Wie zählt man eigentlich Pinguine und andere Wildtiere, die in extrem abgelegenen Regionen wie dem Antarktischen Kontinent oder den umliegenden Inseln leben? Bisher haben Forscherteams versucht, die Kolonien von Seeelefanten, Seebären, Albatrossen und den verschiedenen Pinguinarten direkt zu erreichen und die Tiere vor Ort zu zählen. Nicht selten liegen die Kolonien jedoch an schwer erreichbaren Stellen oder die mitunter hohe Brandung lässt eine Anlandung nicht zu. Daher setzten Forscher des British Antarctic Survey gemeinsam mit Kollegen anderer Institutionen auf Südgeorgien und den South Sandwich Islands nun erstmals Kameradrohnen für die Zählung ein, was ihnen ein deutlich genaueres Bild über die Größe der verschiedenen Kolonien verschaffte.
Forschung in den abgelegenen und unwirtlichen Regionen unserer Erde bedeutet immer einen enormen logistischen Aufwand. Und wenn die Wissenschafter nach langer Vorbereitung im Untersuchungsgebiet angekommen sind, kann es sein, dass sie nur einen Bruchteil ihrer geplanten Erhebungen durchführen können, weil die vorherrschenden Wetterbedingungen einfach zu widrig sind. Dies war einer der Gründe weshalb Pinguinforscher bereits vor einigen Jahren Webcams in Pinguinkolonien auf dem antarktischen Kontinent installierten, was ihnen die bequeme Zählung vom warmen Büro aus ermöglicht. Zudem setzen sie im Rahmen des Projekts «Penguin Watch» auf die Unterstützung von Freiwilligen, die an ihrem heimischen Computer die Tiere zählen und so einen Beitrag zum besseren Verständnis ihrer Lebensweise leisten.
Die aktuelle Studie, veröffentlicht in Frontiers in Marine Science, wurde zwischen Oktober 2019 und Januar 2020 auf Südgeorgien und den South Sandwich Islands durchgeführt, wo Millionen von Pinguinen, Robben und Seevögeln leben. Regelmäßige Untersuchungen sämtlicher Kolonien waren bis vor kurzem wegen der teilweise schweren Erreichbarkeit nicht möglich, weshalb sich die Wissenschaftler vor allem auf die zu Fuß leicht erreichbaren, kleineren Kolonien konzentrierten. Mit der inzwischen hoch entwickelten Drohnentechnologie fanden die Forscher ein Werkzeug, das ihnen eine sichere, genaue und großflächige Bestandserhebung erlaubte, ohne dabei die Tiere zu stören oder die Umwelt zu schädigen.
«Im Laufe einer einzigen Saison waren wir in der Lage, Populationen von Südlichen Seeelefanten zu untersuchen, die seit 25 Jahren nicht mehr untersucht wurden, nistende und flügge werdende Wanderalbatrosse auf Inseln zu zählen, die nur selten überwacht werden, und Bilder von einigen der größten Pinguinkolonien der Welt zu sammeln, die uns die detaillierteste Zählung dieser Populationen liefern werden, die wir haben.»
John Dickens, zoologischer Feldassistent am British Antarctic Survey und Hauptautor der Studie
An insgesamt sechs Orten steuerten die Forscher einen handelsüblichen Quadrocopter über die Kolonien von Pinguinen, Robben und Seevögeln und machten alle paar Sekunden Fotos, die sie später zu großen Luftbildern, sogenannten Orthomosaiks, zusammenfügten. Dank der hochaufgelösten Bilder konnte eine genaue und validierte Zählung der Tiere am sicheren Schreibtisch vorgenommen werden.
Dr. Tom Hart, Pinguinologe an der University of Oxford und Co-Autor, ist begeistert von ihrer neuen Monitoring-Methode und sagt: «Drohnen sind fantastisch, weil sie uns erlauben, Gebiete sicher zu erreichen, auch wenn wir nur wenig Zeit haben. Wenn ein Strand zu rau ist, um anzulanden, können wir oft trotzdem fliegen. So können wir viel mehr Kolonien in kürzerer Zeit zählen. UAV-Untersuchungen (Unoccupied Aerial Vehicles — unbemannte Luftfahrzeuge, Anm. d. Redaktion) ermöglichen es uns, nicht nur zu zählen, sondern auch die Position jedes Nests in dieser Kolonie anzugeben. Das macht diese Erhebungen immens sensibel für Umweltveränderungen und in Zukunft noch nützlicher.»
Mit Hilfe der Drohnen konnten die Forscher weit mehr Arten und Kolonien untersuchen als zuvor. Zudem seien die Erhebungen genauer und mit weniger Störungen der Tiere und einem geringeren Risiko für die Wissenschaftler verbunden, wie Dr. Martin Collins erklärt, South Georgia Science Manager am British Antarctic Survey und Co-Autor der Studie.
