US-russisches Gipfeltreffen am Arktisrat-Meeting? | Polarjournal
Die beiden Aussenminister, Anthony Blinken (links) und Sergej Lavrov (rechts) haben gemäss Medienberichten ihre Teilnahmen am diesjährigen Arktisrats-Treffen in Reykjavik bestätigt. Da beide aufgrund der Bestimmungen in Island in Quarantäne müssen, wäre sogar ein Treffen unter vier Augen möglich. Bild: links US-State Departement, rechts Kremlin

Seit mehreren Jahren herrschen nicht nur in der Natur eisige Temperaturen. Auch politisch hat sich die Situation im hohen Norden wieder mehr in Richtung Gefrierpunkt bewegt. Sanktionen aufgrund des Ukraine-Konflikts, angebliche Einmischungen in Wahlen, der massive wirtschaftliche und militärische Ausbau Russlands entlang seiner arktischen Küstenlinie und nicht zuletzt die Gebietsforderungen des Landes über den Nordpol hinaus, haben zu Befürchtungen geführt, dass die USA und Russland sich wieder in einen neuen „Kalten Krieg“ bewegen. Seit dem Amtsantritt der neuen US-Regierung gab es auch noch kein Gipfeltreffen zwischen den Ländern. Dies könnte sich am diesjährigen Treffen des Arktisrates nun ändern.

Das US-Amerikanische Aussendepartement hat gestern bestätigt, dass US-Aussenminister Anthony Blinken am Ministerialtreffen des Arktisrates teilnehmen wird. Russlands Aussenminister Sergej Lawrov hatte bereits früher seine Teilnahme bestätigt, weil Russland in diesem Jahr den Vorsitz des Arktisrates von Island übernehmen wird. Das bedeutet, dass die beiden Vertreter der mächtigsten Staaten der Welt am Rande des Arktisratstreffens zusammenkommen könnten.

Bei den Diomeden-Inseln, rechts Ratmanowa oder Big Diomede, links Little Diomede, kommen die mächtigsten Staaten der Welt, USA und Russland, sich geographisch am nächsten. Gerade mal 3.5 Kilometer trennen die beiden Inseln. Doch politisch ist der Graben gefühlt viel breiter. Ob sich dies mit einem Treffen in Reykjavik ändern könnte, ist mehr als fraglich. Bild: Michael Wenger

Das diesjährige Treffen der Arktisrat-Staaten wird auch unter dem Eindruck der COVID-Pandemie stehen. Das bedeutet, dass sich aufgrund der Corona-Situation beide Aussenminister nach ihrer Einreise nach Island in Quarantäne begeben werden. Ausserdem wurden die teilnehmenden Staaten und Organisationen gebeten, nur mit den Ministern und den Leitern der permanenten Organisationsmitgliedern anzureisen. Da sie sich beide wohl an demselben Ort in ihre „Arbeitsquarantäne“ begeben, bestehe die Möglichkeit eines Treffens vor dem eigentlichen Ministerialmeeting, schreibt die Zeitung Icelandreview. Eine Bestätigung der offiziellen Stellen aber steht noch aus, ob es tatsächlich zu einem solchen Treffen kommen wird. Es wäre das erste mal für die beiden Aussenminister, dass sie sich treffen würden. Während Sergej Lawrov seit mittlerweile 2004 als russischer Aussenminister tätig ist, wurde Anthony Blinken erst in diesem Jahr unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden in sein Amt geführt.

Doch in den vergangenen 3 Monaten hatten Aussenminister Blinken und Präsident Biden mehrfach eine härtere und konsequentere Gangart gegenüber Russland gezeigt und die Regierung in Moskau stark kritisiert. Ausserdem wurde auch militärisch in der Arktis von Seiten der USA wieder mehr unternommen, vor allem in Zusammenarbeit mit den NATO-Partnern. Dazu zählen die Entsendung von strategischen Langstreckenbombern nach Norwegen, ein Besuch eines US-Atom-U-Bootes in Tromsö und der geplante Ausbau des Flugplatzes Evenes und der nahegelegenen Marinestation Ramsund in Nordnorwegen. Doch auch Russland hat sich nicht zurückgehalten und Verteidigungsminister Shoigu gab in einer Rede anlässlich eines Besuches bei der Nordmeerflotte den USA und der NATO die Schuld an der gegenwärtige Situation.

Diem Kongress- und Konzertgebäude HARPA direkt am Hafen von Reykjavik treffen sich traditionell die Arktisratstaaten und diskutieren die Probleme und Belange der Arktis. In diesem Jahr soll eine Mischung von virtuellen und realen Meetings stattfinden. Eine 5-tägige Quarantäne vor dem Meeting, das am 19. und 20. Mai stattfinden wird, seien Pflicht, schreiben isländische Medien. Bild: Ivan Sabljak, CC-BY-SA-3.0

Trotz der markigen Worten und Aktionen beider Seiten haben sich Präsident Biden und Präsident Putin bei einem Telefongespräch Mitte April auf einen strategischen Stabilitätsdialog zwischen den beiden Ländern geeinigt. Ausserdem wollen beide Länder im Rahmen des Arktisrates auch im Bereich der Klimakrise zusammenarbeiten und die Anstrengungen zum Schutz der arktischen Bevölkerung und der arktischen Natur verstärken. Es ist auch nicht zu erwarten, dass es am Arktisratstreffen zu einem ähnlichen Eklat kommen wird, wie 2019, als der damalige Aussenminister Mike Pompeo die Absichtserklärung des Rates zum Thema Klimawandel torpedierte und seine Unterschrift verweigert hatte. Für die jetzige US-Regierung hat die Lösung der Klimafrage einen viel höheren Stellenwert als für die Trump-Administration.

Russland hatte bereits erklärt, dass sie als Vorsitzende des Arktisrates die Kooperation mit allen Interessenvertreter in der Arktis suchen, um die Probleme, die durch den Klimawandel anstehen, zu bewältigen. Ein erster Schritt wäre da durchaus das Treffen in Reykjavik zwischen den beiden Parteien, um zu zeigen, dass nicht nur Worte, sondern echte Absichten dahinterstehen. Denn die Arktis und ihre Bewohner brauchen keine militärischen Muskelspiele, sondern echte Lösungen für die sehr realen Probleme des Klimawandels und seiner sozialen, wirtschaftlichen und umweltrelevanten Auswirkungen. Dazu würde sich die Plattform des Arktisrates perfekt eignen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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