Hitzewellen, Waldbrände und Zombie-Feuer in der Arktis | Polarjournal
Satellitenbild (Terra/MODIS) von Alaska am 9. Juli 2019. Die roten Punkte markieren Waldbrände, deren Rauch bis über die Beringstraße zieht. Bild: NASA

In den vergangenen Jahren gab es in den arktischen Regionen Russlands, Kanadas und der USA zahlreiche großflächige Waldbrände, denen die Brandbekämpfer kaum etwas entgegen zu setzen hatten. Einige der Feuer brachen nach langen kalten Wintern im Folgejahr wieder aus. Was Feuerwehrleute schon vermuteten, konnten Wissenschaftler der Freien Universität Amsterdam nun belegen: die Feuer schwelen im torfreichen Boden auch unter einer dicken Schneedecke solange weiter bis der Boden im Frühjahr schneefrei und abgetrocknet ist und sie wieder ausbrechen können.

Die natürlichen Auslöser der Brände in den borealen Wäldern sind meist Blitzschläge. Immer häufiger ist allerdings der Mensch der Verursacher, durch Brandstiftung oder Unachtsamkeit. Normalerweise überstehen die Waldbrände die lange Wintersaison der Arktis nicht. Doch die Böden der borealen Wälder bestehen aus einer dicken Schicht aus Torf und verrottenden Fichtennadeln, die viel mehr Kohlenstoff enthalten als die darauf wachsenden Bäume. In dieser Schicht ist gerade genug Sauerstoff enthalten, dass die Feuer auch bei tiefen Minusgraden und unter der Schneedecke weiter schwelen und «wieder auferstehen» können, weshalb sie auch als «Zombi-Feuer» bezeichnet werden. 

«Wir sahen auch eine klare Beziehung zwischen warmen Sommern, die große und intensive Waldbrände erzeugen, und der Anzahl der Brände, die es schaffen zu überwintern.» 

Rebecca Scholten, Doktorandin an der Freien Universität Amsterdam

Rebecca Scholten, Doktorandin an der Freien Universität Amsterdam und Hauptautorin der Studie, und ihre Kollegen wollten den Ursachen für die Überwinterung der Feuer auf den Grund gehen und untersuchten Waldbrandregionen in Alaska und den kanadischen Northwest Territories. In ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, fanden sie heraus, dass extreme Sommertemperaturen die Überwinterung der Feuer begünstigen. Hohe Temperaturen in der borealen Zone führen zu verstärkter Trockenheit, die wiederum eine längere Feuersaison mit sich schnell ausbreitenden, großflächigen Bränden bewirken. Zudem trocknet der Boden bis in größere Tiefen aus, was die Brände tiefer eindringen lässt. 

Satellitenbilder (Landsat) eines Waldbrandes, der im Jahr 2015 ausgelöst wurde. Das Feuer  (a, weiße Umrandung) schien gelöscht, schwelte aber unter der Schneedecke weiter (b) bis die Bedingungen für eine Wiederaufflammen günstig waren (c) und weitere Fläche verbrannte (d, blaue Umrandung). Bilder: Scholten et al. 2021

Unterstützung für die Brandbekämpfer
Mit Hilfe von Daten der lokalen Brandmanager und Satellitenbildern konnten die Wissenschaftler die überwinternden Brände identifizieren. Für Satelliten sind die unterirdischen Feuer zwar unsichtbar, aber sie zeigen den Ort und Zeitpunkt des Wiederaufflammens. Sander Veraverbeke, Professor für Klima- und Ökosystemwandel an der Freien Universität Amsterdam und Co-Autor der Studie, entdeckte ein Muster in den Satellitenbildern. Demnach tauchten die Brände im Frühjahr innerhalb oder an den Rändern alter Brandnarben wieder auf. Die Forscher konnten sogar einen Algorithmus entwickeln, der zuverlässig zwischen überwinternden Bränden und neuen Entzündungen durch Blitzschlag oder menschliche Aktivitäten unterscheiden kann.

Mit diesen neuen Informationen können die Wissenschaftler einen erheblichen Beitrag zur zukünftigen Brandbekämpfung leisten. «Überwinterungsbrände flammen zu einer Zeit auf, in der die Brandmanagementeinheiten noch nicht voll besetzt sind», erklärt Randi Jandt, Feuerökologe am Alaska Fire Science Consortium, der eng mit Brandmanagern in der Region zusammenarbeitet. «Indem wir die Überwachung zu Beginn der Saison auf bewaldete Moorgebiete im Tiefland konzentrieren, insbesondere nach einem Jahr mit großen und intensiven Waldbränden, können die Brandmanagementeinheiten ihre knappen Ressourcen besser nutzen.»

