Antarktischer Vulkan zittert bei weit entfernten Erdbeben | Polarjournal
Mount Erebus ist der südlichste aktive Vulkan der Welt. Der 3’794 Meter hohe Stratovulkan ist meist von einer Dampfwolke umgeben, klar Bilder seiner Spitze sind selten. Im Kegel liegt ein knapp 250 Meter breiter Lavasee. Der Vulkan selbst steht auf der Ross-Insel im Rossmeer, Ostantarktis und ist gegenwärtig aktiv. Bild: Michael Wenger

Auf unserem Planeten hängt alles irgendwie zusammen und Aktionen auf einer Seite können Reaktionen auf einer weitentfernten Seite der Erde auslösen. Beispiels beeinflussen unsere Aktionen auf der Nordhalbkugel die weit entfernte Antarktis und umgekehrt. So zumindest kann man die Ergebnisse einer US-amerikanischen Forschungsgruppe zusammenfassen. Das Team kam zu diesem Resultat bei der Untersuchung von seismischen Aufzeichnungen am südlichsten Vulkan der Welt, Mount Erebus.

Zwei Erdbeben mit einer Stärke zwischen 8.6 und 8.8, die im Februar 2010 Chile und im April 2012 Indonesien heimgesucht hatten, liessen nach Angaben der Forscher auch den tausenden von Kilometern entfernten Vulkan Mount Erebus zittern. Dabei lösten sie sogenannte Eisbeben aus. Dabei handelt es sich um Erschütterungen im Gletscherbereich, der den Vulkan umgibt. Normalerweise würden solche Beben durch die Aktivität des Vulkans ausgelöst. «In einem vergletscherten Vulkan mit aktiven Eruptionen ist die Unterscheidung zwischen Eisbeben, tektonischen Erdbeben und Eruptionsereignissen entscheidend für das Verständnis des Ursprungs lokaler Seismizität», schreibt das Team um Chenyu Li, Geophysikerin und Hauptautorin der Studie. Nach Angaben der Forscherinnen und Forscher zeigt sich, dass ähnliche Eisbeben bisher nur in der Höhe des Vulkans beobachtet worden waren. Die Tatsache, dass nun starke Erdbeben, die zwischen 6’000 und 11’000 Kilometer weit entfernt stattgefunden hatten, solche Eisbeben am Vulkan auslösen können, ist für die Wissenschaft durchaus eine Überraschung.

Der Vulkan Mount Erebus gehört zu den bestuntersuchtesten Vulkanen der Welt. Ein seit 1981 bestehendes Netzwerk von 12 permanenten Messstationen (rote Dreiecke) rund um den Berg registrieren die kleinsten seismischen Veränderungen. Der Vulkan gilt als hochaktiv und in seiner Nähe liegen die beiden Antarktisstationen Scott Base (NZ) und McMurdo Station (USA). Karte: International Federation of Digital Seismographic Networks

Das Forschungsteam analysierte für ihre Studie die seismischen Aktivitäten am Mount Erebus, dem südlichsten aktiven Vulkan der Welt aus den Jahren 2000 – 2017. Dabei entdeckte Chenyu Li Mikrobeben am Vulkan, die nicht mit Ausbruchsaktivitäten des Vulkans in Zusammenhang standen. Eine genauere Untersuchung zeigte, dass diese Mikrobeben einen Tag vor und nach 43 weiter entfernten Beben stattgefunden hatten und sieben davon hatten am Vulkan seismische Aktivität, sprich Eisbeben, ausgelöst. Die auslösenden Wellen wandern nahe der Oberfläche und können dadurch flache Eisbeben im Gletschergürtel des Vulkans auslösen. Nach Angaben des Teams sind solche Ereignisse auch abhängig von der Jahreszeit sind und sie kommen zum Schluss, dass teleseismische Erdbeben eine Aktivität am Vulkan vor allem im Sommer auslösen könnte. Man müsse jedoch noch mehr Daten sammeln, um diese Aussage zu untermauern. Auf jeden Fall zeigt die Studie, die in der Fachzeitschrift Seismological Research Letters erschienen ist, dass der 3’794 Meter hohe Vulkan durchaus sensibel auf Erschütterungen auch in weit entfernten Teilen der Welt reagiert. Ob sie jedoch stark genug sind, um beispielsweise die vulkanische Aktivität zu verstärken, ist nicht bekannt. Für die in der Nähe des Vulkans liegenden Stationen Scott Base und McMurdo Station sind die Erkenntnisse des Teams interessant, um allfällige Aktivitätsmuster des Vulkans unterscheiden zu können. Ein Netzwerk von permanenten Messstationen rund um den sehr aktiven Stratovulkan registriert die kleinsten seismischen Bewegungen.

Die von den Forschern genannten Erdbeben 2010 und 2012 gehörten zu den schwersten Beben seit 2010. Vor allem das Beben in Chile führte zu massiven Zerstörungen und zu einem Tsunami, der die Küstengebiete Chile zusätzlich traf. Mehr als 500 Menschen starben. Bild: Claudio Nuñez via Flickr

Die von Forschern erwähnten Beben hatten im Februar 2010 Chile und im April 2012 Indonesien erschüttert. Während das Beben in Indonesien in Sachen Zerstörung, Tsunami und vor allem Verlust von Menschenleben nicht so schwer wog, sah es in Chile anders aus. Dieses Beben galt als das sechstschwerste Beben seit Beginn der weltweiten Aufzeichnungen und zusammen mit einem ausgelösten Tsunami verloren über 500 Menschen ihr Leben. Auch im benachbarten Argentinien spürte man die Schockwellen des Bebens. Nun zeigt sich, dass dieses Beben sogar noch fast 6’000 Kilometer weiter südlich seine Auswirkungen hatte. Noch dramatischer scheint dann die Distanz zwischen dem Epizentrum in Indonesien und Mount Erebus: Satte 11’000 Kilometer trennt die beiden Punkte. Die Antarktis selbst ist auch ein seismisch sehr aktive Region. Neben der Region rund um den Vulkan Mount Erebus ist auch die antarktische Halbinsel hoch aktiv und erst vor kurzem hatte ein schweres Erdbeben die Nordspitze der Halbinsel erschüttert.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Chenyu Li, Zhigang Peng, Julien A. Chaput, Jacob I. Walter, Richard C. Aster; Remote Triggering of Icequakes at Mt. Erebus, Antarctica by Large Teleseismic Earthquakes. Seismological Research Letters 2021; doi: https://doi.org/10.1785/0220210027

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