorsitz abgegeben. Das Projekt ist aktuell in einer Transition Periode von der Entwicklungs- hin zur Produktionsphase und so hat er in gegenseitiger Übereinstimmung mit dem Vorstand, entschieden, dass eine neue Führungskraft mit mehr Erfahrung im Bereich Lachszucht übernehmen soll». Neu wurde einstimmig Roger Brynjulf Mosand zum Vorsitzenden gewählt. Brynjulf Mosand ist kein Unbekannter in der Branche. Er war seit 2001 erfolgreich CEO von Nordlaks Produkter AS.
Anfang des Jahres wurde das erste Becken erfolgreich an die Meer-Wasserversorgung angeschlossen. Die Aufzuchtbecken liegen unter dem Meeresspiegel und mussten aus diesem Grund in den Felsen gesprengt werden. Die Pools sind so gestaltet, dass die Fische genug Platz haben und eine natürliche Strömung simuliert wird. Abhängig von der Jahreszeit wird das Wasser aus Tiefen zwischen 30 und 160 Meter geholt. So wird garantiert, dass immer gleichbleibend temperiertes, frisches und sauerstoffreiches Meerwasser verwendet wird. Einer der wichtigsten Unterschiede zu herkömmlichen, landbasierten Anlagen besteht darin, dass das Wasser nicht recycliert wird, sondern eine kontinuierliche Erneuerung des frischen Meerwassers stattfindet (Flow-Through-Technologie). Die Westküste von Andoya ist als Standort prädestiniert, da man hier ganzjährig über frisches Golfstrom-Meerwasser verfügen kann.
Insgesamt drei Becken mit je 29’400m3 Volumen wird Andfjord Salmon an der Ostküste im Norden von Andøya bauen. Noch in diesem Sommer wird der Smolt – so werden die jungen Lachse genannt, die aus dem Süsswasser in den Atlantik abwandern – in das erste der drei Becken eingesetzt, um so die prinzipielle Durchführbarkeit des Projektes zu zeigen (proof of concept).
Langfristiges Ziel ist es, ein jährliches Produktionsvolumen von 90.000 Tonnen Fisch zu erreichen. Andfjord Salmon wird dann eines der größten Unternehmen im Bereich Aquakultur Norwegens sein.
«Davon habe ich sehr, sehr lange geträumt. Ich habe diesen Traum ein halbes Leben lang gehabt» wird Roy Bernt Pettersen auf der Homepage zitiert.