Im Video erklären die Autoren die Entstehung von «Zombi-Feuern» (deutsche Untertitel verfügbar). Video: Freie Universität Amsterdam

Globale Erwärmung als Ursache
Bisher ist der Anteil der Zombie-Feuer meist nur sehr gering. Im Zeitraum zwischen 2002 und 2018 waren die «Zombie-Feuer» für nur knapp ein Prozent der verbrannten Gesamtfläche verantwortlich. Eine Ausnahme bildet das Jahr 2008, in dem in Alaska 38 Prozent der im Jahr verbrannten Fläche auf ein überwintertes Feuer zurückgehen. 

Die globale Erwärmung und die häufiger auftretenden Temperaturextreme zeigen bereits heute ihre Auswirkungen in der Arktis deutlich mit früher einsetzender Schneeschmelze und einem messbaren Anstieg der Feueraktivität und -intensität. 

«Es gibt eine Menge Unbekannte», sagt Veraverbeke. «Wir wissen, dass die Wälder Alaskas in einem wärmeren Klima voraussichtlich zu mehr Laubbaumarten übergehen werden, was die Feueraktivität, aber auch die Speicherung von Kohlenstoff im Boden verringern könnte. Diese Ökosystemveränderungen könnten das Auftreten von überwinternden Bränden in Zukunft verringern.»

In einer anderen Studie, die in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht wurde, untersuchte ein internationales Team von Wissenschaftlern aus Japan, Südkorea und den USA die Zusammenhänge zwischen Waldbränden, Luftverschmutzung und Klimamustern in der Arktis. Sie fanden heraus, dass die Hitzewellen auf gleichzeitig anhaltende oder sich entwickelnde Hochdrucksysteme über Europa, Sibirien und dem subpolaren Nordamerika zurückzuführen sind. Die Forscher nannten dieses atmosphärische Zirkulationsmuster das «Zirkumarktische Wellenmuster» (CAW) und sehen dieses als Treiber für das gleichzeitige Auftreten von Hitzewellen in Europa und Waldbränden in Sibirien, Alaska und Kanada. Auch im Frühsommer 2019 konnte ein CAW-ähnliches Muster beobachtet werden.
Das CAW-Muster wurde laut der Forscher erst nach 2002 deutlich, was auf seine zunehmende klimatische Bedeutung hinweist.

Der Zusammenhang zwischen Zirkumarktischem Wellenmuster, Hitzewellen, Waldbränden und Luftverschmutzung. Anomale Antizyklone charakterisieren die atmosphärische Zirkulation, die sich gleichzeitig über den drei abgelegenen Regionen um die sommerliche Arktis (Juli und August) entwickelt. Diese Antizyklone verursachen warme und trockene Bedingungen von der Oberfläche bis in die mittlere Troposphäre. Grafik: Yasunari et al. 2021

Luftverschmutzung durch Waldbrände
In derselben Studie bewerteten die Wissenschaftler auch die durch Waldbrände entstehende Luftverschmutzung und fanden erhebliche Mengen an Feinstaubpartikeln, vor allem im Sommer. Laut Teppei J. Yasunari, Assistenzprofessor an der Universität Hokkaido und Hauptautor der Studie, korrelierten die Werte mit höheren Konzentrationen von organischem Kohlenstoff-Aerosol, was auf aktive Waldbrände hindeutet. 

«Waldbrände führen zu einer starken Luftverschmutzung, vor allem in Form von einatembaren Feinstaubpartikeln mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometern oder kleiner (PM2,5). Arktische Dunstschleier im Winter und Frühjahr sind typische Phänomene, die auf die in der Arktis vorhandenen Aerosole zurückzuführen sind. In unserem wissenschaftlichen Bereich ist auch bekannt, dass die Ablagerung von lichtabsorbierenden Aerosolen auf Schneeoberflächen den sogenannten Schneeverdunkelungseffekt hervorrufen kann, der zu einer beschleunigten Schneeschmelze beiträgt», so Yasunari.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie über Zombie-Feuer: Scholten, R.C., Jandt, R., Miller, E.A. et al. Overwintering fires in boreal forests. Nature 593, 399–404 (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-03437-y 

Link zur Studie über Zirkumarktische atmosphärische Zirkulation: Teppei J. Yasunari, et al. Relationship between circum-Arctic atmospheric wave patterns and large-scale wildfires in boreal summer. Environmental Research Letters. 2021. DOI: 10.1088/1748-9326/abf7ef

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