Der Eisbär ist zum Symbol des Klimawandels geworden. Doch während Forscher und Politiker weiterhin bloss debattieren statt handeln: Wie geht es eigentlich dem König der Arktis?
Der arktische Sommer war schon ziemlich weit fortgeschritten. Vor den Küsten Spitzbergens trieb keine einzige Eisscholle mehr; alles Meereis war seit Wochen geschmolzen, und die Eiskarten auf den Kreuzfahrtschiffen um die fast menschenleere hocharktische Inselgruppe herum zeigten die Packeisgrenze gute zweihundert Kilometer weiter nördlich von hier. So war es immer gewesen in den letzten paar Jahren im späten August: die Inseln Spitzbergens lagen jetzt, am Ende des arktischen Sommers, in einem jeweils eisfreien Meer. – Sicherlich muss es ein enormes Hungergefühl gewesen sein, welches das mächtige, schäbig-schmutzig anzuschauende Eisbären-Männchen auf der Tundra im Woodfjord dazu bewogen hatte, sich mit aller Vorsicht den paar Eiderenten am Ufer zu nähern.
Seit zwei, vielleicht sogar seit drei oder mehr Monaten hatte dieser Eisbär nichts mehr in seinen riesigen Magen gekriegt. Irgendwie hatte er im Frühsommer den Anschluss verpasst. Das vereiste Meer hatte zu tauen begonnen, er aber versäumte es, mit der sich nach Norden verschiebenden Eiskante mitzuhalten – und sah sich plötzlich auf der erblühenden Tundra festsitzen. Einen Sommer lang ohne Nahrung! Die fetten Robben nämlich, das Lieblingsessen des Eisbären, waren dort, wo sich jetzt das Eis befand.
Trotz seiner imposanten Körperfülle gelang es dem Eisbären, sich auf wenige Dutzend Meter an die Wasservögel heranzumanövrieren. Die ruhenden Eiderenten schienen die Gefahr nicht zu bemerken, bis der Bär mit seinen letzten Kräften zu einem gewaltigen Sprint ansetzte. Blitzschnell stieben die Enten auseinander und flogen davon – bis auf eine; sie war noch in der Mauser und deshalb flugunfähig. Auf sie sauste mit roher Kraft eine Bärenpranke hernieder, mehrmals, wieder und wieder, bis von der flach geklopften Ente im sich bildenden Erdloch kaum etwas übrig blieb. Diese Beute wollte sich der Eisbär keinesfalls entgehen lassen, ein Amuse Bouche zwar nur, ein winziges Appetithäppchen für einen Bärenmagen, der ohne weiteres 70 Kilogramm auf einmal aufnehmen könnte.
Szenen wie diese vom Woodfjord in Spitzbergen spielen sich auch andernorts in der Arktis zunehmend häufiger ab, seit die weltweite Klimaerwärmung das Nordpolargebiet erwärmt. Den Eisbären schmilzt ihr ureigener Lebensraum, das Eis des Arktischen Ozeans, praktisch unter den Tatzen weg. Als eisbewohnender Jäger hängt der Eisbär vom Packeis ab. Seine Hauptbeute, Bart- und Ringelrobben, bekommt er nur dort zu fassen, an den Atemlöchern der Robben. Im mehrheitlich eisfreien Sommer hingegen, wenn ihm seine Nahrung buchstäblich davon schwimmen kann, ist fasten angesagt. Dann steht alles, was irgendwie essbar erscheint, auf dem Speiseplan des Fleischfressers Eisbär, des grössten Landraubtieres der Erde. Vögel und deren Eier, Seetang, Aas, Siedlungsabfälle usw. müssen herhalten, um einen Eisbären irgendwie über die schwierige Sommerzeit zu bringen.
