Für den Tourismussektor in den arktischen Regionen muss sich die COVID-Pandemie wie der Weltuntergang anfühlen. Seit März 2020 ist der einst boomende Sektor praktisch zum Stillstand gekommen, da die meisten Länder ihre Grenzen de facto für Touristen geschlossen gehalten haben. Doch nun haben Länder und Regionen wie Island, Grönland und auch Norwegen Öffnungsschritte angekündigt, angetrieben durch die steigenden Zahlen von geimpften Personen. Gleichzeitig droht aber eine neue, viel ansteckendere Variante des Virus, diese Hoffnungen wieder zunichte zu machen.
Ab morgen, dem 1. Juli 2021, soll ein EU-weit gültiges Impfzertifikat den Eintrittsschein für reisewillige Arktisfan darstellen und ein quarantäne-freies Einreisen in Grönland, Island und Norwegen ermöglichen, zumindest in der Theorie. Betrachtet man die Einreisebestimmungen nämlich etwas genauer, finden sich immer noch einige Faktoren, die mit beachtet werden müssen, um sich dann auch tatsächlich in den arktischen Regionen bewegen zu können. Doch zwischen morgen und dem 5. Juli sollen Erleichterungen und Lockerungen in Kraft treten. Wir haben den gegenwärtigen Stand der Dinge, so weit wie möglich, hier aufgelistet. Alle Angaben entsprechen dem Informationsstand vom 30. Juni 2021 und sind ohne Gewähr.
Norwegen/Svalbard
Ab dem 5. Juli werden Einreiseregeln nach Norwegen neu angepasst. Touristen sind, mit einigen wenigen Ausnahmen, immer noch von der Einreise ausgeschlossen. Die Liste der Ausnahmen, wer einreisen darf, ist mittlerweile länger als die Liste der Nicht-erlaubten Personengruppen. ABER: Wer u.a. im Besitz eines von Norwegen anerkannten europäischen COVID-Zertifikates (Impfung oder überstandene COVID-Erkrankung) ist, kann quarantäne- und testfrei einreisen, vorausgesetzt, die Person reist aus einem EU/EFTA/Schengen-Land ein. Und auch für die Liste der EU-Länder mit anerkanntem Zertifikat existiert wieder eine Liste. Auf dieser stehen zurzeit nur Österreich, Bulgarien, Belgien, Zypern, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Island, Polen und Lettland. Weiter wird Norwegen die von der EU verwendeten Grenzwerte für COVID-Erkrankungen (Inzidenzwert) verwenden, was bedeutet, dass Reisende aus Ländern, deren Inzidenzwert unter 500 / 100’000 Einwohner innert zwei Wochen liegt, einreisen dürfen (grüne Länder). Dies gilt dann auch für die Weiterreise nach Svalbard, wo gegenwärtig immer noch eine Schnelltest-Pflicht vor Abflug besteht.
Island
Island erlaubt die Einreise aller nachweislich geimpfter Personen oder wenn man eine Erkrankung beglaubigt überstanden hatte in den vergangenen sechs Monaten. Ausserdem besteht eine Registrierungspflicht für alle Einreisenden. Die Testpflicht bei Ankunft entfällt ab dem 1. Juli für Zertifikatinhaber. Reisende ohne diese Zertifikate müssen weiterhin einen maximal 72-Stunden alten PCR-Test mitbringen, sich testen lassen und in einem von der Regierung zugewiesenen Hotel in Quarantäne. Dieses ist aber kostenlos. Alle Bestimmungen sind formell bis zum 15. August gültig.
