Forschende des Alfred-Wegener-Instituts haben erstmals experimentell die Freisetzung von Eisen aus den Kotballen von Krill und Salpen unter natürlichen Bedingungen gemessen und dessen Verfügbarkeit an einer natürlichen Gemeinschaft von Kleinalgen des Südpolarmeeres getestet. Antarktisches Phytoplankton kann den Mikronährstoff Eisen aus dem Kot von Salpen im Vergleich zu Krill besser aufnehmen. Beobachtungen der letzten 20 Jahre zeigen, dass der Antarktische Krill im Südpolarmeer als Folge des Klimawandels zunehmend von Salpen verdrängt wird. In Zukunft könnten Salpen effektiver als Krill die Fixierung des Treibhausgases Kohlendioxid durch antarktische Mikroalgen ankurbeln. Das berichtet das Forschungsteam jetzt in der Fachzeitschrift Current Biology.
Eisen ist die primär limitierende Ressource für das Wachstum von Phytoplankton in weiten Teilen des Südpolarmeeres. Somit bestimmt die vorhandene Menge an Eisen maßgeblich, wie viel CO2 die Kleinalgen fixieren und wieviel Biomasse dadurch an der Basis des Nahrungsnetzes zur Verfügung steht. Studien belegen deutlich, dass im Zuge des Klimawandels der antarktische Krill, die Schlüsselart des Südpolarmeeres, zukünftig von Salpen verdrängt wird.
Salpen sind Manteltiere, die äußerlich den Quallen ähneln, allerdings als Chordatiere mit den Wirbeltieren verwandt sind. Sie sind tonnenförmig, meist farblos und transparent und die acht Millimeter bis 19 Zentimeter großen Tiere können dank ihrer raschen ungeschlechtlichen Vermehrung sehr lange kettenförmige Kolonien bilden. Die antarktische Art Salpa thompsoni wurde in den 1960er Jahren vor allem zwischen dem 45. (Subtropische Konvergenz) und dem 60. südlichen Breitengrad (nahe der Eiskante) gefunden. Bei Wassertemperaturen unter 3°C treten sie deutlich seltener auf. Mit der Erwärmung des Südlichen Ozeans werden sie jedoch zunehmend auch in höheren Breiten in großer Zahl beobachtet.
«Wir haben untersucht, was ein Regimewechsel von Krill zu Salpen für die Primärproduktion bedeutet», berichtet Dr. Scarlett Trimborn vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Die Leiterin der AWI-Forschungsgruppe EcoTrace führte mit ihrem Team auf einer Expedition mit dem Forschungsschiff Polarstern dazu erstmals Experimente mit natürlichen Phytoplanktonpopulationen im Südozean rund um Elephant Island durch. Als Eisenressource boten die Forschenden den Kleinalgengemeinschaften Kotballen von Krill und Salpen an, denn mit einem Regimewechsel zwischen den Arten würde in Zukunft auch mehr Kot durch Salpen produziert.
«Wir waren überrascht, dass das Kotballenmaterial von Salpen im Vergleich zu Krill pro Mikrogramm Kohlenstoff mehr Eisen freisetzt. Außerdem haben wir herausgefunden, dass das Eisen, welches sich aus den Kotballen der Salpen gelöst hat, besser für Phytoplankton verfügbar war, als das Eisen aus Krill-Kotballen», berichtet Sebastian Böckmann aus der EcoTrace-Gruppe und Erstautor der Studie. Die Phytoplanktongemeinschaften konnten bis zu fünfmal mehr Eisen aus den Salpen-Kotballen aufnehmen als aus den Ausscheidungen des Krills. Grund für die größere Eisenaufnahme könnten Liganden sein, die die Verfügbarkeit des Eisens für die Algen erhöhen. Dies könnte einen deutlichen Anstieg der CO2-Fixierung durch Phytoplankter zur Folge haben.
Das Südpolarmeer ist für die Klimaentwicklung hochrelevant, denn die riesigen Gebiete können potentiell große Mengen CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen oder auch an sie abgeben. In einigen Regionen, beispielsweise rund um die Antarktische Halbinsel, ändert sich durch den Klimawandel die Meereisbedeckung. Ist der Ozean eisfrei, dringt mehr Sonnenlicht als Energiequelle für die Photosynthese in die oberen Wasserschichten ein. Allerdings bestimmt die Verfügbarkeit der Ressource Eisen maßgeblich die CO2-Aufnahme durch Mikroalgen. «Wir wissen zwar, aus welchen Quellen Eisen ins Südpolarmeer eingetragen wird, bisher ist allerdings vollkommen ungeklärt, wie viel von dem Eisen überhaupt von den Mikroalgen aufgenommen werden kann, vor allem was dessen Freisetzung durch das Recycling von Grazern wie Salpen und Krill betrifft. Unsere Studie liefert einen wichtigen Beitrag zur Modellierung der Stoffkreisläufe im Südpolarmeer der Zukunft», resümiert Scarlett Trimborn.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Salpen ihre Nahrung quasi selbst düngen durch die Bereitstellung von leicht verfügbarem Eisen. Man könnte annehmen, das so verursachte stärkere Wachstum der Mikroalgen wäre für Krill, der sich ebenfalls von Phytoplankton ernährt, gleichermaßen von Vorteil. Salpen sind allerdings ausgesprochen effektive Filtrierer und können, wie Forscher bereits in den 1990er Jahren berichteten, in verschiedenen Regionen des Südlichen Ozeans bis zu einhundert Prozent der täglichen Primärproduktion vertilgen. Somit bleiben in diesen Regionen für den Krill im eisfreien Wasser nicht mehr viele Algen übrig.
Durch einen Regimewechsel im Südlichen Ozean von Krill hin zu Salpen mögen zwar mehr Nährstoffe für das Wachstum von Phytoplankton zur Verfügung stehen und somit größere Mengen an CO2 fixiert werden, für viele Pinguin-, Robben-, Wal- und Seevogelarten, die von Krill als wichtigste Nahrungsressource abhängen, wäre eine so grundlegende Veränderung jedoch katastrophal. Selbst wenn diese Tiere so flexibel wären und Salpen auf ihren Speiseplan setzen würden, könnten sie mit einer Salpen-dominierten Ernährung nicht überleben. Denn diese enthalten wesentlich weniger Energie als Krill, der reich an Proteinen und Fetten ist. In einer früheren Studie wurde ermittelt, dass für die Erwärmung solch wässriger Beute wie Salpen auf die Körpertemperatur des Räubers mehr Energie verbraucht wird, als die Salpen liefern. In dieser eisigen Umgebung würde also eine Verdrängung von Krill durch Salpen für gleichwarme Tiere an der Spitze des Nahrungsnetzes dramatische Folgen haben.
Pressemitteilung Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung mit Ergänzungen von Julia Hager, PolarJournal