Forschung per Sender
Seit sich der Eisbär vor weniger als 500’000 Jahren vom Braunbären getrennt und zu einer eigenen Tierart entwickelt hat, ist Ursus maritimus, der „Meeresbär“, auf das Packeis im Arktischen Ozean angewiesen. Damit hat er sich den wohl extremsten Lebensraum dieser Erde erobert, denn das Eis des Meeres verändert sich ständig. Es schmilzt und gefriert erneut, es bricht auf, verschiebt sich, oder türmt sich zu meterhohen Presseisrücken auf. Dies ist die Bühne des Lebens für die weniger als 20’000 Eisbären, die es heute gibt. Nur hier finden sie ihre Nahrung, nur hier gelingt es ihnen, auf einen paarungswilligen Partner zu treffen und ihre Jungen aufzuziehen.
Gleissend hell in den Monaten immerwährenden Tageslichtes im Sommer und bitterkalt, dunkel in der monatelangen Polarnacht – wer die endlose Eisfläche eines gefrorenen Meeres seine Heimat nennt, muss gut zu Fuss sein. Eisbären sind denn auch tatsächlich ständig unterwegs. Obwohl die Packeisfläche aus menschlicher Sicht keinerlei Anhaltspunkte zu bieten scheint, irren Eisbären nicht einfach ziellos umher. Bei neueren Studien machen sich Zoologen vermehrt die Vorteile eines Satellitensenders zunutze. So gelingt es den Forschern, besenderte Eisbären über Monate zu verfolgen und ihr Bewegungsmuster auf dem Eis auszuwerten. Erstaunlich, was dabei herauskommt! Es gibt Eisbären, die in einem Jahr nachweislich zwischen 3300 und 7100 Kilometer zurücklegten. Bei ihren einsamen Wanderungen übers Eis bleiben die Bären zudem in einem angestammten Aktionsraum (Home Range), dessen Grenzen sie nur selten überschreiten. Ein solches Aktivitätsgebiet, das eisige Reich des Königs der Arktis, misst oftmals zwischen 100’000 und 340’000 Quadratkilometer.
Und was macht ein Eisbär auf seinen langen Wanderstrecken?
Packeis und Eisbrücken
Die Suche nach den Atemlöchern von Robben, an denen irgendwann die ersehnte Nahrung in Form einer leckeren Bart- oder Ringelrobbe auftauchen muss, ist das eine. Das andere dient der Fortpflanzung: als Einzelgänger müssen sich Eisbären regelrecht gegenseitig auf dem Packeis suchen, wenn’s zwischen März und Mai um die Zeugung von Nachwuchs geht. Dank ihres herausragenden Riechvermögens können Männchen den Geruch paarungsbereiter Weibchen bereits über viele Kilometer aufnehmen und der Duftspur folgen. Auch in einer solchen Lebensphase gilt: ohne Packeis – keine Paarung.
Für trächtige Eisbären-Weibchen sowie später für deren Junge spielt die Meereisdecke (und der Schnee) ebenfalls eine bedeutende Rolle. Die meisten trächtigen Eisbärinnen der Arktis suchen zu Anfang des Winters bestimmte Landgebiete auf, um dort auf genügend Schnee zu warten und dann ihre Wurfhöhle im Triebschnee anzulegen.
Nur wenn das Meer rechtzeitig und ausreichend zufriert, können die künftigen Eisbärenmütter solche Geburtszentren, wie zum Beispiel die Kong-Karls-Inseln in Spitzbergen, die Wrangelinsel oder Franz-Josef-Land in der russischen Arktis, einfach und energiesparend über die Eisbrücke erreichen. Und nur, wenn ausreichend Schnee in optimaler Qualität fällt, gelingt es den Bärinnen, eine Geburtshöhle zu bauen, die bis in den nächsten Frühling hält. Wie wichtig der Zeitpunkt des Gefrierens ist, zeigt sich am Beispiel der kleinen Insel Hopen im Südosten von Spitzbergen: friert das Meer im Herbst zu spät zu, kommen die trächtigen Weibchen nicht nach Hopen zum Gebären. Wie weit sich das Eis von den Landgebieten zurückgezogen hat im Verlaufe des Sommers, hat wiederum massgeblich damit zu tun, wie stark und schnell das Meer im Sommer aufgetaut ist. Die derzeitige klimatische Entwicklung weltweit wird den Eisbären nicht nur mit Blick auf die Erreichbarkeit der Wurfhöhlengebiete schwer zu schaffen machen. Auch beim arktischen Schnee, einer wichtigen Komponente zur Konstruktion einer dauerhaften, gut isolierenden Kinderstube, ist nichts mehr wie früher. Schnee muss natürlich in ausreichender Menge fallen. Fällt er reichlich und zur rechten Zeit, und bläst ihn der Wind zu tiefen Verwehungen an den Leeseiten von Geländeunebenheiten zusammen, erst dann sind die optimalen Voraussetzungen für die Konstruktion einer Wurfhöhle gegeben.
Während die meisten Eisbärinnen rund um den Nordpol die Variante „Würfhöhle an Land“ bevorzugen, gibt es in der Beaufortsee Abweichlerinnen von dieser Norm. Dort, im Eismeer vor den Küsten Nordalaskas und Kanadas, bleiben viele der trächtigen Weibchen gleich auf dem Meereis. Sie wählen Schneehöhlen auf dem driftenden Packeis und auf dem Küsten-Festeis.
Schnee muss liegen bleiben
Aber dieses natürliche Bedürfnis der Eisbären in der Beaufortsee ist durch die Erderwärmung gestört. Zoologen haben herausgefunden, dass die Zahl jener Bärinnen, die sich ihre Wurfhöhle auf dem Packeis graben, in den letzten zwei Jahrzehnten von 62 % auf 37 % zurückgegangen ist. Grund dafür ist einerseits die zeitliche Verzögerung, mit welcher das Meer im Herbst zufriert, und anderseits die schlechtere Eisqualität. Diese führt dazu, dass sich das Packeis nicht mehr so optimal zu Presseisrücken oder anderen Unebenheiten auftürmt. Damit sich der windverfrachtete Schnee aber hoch genug ansammeln kann, muss er sich an Hindernissen auf dem Packeis ablagern können. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass man jeweils im Herbst der vergangenen Jahre noch nie zuvor mehr Eisbären als heute an den Ufern der Beaufortsee gesichtet hat. Falls der Trend anhält und weiterhin wertvoller Eisbären-Lebensraum wegschmilzt, ist anzunehmen, dass die rund 2800 Eisbären der Beaufortsee-Region innerhalb der nächsten Jahrzehnte aussterben werden.
Düstere Prognosen
In einer Studie gingen kanadische Zoologen der Frage nach, wie sich die Wurfgrösse beim Eisbären in der Zukunft entwickeln wird. Als Basis des Berechnungsmodells dienten die Eisbärinnen an der westlichen Hudson Bay in den frühen 1990-er Jahren. Damals schlug die Fortpflanzung bei fast 30% der dortigen Bärinnen aus energetischen Gründen (Nahrungsmangel) fehl.
Würde nun das Eis infolge der Klimaerwärmung um einen Monat früher aufbrechen, so die Studie, dann könnten zwischen 40 und rund 70% der Bärinnen in der westlichen Hudson Bay keine Jungen werfen oder diese nicht aufbringen.
Noch schlimmer das Szenario bei einer um zwei Monate früheren Eisschmelze: die Hälfte bis alle Bärinnen würde ihre Jungen verlieren mangels verfügbarer Robben. Gleichzeitig würde sich die durchschnittliche Wurfgrösse im ersten Fall um ein bis zwei Drittel, im zweiten Fall um die Hälfte bis 100% reduzieren.
Dies jedoch bedeutet schlichtweg, dass die Eisbären-Subpopulation an der westlichen Hudson Bay unter den gegebenen Zukunftsaussichten nicht überleben wird.
Die Forscher gehen davon aus, dass bei über einem Drittel aller Eisbären in der Arktis mit ähnlichen Auswirkungen gerechnet werden muss, weil die Möglichkeit zur Nahrungssuche (und Energiespeicherung) auf dem Eis verkürzt und die Zeit des Fastens an Land verlängert wird.
Eis wird Mangelware
Wenn das Packeis früher als sonst auftaut und das Meer später im Jahr zufriert, verkürzt sich die Zeit, während der Eisbären Robben jagen können. Trächtige Weibchen haben dann Mühe, sich den dringend benötigten Fettvorrat für die lange Zeit in der Wurfhöhle anzufressen. Und Bären-Weibchen mit Jungtieren, die im Frühling aus den Wurfhöhlen hervorkommen, finden bei ungünstigen Eisverhältnissen weniger Jungrobben – eigentlich die Kraftnahrung für die kleinen Eisbärchen.
Weil das wenige Eis auch noch viel schneller wegschmilzt in den wärmeren Sommern, müssen viele Eisbären länger an Land ausharren, praktisch ohne Nahrung. Jene Bären allerdings, die im Sommer auf dem Meereis bleiben, werden wegen des rapiden Abschmelzens mit dem Eis in weit nördliche Gebiete verfrachtet, in denen weniger (oder keine!) Robben mehr vorkommen.
Je früher und leichter die geschlossene Packeisdecke in einzelne Schollen (Treibeis) aufbricht, desto häufiger entstehen grosse offene Wasserflächen. Obwohl der Eisbär als Meeressäuger ein vortrefflicher Schwimmer ist, zehren weite und häufige Schwimmstrecken am Energiehaushalt. Für den Nachwuchs in den ersten Lebensmonaten sind weite Wasserrinnen im Eis tödlich – die Kleinen können nicht zu lange im kalten Wasser schwimmen.
Das arktische Packeis, ein faszinierender, extremer Lebensraum, ein vernetztes Ökosystem, ist in Bedrängnis. Viele aktuelle Beobachtungen quer durch die Arktis machen klar, dass der Bericht des Weltklimarates von 2007 das Tempo, mit dem das arktische Meereis schmilzt, drastisch unterschätzt hat.
Drei Bedrohungen
Diese drei grossen Veränderungen des Meereises bedrohen das Leben der Eisbären:
• rapide Abnahme der sommerlichen Minimalausdehnung – Jeweils im September hat das sommerliche Abschmelzen des Meereises seinen Höhepunkt erreicht. Dann ist die Eisbedeckung im Arktischen Ozean natürlicherweise am geringsten, bevor sie kurz danach durch das neuerliche Zufrieren im Herbst und Winter wieder anwächst. Diese im September gemessene minimale Ausdehnung des Meereises nimmt dramatisch ab (im Moment 13 % pro Jahrzehnt), weil im Sommer mehr Eis wegschmilzt als je zuvor. Geht dies im gleichen Tempo weiter, wird der Arktische Ozean in 30, 40 Jahren im Sommer praktisch eisfrei bleiben. Ein warnendes Beispiel: 2008 waren die Sunde und Durchfahrten der Nordost- und gleichzeitig die Nordwestpassage praktisch eisfrei – zum ersten Mal in der Geschichte.
Geringste Eisausdehnung im September in mio. km2 und Abnahme in % im Vergleich zum langjährigen Mittelwert (1981-2010):
2016 4,53 -29 %
2017 4,82 -25 %
2018 4,79 -25 %
2019 4,36 -32 %
2020 3,92 -39 %
• Verlust von mehrjährigem Meereis – Obwohl grosse Flächen des Arktischen Ozeans seit Urzeiten im Winter gefrieren und im Sommer auftauen, blieben bisher immer weite Teile dieses Polarmeeres von Eis bedeckt, welches einem oder mehreren sommerlichen Auftauprozessen widerstanden hatte und so im Laufe der Zeit zu mehrjährigem Eis wurde. Heute findet sich kaum noch älteres Meereis, und altes Eis, das fünf oder mehr Sommer überdauert hat, ist beinahe ganz aus der Arktis verschwunden.
• geringere Dicke des Packeises – Die durchschnittliche Dicke der Eisdecke über dem Arktischen Ozean betrug im Jahre 1980 noch 3,64 Meter. Seither hat sie um 1,75 Meter abgenommen und wird fürs Jahr 2008 mit 1,89 Meter angegeben – und für 2012 wurde eine durchschnittliche Meereisdicke von nur noch 1,25 Meter ermittelt.
Auch bei anderen Formen des Eises in der Arktis sind tragische Veränderungen im Gang. So stieg etwa die Temperatur des Permafrostes, des Dauerfrostbodens, um 2°C, und die Südgrenze der arktischen Permafrostböden hat sich in Russland und Kanada nach Norden verschoben.
Es wird warm in der Arktis
Fressen, sich paaren, gebären – Eisbären sind in jeder Lebensphase auf ihr Packeis angewiesen. Ohne diesen eisigen Deckel, der im Winter bis zu 15 Millionen Quadratkilometer des Arktischen Ozeans bedeckt, können Eisbären nicht überleben – und mit ihnen zahlreiche andere Meeressäuger, für die das Meereis der Schlüssel zum Leben darstellt. Zu ihnen gehören das Walross und andere Robbenarten sowie Wale wie Beluga/Weisswal oder der Narwal.
Die weltweite Erwärmung des Klimas wird die Arktis besonders hart treffen. Das Nordpolargebiet wird sich doppelt so stark erwärmen als der Rest der Welt. Bei den Wintertemperaturen wird ein Anstieg von bis zu 7°C bis 2080 vorausgesagt.
Neuerliche Rekonstruktionen des urzeitlichen Arktisklimas zeigen, dass die Sommertemperaturen in der Arktis während der letzten paar Jahrzehnte höher lagen als jemals zuvor in den vergangenen zweitausend Jahren. Allein die sechs Jahre zwischen 2005 und 2010 brachten die wärmsten Temperaturen, die man jemals in der Arktis gemessen hat.
Schleichende Vergiftung
Höhere Lufttemperaturen führen zu mehr Niederschlag in der Arktis: Die fünft feuchtesten Monate seit 1950 traten alle während der letzten zehn Jahre auf. Die Jahre nach 2000, und insbesondere seit 2004, fielen besondern feucht aus. Wenn es im Winter oder Vorfrühling neuerdings auf die Schneehöhlen regnet, in denen die Eisbärinnen ihre Jungen geworfen haben, kann die Höhle einstürzen. Klimatologen rechnen uns vor, dass die Niederschläge in der Arktis um rund 20 % zunehmen werden.
Doch es ist nicht nur der Regen, welcher den Wurfhöhlen der Bärinnen zusetzt – es fehlt immer häufiger an einer genügenden Menge Schnee zum Bau solcher Höhlen!
Bisher war die arktische Landschaft während acht bis zehn Monaten im Jahr von Schnee bedeckt gewesen. Doch auch die Dauer dieser Schneebedeckung verringert sich – es schneit später, es taut früher wieder weg, durchschnittlich um fast 14 Tage setzt die Schneeschmelze in den Landgebieten der Arktis heute früher ein als noch in 1970-er Jahren. Kommt hinzu, dass der Schnee in immer weniger Gebieten liegen bleibt – die schneebedeckte Fläche in der Arktis ist in den letzten fünfzig Jahren um beinahe einen Fünftel kleiner geworden.
Eisschmelze, Wärmephasen, Regen, als ob solche klimatischen Veränderungen in der Arktis nicht schon jede für sich eine Hiobsbotschaft für den Eisbären bedeuten – es gibt eine noch perfidere Bedrohung. Jene mausernde Eiderente, die unser ausgehungerter Eisbär im spitzbergischen Woodfjord erhaschte und vor lauter Jagdeifer flach klopfte, hatte Umweltgifte in ihrem Körper aufgenommen.
So abgelegen die Arktis auf einem Globus auch scheinen mag, vor einer Chemiedusche aus unseren Breiten ist diese Region nicht gefeit. Der Eisbär jedoch thront an der Spitze der polaren Nahrungskette – in seinem Körper sammeln sich die Schadstoffe wie Quecksilber, PCB’s, Dioxine, DDT usw. in erhöhter Konzentration. Sollten die Eisbären wegen der Klimaerwärmung über immer längere Perioden fasten müssen, würden sie sich vermehrt mit langlebigen organischen Schadstoffen belasten, welche dann aus ihrem eigenen Fettgewebe freigesetzt würden. Der König der Arktis würde sich von innen her vergiften. Doch dies ist eine andere traurige Geschichte.
Text: Peter Balwin
Fotos: Heiner Kubny