https://www.covid.is/categories/travel-to-and-within-iceland
Grönland
Grönland kann wieder mit Flügen ab Island oder Dänemark erreicht werden. Entsprechende Einreisebedingungen in diese Länder müssen beachtet werden. Transitreisende nach Grönland aus EU/EFTA-Ländern, die von Dänemark auf «grün» oder «gelb» gesetzt worden sind, können in einem Hotel eine Nacht logieren ohne weitere Einschränkungen und danach weiterreisen. Für Grönland selbst gilt, dass alle Personen bei Ankunft in eine 14-tägige Quarantäne müssen. Nachweislich geimpfte Personen können mit einem negativen PCR-Test diese Quarantäne gleich wieder verlassen, alle anderen müssen einen zweiten Test fünf Tage später durchführen lassen, der natürlich auch negativ sein muss. Ausserdem müssen alle Einreisenden das SUMU-Formula ausgefüllt vorweisen können bei der Einreise. Nicht alle Orte in Grönland sind für Reisende direkt offen. Quarantäneorte sind von der Regierung klar definiert, andere Orte sind erst erreichbar, wenn die Quarantäne und das Testregime durchlaufen worden ist.
https://visitgreenland.com/corona-faq/#transit-closed
Dänemark
Komplett geimpfte Personen aus EU/EFTA/Schengen-Ländern können ohne Tests und Quarantäne nach Dänemark einreisen. Ein entsprechendes von Dänemark akzeptiertes Zertifikat genügt. Komplett geimpft bedeutet (wie überall) mindestens zwei Wochen nach der letzten Impfdosis mit einem von Dänemark akzeptierten Impfstoff. Früher erkrankte Personen müssen einen Nachweis bringen über die Erkrankung, die nicht weiter als acht Monate zurückliegen darf. Bei Reisenden aus Grossbritannien bestehen Unterschiede je nach Herkunftsregion.
https://en.coronasmitte.dk/covidtravelrules
Kanada
Für internationale Gäste ist Kanada und der arktische Norden Kanadas weiterhin grundsätzlich geschlossen. Es sollen zwar Diskussionen über mögliche Öffnungen bestehen, aber diese sind noch nicht weiter ausgeführt.
https://travel.gc.ca/travel-covid/travel-restrictions/covid-vaccinated-travellers-entering-canada
USA/Alaska
Auch hier sind grundsätzlich immer noch Einreiserestriktionen in Kraft. Internationale Touristen sind gegenwärtig immer noch von Einreisen ausgeschlossen, unabhängig vom Impfstatus.
https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/travelers/from-other-countries.html
Die ganz grosse Schwierigkeit stellt gegenwärtig Russland dar. Denn in Moskau und auch in anderen russischen Regionen schiessen die Infektionszahlen rasant in die Höhe. Schuld daran ist die neue, wesentlich infektiösere Delta-Variante, die erstmals in Indien vor einigen Monaten zum ersten Mal festgestellt worden war. Mittlerweile ist sie in zahlreichen Ländern nachgewiesen worden, was zu Teil-Lockdowns und Notfallverordnungen geführt hat. Auch Deutschland hat auf die Zahlen in Russland reagiert und Reisende aus Russland in die Quarantänepflicht genommen. Dies ist ein schwerer Schlag, nachdem zu Beginn der arktischen Touristensaison Russland quasi das einzige Tor in die Arktis für zumindest deutschsprachige Touristen dargestellt hatte. Zwar hat die Schweiz noch keine Änderung ihrer Risikoliste vorgenommen. Doch dies dürfte auch hier nur eine Frage der Zeit sein. Die Lage bleibt aufgrund dieser neuen Variante angespannt und die neuen Lockerungen und Öffnungsschritte können genauso schnell wieder rückgängig gemacht werden. Dies zeigt wiederum, wie fragil die gegenwärtige Situation in Sachen Reisen insgesamt und in die Weiten der Arktis insbesondere sind. Trotzdem haben verschiedene Anbieter die Hoffnung auch weiterhin nicht aufgegeben und nutzen die nun geplanten Öffnungen einzelner Regionen, um ihren Kunden doch noch die Möglichkeit zu geben, in die Arktis abzutauchen und Eisbär und Co. einen Besuch abzustatten.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal