Eisbrecher löst Rätsel um Meereisverlust nach Zyklon | Polarjournal
Der südkoreanische Forschungseisbrecher Araon geriet 2016 mitten in einen arktischen Zyklon und bekam unfreiwillig die Gelegenheit aufzuklären, weshalb die starken Stürme das arktische Meereis so schnell schrumpfen lassen. Foto: Joo-Hong Kim, Korea Polar Research Institute

Wirbelstürme gibt es nicht nur in den tropischen und subtropischen Breiten. Wissenschaftler beobachten sie auch in der Arktis, wo sie in den letzten 50 Jahren an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Einhergehend mit diesen starken Stürmen ist immer ein außergewöhnlich großer Meereisverlust. Die Gründe dafür waren bisher jedoch nicht völlig geklärt. Wissenschaftler an Bord des südkoreanischen Forschungseisbrechers Araon wurden im August 2016 unfreiwillig Zeugen eines massiven Sturms vergleichbar mit einem Hurricane der Kategorie 2 und nutzten die Gelegenheit, um wichtige Daten zu sammeln.

Der zehntägige Sturm hat die Forscher und die Besatzung sicherlich einige Nerven gekostet, doch für die Wissenschaft war es ein Glücksfall, dass die Araon im arktischen Meereis eingeschlossen wurde. Zum ersten Mal überhaupt konnte ein Forschungsteam «in situ»-Beobachtungen aus dem Inneren des Wirbelsturms machen. Anhand ihrer Messungen von Luft- und Ozeantemperatur, Strahlung, Wind und Meeresströmungen konnten die Forscher von der University of Alaska Fairbanks und ihre internationalen Kollegen in einer vor kurzem veröffentlichten Studie widerlegen, dass das Meereis allein von oben durch atmosphärische Prozesse schmilzt.

Die Studie zeigte, dass das Meereis während des Sturms 5,7-mal schneller zurückging als normalerweise und, dass der schnelle, sturmbedingte Meereisverlust vor allem durch zwei physikalische Prozesse im Ozean angetrieben wurde:
Das Oberflächenwasser wird durch die stark drehenden Winde vom Wirbelsturm weg transportiert. Dadurch kommt es zum Auftrieb von wärmerem Wasser aus der Tiefe, das so an die Oberfläche gelangt. Dennoch verbleibt eine kleine Schicht kalten Wassers direkt unter dem Meereis. Gleichzeitig vermischen die starken Winde das Oberflächenwasser wie ein Mixer.

Die Zugbahn (pinkfarbene Linie) des arktischen Wirbelsturms (blaue Fläche) zeigt, wie der Sturm vom 13. bis 19. August 2016 am Forschungsschiff Araon (Stern) vorbeizog. Die blaue Linie zeigt die Grenze des Untersuchungsgebiets. Grafik: Liran & Xiangdong et al. 2021, Geophysical Research Letters

Dieses Zusammenspiel von Auftrieb wärmeren Wassers und der Oberflächendurchmischung führt dazu, dass sich die gesamte obere Ozeanschicht erwärmt und somit das Meereis von unten schmelzen lässt.

Laut Xiangdong Zhang, Wissenschaftler am International Arctic Research Center der University of Alaska Fairbanks und Hauptautor der Studie, gibt es auch nachhaltige Folgen über das Sturmereignis hinaus: «Es ist nicht nur der Sturm selbst. Er hat anhaltende Auswirkungen wegen der verstärkten Eis-Albedo-Rückkopplung.»

Solch starke Stürme lassen große offene Wasserflächen entstehen, die wegen ihrer dunklen Oberfläche mehr Wärme absorbieren, wodurch mehr Meereis schmilzt und noch mehr offenes Wasser entsteht. Vom 13. bis 22. August 2016 verringerte sich die Meereisfläche im gesamten Arktischen Ozean um 595.700 Quadratkilometer, eine Fläche gut eineinhalb mal so groß wie Deutschland und die drittniedrigste Meereisausdehnung, die jemals in der Arktis aufgezeichnet wurde. 

Ein neues Computermodell, an dem Xiangdong Zhang für das US-amerikanische Energieministerium arbeitet, soll bei der Bewertung helfen, ob es durch den Klimawandel vermehrt zu arktischen Wirbelstürmen kommen wird. Der größte arktische Wirbelsturm, aufgezeichnet im Jahr 2012, führte zu einem Rekordtief der Meereisausdehnung.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Liran Peng, Xiangdong Zhang et al. Role of Intense Arctic Storm in Accelerating Summer Sea Ice Melt: An In Situ Observational Study. Geophysical Research Letters 48, 8 (2021). https://doi.org/10.1029/2021GL092714

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