Neben Japan und Island gehört auch Norwegen zu den Nationen, die sich nicht an das 1986 in Kraft getretene internationale Walfangverbot halten. Ziel der norwegischen Walfänger sind die Zwergwale, deren Bestand im Nordatlantik auf ~ 100’000 Tiere geschätzt wird. Rund 14’000 Zwergwale sind in den letzten 25 Jahren in den norwegischen Gewässern erlegt worden. Doch die internationalen Proteste hatten sich in der Vergangenheit auf Japan fokussiert. Nun scheint es aber, dass die norwegische Regierung eine rote Linie überschritten hat. Denn die verantwortliche Behörde für Lebensmittelsicherheit (Mattilsynet) hat die Genehmigung erteilt, Experimente an wild lebenden Zwergwalen durchzuführen.
Da Wale für ihre Kommunikation auf Schall angewiesen sind, ist es wichtig, ihre Hörfähigkeit zu verstehen, um so die Auswirkungen von vom Menschen erzeugtem Schall besser beurteilen zu können.
Norwegische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Projektbeschrieb
Im Rahmen dieser Versuche sollen Zwergwale vor der Lofoteninsel Vestvågøy gefangen werden, um zu untersuchen, wie ihre Gehirne auf Unterwasserlärm reagieren. Der bewilligte Genehmigungszeitraum dauert vom 01.01.2021 bis Ende 2022. Mattilsynet schreiben dazu auf ihrer Webseite (Auszug): «Von Menschen verursachter Lärm ist für Wale im allgemeinen bzw. Bartenwale im speziellen ein Problem. Da Wale für ihre Kommunikation auf Schall angewiesen sind, ist es wichtig, ihre Hörfähigkeit zu verstehen, um so die Auswirkungen von vom Menschen erzeugtem Schall besser beurteilen zu können. Die bisherigen Forschungen auf diesem Gebiet birgt aber große Unsicherheiten. Um die Auswirkungen von durch Menschen verursachten Geräuschen auf Wale besser zu verstehen, müssen direkte Messungen des Hörvermögens durchgeführt werden. Die geplanten Experimente sehen vor, dass die elektrischen Signale gemessen werden, die vom Gehirn erzeugt werden, sobald ein Tier ein Geräusch hör. Dazu werden wilde Zwergwale gefangen, 3-4 Tage in einem Gehege gehalten und nach Abschluss des «Hörtests» wieder freigelassen. Insgesamt 12 Tiere sollen für den sog. AEP-Hörtest (akustisch evoziertes Potential) verwendet und mit Satelliten-Tags ausgestattet werden.»
Gemäss der Behörde für Lebensmittelsicherheit soll dieses experimentelle Verfahren eine für die Wale «mäßige» Belastung von maximal sechs Stunden haben. Was immer mässig in diesem Zusammenhang heissen mag.
Konkret muss man sich vorstellen, dass versucht wird, wandernde junge Zwergwale mit einem kilometerlangen Netz in ein Gehege zu treiben, um sie dann in kleinen Käfigen festzuhalten. Dort möchten die Forscher die Gehirnströme der gefangenen Wale zu messen, um festzustellen, wie sie auf Geräuschquellen, die von Aktivitäten aus der Öl- und Gasförderung kommen, reagieren. Die Behörde gesteht ein, dass «Dies ist ein sehr neues Forschungsprojekt sei…. Audiogramme wurden noch nie zuvor bei Bartenwalen aufgenommen und, noch hat jemand zuvor erfolgreich einen Bartenwal gefangen.»
Selbstreden wenig begeistert von diesen Versuchsreihen sind norwegische und internationale Tierschutzorganisationen. WDC, die Whale & Dolphin Conservation, Animal Welfare Institute und die norwegische Organisation NOAH bitten ihre Mitglieder, Norwegen dazu aufzufordern, die geplanten Versuche nicht durchzuführen. Dr. Siri Martinsen, Tierärztin bei NOAH weist darauf hin, dass «die Umstände des Experiments einen enormen Stress für die Tiere bedeuten und sogar ihre Gesundheit beeinträchtigen können.» Der Vorschlag, die Wale durch Sedierung zu beruhigen oder in «Notfällen» zu betäuben, stösst auf wenig Verständnis. Vanesa Tossenberger, Policy Director bei WDC, warnt: «Es ist wenig über die Sedierung oder Betäubung von wildlebenden Walen bekannt. Die wenigen verfügbaren Daten deuten aber darauf hin, dass die Sedierung von Bartenwalen in freier Wildbahn lebensbedrohlich sein könnte.»
«Das ist Tierquälerei, bei der keine verwertbaren Daten herauskommen werden. Ich verstehe nicht, warum das finanziert und erlaubt wird.»
Heike Vester, Vorstandsmitglied Ocean Sounds
Dazu kommt, das Experiment auch für auf andere Tiere Auswirkungen hat, da sie sich in den Netzen, die zur Absperrung des Forschungsgebietes dienen, verheddern. Auch Heike Vester, Vorstand von Ocean Sounds (Marine Mammal Science & Conservation) hat eine klare Meinung dazu: «Das ist Tierquälerei, bei der keine verwertbaren Daten herauskommen werden. Ich verstehe nicht, warum das finanziert und erlaubt wird.» Unabhängig davon soll die Experimente aber noch diesen Monat gestartet werden.