In der eiszeitlichen Mammutsteppe, die vor 2,6 Millionen bis 12.000 Jahren das Landschaftsbild des heutigen Nordkanada, Nordeuropa, Alaska und Sibirien prägte, war die Artenvielfalt wesentlich höher als in der heutigen Arktis. Große Säugetiere wie Mammuts, Bisons, Wildpferde und auch Bären, Faultiere und Höhlenlöwen durchstreiften die Steppen und Graslandschaften. Zudem lebten in der damaligen Arktis viel größere Populationen mit insgesamt sechs- bis zehnmal so vielen Tieren wie heute. Sie alle fanden offenbar ausreichend Nahrung, um nebeneinander existieren zu können. Forscher der University of Cincinnati wollten genauer wissen, wie sich prähistorische Pferde und Bisons ernährten und untersuchten die Zähne von fossilen Exemplaren in einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology veröffentlicht wurde.
Pferde und Steppenbisons gehörten vor 40.000 bis 12.000 Jahren zu den häufigsten Großsäugern, die im heutigen Alaska lebten. Die Klimaveränderungen, die menschliche Jagd oder eine Kombination aus beidem führten zu ihrem Aussterben. Abigail Kelly, Doktorandin an der University of Cincinnati und Hauptautorin der Studie, fertigte Zahnabdrücke fossiler Exemplare der beiden Arten an, die ihr das Museum der University of Alaska zur Verfügung stellte und analysierte die Abnutzungsspuren auf den Zähnen, um Hinweise über die Ernährung der Tiere zu erhalten.
«Im Pleistozän war die Vielfalt der Tierwelt so viel größer als heute. Es sah völlig anders aus. Eine Schlüsselfrage ist, warum die Arktis im Vergleich zu heute so artenarm ist.»
Joshua Miller, Assistenzprofessor an der University of Cincinnati
Je nachdem, welche Art von Nahrung die Tiere bevorzugen, zeigen sich auf ihren Zähnen unterschiedliche Abnutzungserscheinungen. So nutzen sich die Zähne von Grasfressern besonders stark ab, da Gräser Kieselsäure enthalten, die den Zahnschmelz abschleift und die Zähne stumpf werden lässt. Unter dem Mikroskop sind parallele Kratzer, zu erkennen, verursacht durch Kieselsäure-Kristalle. Hingegen haben Tiere, die eher Blätter von Bäumen, Kräutern und Sträuchern fressen, weniger mikroskopische Kratzer und schärfere Zähne.
Ein Vergleich der fossilen Zähne mit denen von heute lebenden Präriebisons und Pferden ergab, dass sich die eiszeitlichen Tiere offenbar von weniger abrasiven Pflanzen ernährten als die modernen, deren Zähne stärkere Abnutzungserscheinungen aufwiesen. Dies deutet auf eine abwechslungsreiche Ernährung mit breitblättrigen, krautigen Pflanzen bei prähistorischen Bisons und Pferden hin, was wiederum vermuten lässt, dass die Vegetation damals artenreicher war als heute.
Bisons und Pferde nutzten die Ressourcen der Landschaft wahrscheinlich auf unterschiedliche Weise, was Biologen als «Nischenaufteilung» bezeichnen.
«Es scheint, dass die Ernährung von Bisons und Pferden nicht so unterschiedlich war. Sie haben ähnlich strukturierte Nahrung gefressen», so Miller. «Aber ihre Physiologie ist ganz anders. Bisons sind Vormagenfermenter, die Nahrung anders verdauen als Dickdarmfermenter wie Pferde. Es besteht also die Möglichkeit, dass die Arten unterschiedliche Mengen an Nährstoffen aus der gleichen Nahrung erhalten.»
Die Ergebnisse der Studie haben laut Tom Seaton, Biologe am Alaska Department of Fish and Game und Co-Autor, eine entscheidende Bedeutung für die Wiederansiedlung von Waldbisons, Nachfahren der ausgestorbenen Steppenbisons, in Alaska. Die Analyse eröffne wichtige Perspektiven, wie verschiedene Populationen von Pflanzenfressern vor Tausenden von Jahren in der Landschaft Alaskas koexistierten. So könnten Biologen die Bedürfnisse der Waldbisons besser verstehen und ihre Wiederansiedlung entsprechend vorantreiben.
In der Studie wird jedoch nicht deutlich, dass generell der Verlust von Großsäugern als Ursache für die Abnahme der Pflanzenvielfalt verantwortlich gemacht wird, wie eine Studie aus dem Jahr 2018 feststellte (Koerner et al. 2018, Nature Ecology and Evolution). Daher liegt es nahe, dass die moderne Artenarmut in der Arktis ebenfalls mit dem Verschwinden von großen Weidetieren in Zusammenhang steht.
Dies belegen jedenfalls die Erfolge des Projekts «Pleistozän Park», in dessen Rahmen seit 1996 große Weidetiere wie Wisente, Pferde, Rinder und Bisons in einem 144 Quadratkilometer großen Gebiet in der Republik Sacha im Fernen Osten Russlands (wieder) angesiedelt werden, um den Permafrostboden zu erhalten. Aktuell sind Ziegen und Kamele auf dem Weg in den Park, um die bereits vorhandenen Arten bei ihrer Aufgabe zu unterstützen. Ziel des Projekts ist es, die gesamte Fläche bis 2029 in eine «hochproduktive Steppentundra» umzuwandeln und 3.000 Tiere anzusiedeln.
Wenn es in Russland und Nordamerika gelingen würde, eine Vielfalt großer Weidetiere dauerhaft wieder anzusiedeln, wäre dies ein großer Beitrag zum Klimaschutz. Durch ihre Anwesenheit tragen sie dazu bei, dass der Permafrostboden verdichtet wird und im Winter tiefer gefriert, wodurch auch die Freisetzung von klimawirksamem Methan erheblich gebremst wird.
Julia Hager, PolarJournal
Link zur Webseite des Pleistozän-Parks: https://pleistocenepark.de