Augen auf Reykjavik – Treffen der Minister im Arktisrat | Polarjournal
Im weltbekannten HARPA-Gebäude am Hafen von Reykjavik werden sich die Minister der Arktisratsstaaten treffen und die von den Arbeitsgruppen im Vorfeld erarbeiteten Empfehlungen diskutieren und ggf. beschliessen. Bild: Icelandic Ministry for Foreign Affairs/Sigurjón Ragnar

Die Herausforderungen, denen sich die Arktis und ihre Bewohner stellen müssen, sind enorm. Denn der Klimawandel beeinflusst nicht nur die ökologischen Aspekte, sondern auch soziale, wirtschaftliche und auch sicherheitspolitische Bereiche. Im Vorfeld liessen einige der hochrangigen Diplomaten verlauten, dass man diese Probleme nun angehen will, vor allem die Auswirkungen des Klimawandels. Entsprechend sind die Erwartungen der verschiedenen Interessenvertreter am diesjährigen Ministertreffen in Reykjavik hoch.

Vor allem Umweltorganisationen und Ureinwohnerverbände hoffen darauf, dass die Minister am diesjährigen Treffen verbindliche Zusagen zum Schutz der Arktis und seiner Bewohner treffen werden. Die Chancen dazu stehen sicherlich besser als noch vor zwei Jahren aus der damalige US-Aussenminister Mike Pompeo eine Abschlusserklärung des Rates torpediert und seine Unterschrift verweigert hatte. Doch die Forderungen der NGOs sind ziemlich hoch. Als prominentestes Beispiel steht die Forderung der Clean Arctic Alliance, einer Koalition von 22 gemeinnützigen Organisationen, die ein komplettes Schwerölverbot in der gesamten Arktis vorsieht. «Das Arktisrats-Ministertreffen bietet eine einzigartige Gelegenheit für die Aussenminister, eine globale Führungsrolle zu übernehmen, indem sie eine sofortige Reduktion der Black Carbon-Emissionen durch die Schifffahrt und eins Arktis-weites Verbot von Schweröl beschliessen», erklärt Dr. Sian Prior, leitende Beraterin der Allianz.

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Schifffahrt durch die Arktis einen wesentlichen Beitrag am Black Carbon-Ausstoss leistet. Diese Emissionen können durch den Verzicht von Schweröl stark reduziert werden. Doch dazu müsste ein strengeres Verbot als von der IMO vorgeschlagen, durchgesetzt werden. Das erhofft man sich vom Arktisrat. Bild: Sebastian Moser

Die Koalition erhofft sich nicht nur eine verbindliche Zusage, die ein starkes Signal an die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO senden würde und so deren «schwachen» Vorschlag eines Verbots neu diskutiert werden müsste. «Die Clean Arctic Alliance ruft auch die arktischen Aussenminister, die am Treffen teilnehmen, Zusagen zu Massnahmen der Reduktion von Black Carbon-Emissionen durch die Schifffahrt in ihren eigenen arktischen Gewässern zu machen, zusammen mit nationalen Verboten von Nutzung und Transport von Schweröl in arktischen Gewässern», erklärt Dr. Prior weiter. Erste Schritte seien ja von Norwegen bereits dazu unternommen worden, indem Schweröl im gesamten Bereich um Svalbard verboten werde. Mit den Zusagen der anderen Arktisnationen sei man viel schneller und effektiver als die IMO, meint Prior. Ein Verbot und eine Umstellung auf umweltfreundlichere Treibstoffe würden den Ausstoss um rund 30 Prozent reduzieren, eine substantielle Menge also.

Besonderes Augenmerk wird auf das erste Aufeinandertreffen der Aussenminister Russlands und den USA gesetzt. Denn beide Länder haben in der vergangenen Zeit mit markiger Rhetorik und Nadelstichen an den arktischen Grenzen aufgewartet. Doch offensichtlich kann man trotzdem miteiniander lachen. Bild: Icelandic Ministry for Foreign Affairs/Sigurjón Ragnar

