Mehr Gewicht für Maori-Wissen über die Antarktis | Polarjournal
Mitten in der neuseeländischen Antarktisstation Scott Base steht die geschnitzte Figur «Navigator des Himmels» (Te Kaiwhakatere o te Raki) als Symbol für die Anteile zur Erforschung und Reisen, die Maori im Laufe der Jahrhunderte in den eisigen Süden unternommen hatten. Bild: Anthony Powell via Antarctica New Zealand

In der Arktis wird sein langem von indigenen Gruppen und Verbänden gefordert, lokales und überliefertes Wissen der Bevölkerung stärker in die Wissenschaften und in die Politik der Arktis einzubinden. Denn aus den Erfahrungen der Vergangenheit könne man die mittlerweile unsichere Zukunft besser angehen. Für die Antarktis waren solche Aussagen bisher nicht gefordert gewesen, da es keine indigene Bevölkerung in Antarktika gab. Neuseeländische Forscher haben aber nun Überraschendes zutage gefördert und zeigen können, dass die Forderungen aus dem Norden auch im Süden gelten.

Zwei verschiedene Studie, die von den Assistenzprofessorinnen Dr. Priscilla Wehi von der Universität Otago und Dr. Krushil Watene von der Massey Universität (beide in Neuseeland) geleitet worden sind, beleuchteten die Geschichte der Maori in der Antarktis. Dabei zeigte sich, dass die Überlieferungen der Maori weitaus reicher und ihre Verbindungen zur Antarktis viel tiefer gehen, als bisher angenommen. Gemäss der einen Studie in der Fachzeitschrift Journal of the Royal Society of New Zealand beschreiben polynesische Erzählungen und Schnitzereien von Reisen des Hui Te Rangiora und seinen Männern in die Weiten des Südlichen Ozeans bis tief in die antarktischen Gewässer bereits im 7. Jahrhundert. Sie berichten von gefrorenem Wasser und mächtigen weissen Klippen, die von den Forschern als Eisschollen und Tafeleisbergen oder sogar die steilen Wände des Rosseisschelfs vermutet werden. Eine weitere Verbindung zeigt das Forscherteam in den Überlieferungen der Reise von Tamarereti auf der Suche nach dem Ursprung der Südpolarlichter und seiner Stellung heute als Schutzpatron des Südlichen Ozeans.

Doch nicht nur die frühen Ureinwohner haben ihre Zeichen in der Antarktis gesetzt. In der Studie führt das Autorenteam auch die Errungenschaften von Maori bei der Erforschung der Antarktis weiter aus. So war beispielsweise der Seemann Te Atu, im englischsprachigen Raum als John Sac bekannt, ein wichtiges Mitglied der ersten US-amerikanischen Antarktisexpedition unter Kapitän Charles Wilkes 1840. Auch spätere Polarforscher, die aus Neuseeland kommend in Antarktika tätig waren, verliessen sich auf die nautischen und natur-bezogenen Erfahrungen von neuseeländischen Maori-Angehörigen. Doch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen auch klar, dass diese Beiträge häufig kaum gewürdigt wurden. Zwar wurden immer wieder geographische Orte nach Maori benannt (Tuati Peak in den Victoria Ranges, Ostantarktis), doch das war eher die Ausnahme als die Regel. Mittlerweile hat sich dies aber geändert und in der Studie werden auch zahlreiche Forschungsarbeiten von Maori-stämmigen Forscherinnen und Forschern aufgeführt. «Die Erzählungen von unterrepräsentierten Gruppen und ihre Verbindung zu Antarktika bleibt schlecht dokumentiert und anerkannt in der Forschungsliteratur», schreibt das Team in der Studie. «Diese Arbeit beginnt aber, diese Lücke zu füllen.»

Auch auf den subantarktischen Inseln haben Maori ihre Spuren während ihrer Fahrten hinterlassen. Beispielsweise auf der südlich von Neuseeland liegenden Insel Enderby konnten archäologische Beweise für die Anwesenheit von Maori auf der Insel gefunden werden. Solche Inseln boten genügend Nahrung wie Robben und Pinguine, aber auch Süsswasser. Bild: Michael Wenger

Auch in der zweiten, etwas früher in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Studie, weisen die Autorinnen und Autoren auf die lange Verbindung der Maori mit der Antarktis hin und zeigen, wie die Erzählungen und die Philosophie der neuseeländischen Ureinwohner ein Rahmenwerk für einen Weg bilden, den Veränderungen in Antarktika zu begegnen. Ihre Forderung entspricht auch in etwa denjenigen in der Arktis. «Globale Vorstellungen von der Antarktis werden von kolonialen Erzählungen dominiert», erklärt Priscilla Wehi. «Auf der anderen Seite bietet ein indigener Maori-Rahmen (…) transformative Einblicke in echte kollektive Verwaltung und Erhaltung der Antarktis. Die Einbeziehung des indigenen Umweltwissens verbessert unsere Fähigkeit, Wetter- und Klimaschwankungen zu verstehen, zu überwachen, zu planen und sich daran anzupassen, kann aber auch alternative Rahmenbedingungen bieten, um die Praxis zu verbessern.»

«Wir müssen mutig sein, um eine Zukunft zu planen, in der unser Planet gedeihen kann»

Associate Professor Dr. Krushil Watene, Massey University

Auch Dr. Krushil Watene ist der Meinung, dass die Beiträge aus der Lebensweise der Maori im Laufe der Geschichte einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Antarktis liefern kann, sowohl politisch wie auch sozial. Denn die Herausforderungen, denen Antarktika und die Menschheit gegenüberstehen, sind enorm. «Wir müssen mutig sein, um eine Zukunft zu planen, in der unser Planet gedeihen kann», erklärt Dr. Watene. «Die Philosophie im Allgemeinen und die indigene Philosophie im Besonderen bietet wichtige und wertvolle Perspektiven, anhand derer solche Zukunftspläne kartiert werden können.»

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zu den Studien: Wehi, P.M., van Uitregt, V., Scott, N.J. et al. Transforming Antarctic management and policy with an Indigenous Māori lens. Nat Ecol Evol (2021). https://doi.org/10.1038/s41559-021-01466-4

Priscilla M. Wehi, Nigel J. Scott, Jacinta Beckwith, Rata Pryor Rodgers, Tasman Gillies, Vincent Van Uitregt & Krushil Watene (2021) A short scan of Māori journeys to Antarctica, Journal of the Royal Society of New Zealand, DOI: 10.1080/03036758.2021.1917633

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