Auf Südgeorgien, das die weltweit größte Population Südlicher Seeelefanten beherbergt, führten Dickens und sein Team u.a. in der St. Andrews Bay und der Hound Bay dutzende Flüge während der Aufzucht der Jungtiere durch – die erste Populationszählung seit 25 Jahren. In der St. Andrews Bay registrierten sie zum Höhepunkt der Welpensaison am 25. Oktober über 6.000 Kühe, fast 400 Bullen, 5341 säugende Jungtiere und 155 entwöhnte Jungtiere am Strand.
Noch beeindruckender sind die riesigen Pinguinkolonien auf dem Archipel. Allein in der St. Andrews Bay brüten Schätzungen zufolge 250.000 Paare der Königspinguine. Insgesamt vier Pinguinarten haben die Wissenschaftler auf Südgeorgien und den South Sandwich Islands untersucht: Königspinguine, Zügelpinguine, Adéliepinguine und Goldschopfpinguine. Die Zählung der Tiere stellt sich jedoch bei den drei letztgenannten Arten als etwas schwieriger heraus. Goldschopfpinguine brüten gern zwischen hohem Tussock-Gras, weshalb sie aus der Luft zuweilen schwer zu sehen sind. Die Luftbilder sind daher nur in den Kolonien brauchbar, die in offenerer Landschaft liegen. Zügel- und Adéliepinguine brüten auf den South Sandwich Islands nah beieinander oder gar in gemischten Kolonien, was die Unterscheidung der beiden schwarz-weiß gefärbten Arten auf Luftbildern, die aus einer Höhe zwischen 50 und 60 Metern aufgenommen wurden, erschwert.
Das Monitoring der Königspinguine in der St. Andrews Bay hingegen verlief unproblematisch und die Forscher können klar zwischen erwachsenen Tieren und Küken unterscheiden. Die Zählung steht noch aus, wird jedoch nach Abschluss erstmals die genaue Größe der gesamten Population liefern.
A – Südliche Seeelefanten in der St. Andrews Bay auf Südgeorgien aus 60m Höhe. B – Ausfluss aus einem Gletschersee, den die Forscher zu Fuß nicht hätten überwinden können. Südliche Seeelefanten bei King Edward Point, Südgeorgien aus 40m Höhe. A – entwöhnte Jungtiere, B – Kühe, Jungtiere und Bullen am Strand. Wanderalbatrosse auf Albatross Island aus 120m Höhe. A – Küken in Nestnähe, B – Küken auf dem Nest mit Elterntier in der Nähe, C – Gruppe von Riesensturmvögeln. Königspinguine in der St. Andrews Bay, Südgeorgien aus 40 – 80m Höhe. A – Auscchnitt mit erwachsenen Tieren und Küken, B – Küken, C – Küken umgeben von erwachsenen Tieren. Goldschopfpinguine in der Rookery Bay, Südgeorgien aus 50 – 70m Höhe. A – D: Trotz gut aufgelöster Bilder sind die Pinguine unter dem Tussockgras teilweise nicht zu sehen. Brütenden Zügelpinguine (A) und Adéliepinguine (B) auf Thule Island, South Sandwich Islands aus 50 – 60m Höhe. Die Unterscheidung der beiden Arten aus der Luft ist extrem schwierig.
Für die Zählung der Wanderalbatrosse, deren Population rückläufig ist, eignen sich die Luftaufnahmen, die auf Inselchen in der Bay of Isles gemacht wurden, ebenfalls nur bedingt. Um die Vögel nicht zu stören muss die Flughöhe der Drohne größer sein (120 Meter), was die Bilder beim hineinzoomen stark verpixelt erscheinen lässt. Dennoch konnten die Forscher 143 Küken und 48 erwachsene Vögel identifizieren.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die Bestimmung der Populationsgrößen von verschiedenen antarktischen und sub-antarktischen Tierarten mit Hilfe von Kamera-Drohnen sehr gut eignet und erheblich genauer und risikoärmer durchführen lässt als mit den bisherigen Methoden. Eine regelmäßige Erhebung der Individuenzahlen wird angesichts der dramatischen Veränderungen durch den Klimawandel aber auch durch die Ausweitung der Krill-Fischerei dringend benötigt, sagen die Forscher.
Zukünftige Erhebungen sind bereits geplant, die es den Wissenschaftlern ermöglichen werden, großflächige Bestandsaufnahmen dieser ikonischen Meerestiere durchzuführen und ihre Reaktionen auf das sich verändernde Klima und die Umwelt in diesem kritischen Ökosystem zu verstehen.
Julia Hager, PolarJournal