Doch nicht nur Umwelt- und Klimafragen sind am diesjährigen Treffen im Zentrum. Auch die Art und Weise, wie die Arktisstaaten miteinander zusammenarbeiten werden, ist in den Blickpunkt geraten. Dies vor allem, weil in den vergangenen Monaten Meldungen über erhöhte militärische Aktivitäten in der Arktis durch die Presse gegangen sind. Im Zentrum dabei sind einmal mehr die USA, gemeinsam mit seinen arktischen NATO-Partnern, und Russland. Beide Seiten haben mit zahlreichen Aktionen und Aussagen Befürchtungen genährt, dass sie in einen «Kalten Krieg 2.0» steuern würden. Da gleichzeitig Russland für die nächsten zwei Jahre den Vorsitz des Arktisrates übernehmen wird, ist man gespannt, wie die Kooperation im Arktisrat aussehen wird. Bei einem Treffen zwischen den beiden Aussenministern Lavrov und Blinken am Rande des Meetings zeigte sich, dass beide Seiten an einer sachlichen Diskussion und einer Zusammenarbeit zur Bewältigung der Probleme in der Arktis bereit sind. Russland hatte auch schon vor einiger Zeit die Ziele seines Vorsitzes genannt: Nachhaltige Entwicklung und Kooperation, vor allem auch mit den Beobachterstaaten. Darauf hofft auch die Schweiz, wie das Departement des Äusseren EDA gegenüber PolarJournal bestätigt. Vor allem im wissenschaftlichen Bereich gibt es viele Berührungspunkte zwischen den beiden Ländern und man blicke auf eine gut etablierte Zusammenarbeit, erklärt das EDA. Diese wolle man weiter intensivieren währender des Vorsitzes von Russland.

Die Schweiz (hier repräsentiert durch Botschafter Stefan Estermann) war 2017 die letzte Nation, die vom Arktisrat in den Kreis der Beobachterstaaten erhoben wurde. Dieses Jahr wollen Irland, Tschechien, Estland und die Türkei diesen begehrten Status erhalten. Bild: Arctic Circle

Ein weiterer Aspekt am diesjährigen Treffen ist die mögliche Erweiterung der Runde der Beobachterstaaten. Irland, Estland, Tschechien und die Türkei haben ihre formellen Beitrittsgesuche eingereicht und hoffen auf eine Zusage. Die Schweiz, die das letzte Land war, die in den Kreis aufgenommen worden war, hatte im Vorfeld mit einigen der Länder engeren Kontakt, «um Ratschläge für die Kampagne für diesen Status zu erhalten» schreibt das Aussendepartement auf Anfrage von PolarJournal. «Diese Kontakte waren eine gute Gelegenheit, unsere Interessen und Aktivitäten zu präsentieren und sich über verschiedene Arktis-Themen auszutauschen», heisst es weiter. Es sei jedoch nicht überraschend, dass der Beobachterstatus bei immer mehr nicht-arktischen Nationen interessant sei. Denn die rasche Entwicklung der Arktis bringe für alle neue Herausforderungen. Es wird sich nun zeigen, ob der Arktisrat als Gremium diesen Herausforderungen ge- und entschlossen entgegentreten wird und ob der Strategieplan und die Erklärung von Reykjavik ein erster Schritt in die Richtung sind.

UPDATE: Ein erster Schritt ist getätigt worden, denn die acht Ratsmitglieder unterzeichneten am Ende die Erklärung von Reykjavik. In dieser wird unter anderem bekräftigt, dass man auch weiterhin Friede, Stabilität und eine konstruktive Kooperation in der Arktis wünsche. Ausserdem unterstreiche man die Wichtigkeit die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und man rufe ALLE Unterzeichner auf, «die nationalen Beiträge dazu umzusetzen und zu verstärken». Weiter bekräftige man, dass wirtschaftliche Aktivitäten in der Arktis nachhaltig und transparent sein sollten und man betone den Übergang zu Niedrig-Emissionslösungen und Energieeffizienz. Ein weiterer Schritt ist die Umsetzung eines Strategieplans bis 2030, den man in den vergangenen zwei Jahren ausgearbeitet habe. In dem 7-seitigen Dokument will der Arktisrat unter anderem verstärkt auf saubere Energielösungen und -technologien setzen und diese fördern, die globalen Klimaschutzanstrengungen stärker unterstützen und gemeinsam den Ausstoss der Treibhausgase und von Black Carbon reduzieren. Der komplette Plan findet sich am Ende des Artikels.
Die Clean Arctic Alliance hat in einer ersten Stellungnahme erklärt, man habe zwar die Pläne des Arktisrates zur Kenntnis genommen, sei aber „frustriert, dass der Arktisrat es versäumt, mehr zu tun, den Ausstoss von Black Carbon zu reduzieren.“

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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