Satellit entdeckt Gletscherspalten auch unter Schnee | Polarjournal
Aus der Höhe betrachtet sehen die Oberflächen von Gletschern und Eisschelfs wie aus einem Guss aus. Doch der Schein trügt: Unter dem unschuldigen Weiss lauern tiefe Spalten und Risse, die jährlich Opfer fordern bei den Begehungen. Eine Frühwarnmethode wäre ein hilfreiches Werkzeug. Bild: Michael Wenger

Wer in den Bergen oder in den Polarregionen zu Fuss unterwegs ist, ist sich einer Gefahr ganz besonders bewusst: Gletscherspalten. Sind die Risse im Eis zu sehen, ist alles in Ordnung. Doch häufig haben sich über den Spalten Schneebrücken gebildet, die eine trügerische Sicherheit vorgaukeln. Ein internationales Forscherteam hat nun eine Methode entwickelt, solche Gletscherspalten mithilfe von Satellitenaufnahmen auch unter dem Schnee sichtbar zu machen.

Das Team nutzte Satellitenaufnahmen der TerraSAR-X Mission, die vom deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betrieben wird, um Möglichkeiten zu entwickeln, wie Spalten und Risse im Eis entdeckt werden können, auch wenn meterdicker Schnee darüberliegt. Dazu untersuchten sie die Aufnahmen aus der McMurdo Scherzone und auch das mittlerweile bekannte Brunt Eisschelf, wo erst vor kurzem der riesige Eisberg A74 abgebrochen war und bestätigten ihre Beobachtung durch einen Vergleich mit Begehungsinformationen von Bodenradaraufnahmen.

«Dies ist ein Instrument, mit dem sich das Management und die Reduzierung des Gletscherspaltenrisikos bei Feldoperationen in der Antarktis ändern lassen.»

Marsh et al. (2021) Cold Reg Scie Tec 187

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass man mittels Mikrowellenradaraufnahmen, Polarisierung und entsprechender Winkeleinstellung sogar schmalere Risse und Spalten unter einer Schneedecke von bis zu 10 Metern Dicke sichtbar machen kann. «Dies ist ein Instrument, mit dem sich das Management und die Reduzierung des Gletscherspaltenrisikos bei Feldoperationen in der Antarktis ändern lassen», schreiben die Autoren der Arbeit als Fazit. «Es bietet auch eine wissenschaftliche Methode zur Kartierung von Gletscherspaltenregionen, um Informationen über Bruch- und Eiseigenschaften abzuleiten.»

Risse können auf den wind-geglätteten Oberflächen von Eischelfs (hier: Kante des Rosseissschelf) auftreten und von Schneeverwehungen zugedeckt sein. Doch auf den Radaraufnahmen von Satelliten bleiben auch diese nicht verborgen. Bild: Michael Wenger

Doch das Team warnt in seiner Arbeit vor zu grosser Euphorie. Denn die Qualität der Aussage, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, hängt zum einen sehr stark von dem Bildparametern der Satellitenaufnahmen ab. Aufnahmewinkel, Blickrichtung des Sensors, Polarisierungsfilter und andere technische Faktoren müssen entsprechen eingestellt und gegeben sein, um die Spalten auf den Bildern zu entdecken. Auch die Schneeart und dessen Qualität beeinflussen die Aussagekraft der Bildaufnahmen. Aber immerhin: Beim Vergleich der Aussagen mit den Bodenbeobachtungen konnte das Team zeigen, dass Spalten weder falsch vorhergesagt noch ausgelassen worden sind. «Obwohl dies ein positives Ergebnis ist, wären zusätzliche Bodenbeobachtungen aus anderen Bereichen erforderlich, bevor diese Technik für Sicherheitsanwendungen für sich allein herangezogen werden könnte», schreibt das Team in ihrer Arbeit, die in der Fachzeitschrift Cold Regions Science and Technology veröffentlich worden ist.

Der deutsche Erdbeobachtungssatellit TerraSAR-X des DLR ist mit einem Radarsensor ausgestattet, der unterschiedliche Streifenbreiten, Auflösungen und polarisierte Aufnahmen ermöglicht. Seit 2007 umrundet der Satellit in 514 Kilometer Höhe die Erde. Bild: DLR

Die Aufnahmen stammen vom Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Dieser Satellit, der seit 2007 in 514 Kilometern Höhe über die Polarregionen kreist, ist mit einem besonderen Radarsensor ausgestattet. Dieser Sensor erlaubt eine breite Palette an verschiedenen Aufnahmemöglichkeiten im Mikrowellenbereich. Ausserdem kann der Sensor selbst die Aufnahmen in verschiedenen Winkeln im Vergleich zur Oberfläche aufnehmen, ohne dass der Satellit seine Umlaufbahn verändern muss. Die von den untersuchten Regionen der Forscherinnen und Forscher umfassten die Zone zwischen dem McMurdo- und Rosseischelf, die sogenannte McMurdo-Scherzone, wo zahlreiche Spalten und Risse auch die Route in Richtung Südpol immer wieder behindern. Die zweite Region war der Riss Chasm-1 des Brunt Eisschelfs und die dazu querverlaufenden McDonald Ice Rumples. Diese Region ist besonders interessant, da dieser Riss als der nächste Eisbergabbruch an diesem Eisschelf gilt.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: O.J. Marsh, D. Price, Z.R. Courville, D. Floricioiu (2021) Cold Regions Science and Technology, Vol. 187; Crevasse and rift detection in Antarctica from TerraSAR-X satellite imagery, 103284, ISSN 0165-232X, https://doi.org/10.1016/j.coldregions.2021.103284

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