Grönland gehört zu den Ressourcen-reichsten Regionen der Arktis. Auf und rund um die grösste Insel der Welt werden die grössten noch unangetasteten Lagerstätten von Erdöl und Erdgas vermutet. Dieser mögliche Reichtum hatte zu Lizenzvergaben und Explorationsversuchen, aber auch zu grosser Kritik von Umweltverbänden geführt. Nun hat die neue grönländische Regierung unter Múte Bourup Egede einen Stopp sämtlicher Erdölaktivitäten in Grönland verhängt.
In einer Pressemitteilung hat die Regierung bekanntgegeben, dass die gegenwärtige Erdölstrategie ausgesetzt wird und sämtliche zukünftigen Förderungen von Erdöl in Grönland gestoppt wird. Als Grund dafür gibt die Regierung nicht nur die Klimakrise an. «Die Naalakkersuisut (Regierung) nimmt die Klimakrise sehr ernst. Zusätzlich wurde die Entscheidung auch für unsere Natur, für unsere Jagd und Fischfang und um unsere Geschäfte auf tatsächliche und bekannte Potentiale auszurichten», heisst es in der Meldung. Die Folgen für die Umwelt durch Ölförderung und -produktion seien zu gross und die eingesetzten Ressourcen könnten woanders besser eingesetzt werden, als «den Traum eines Erdölabenteuers aufrecht zu erhalten», erklärt die zuständige Ministerin für Rohstoffe, Naaja H. Nathanielsen.
Auch andere Regierungsmitglieder, die direkt oder indirekt von den Ölförderplänen betroffen waren, meldeten sich in der Pressemitteilung zu Wort. Besonders interessant diesbezüglich dürfte die Aussage von Pele Broberg, dem Minister für Wirtschaft, Auslandsangelegenheiten und Klima sein. «Ich stelle auch fest, dass sich die internationalen Investitionen im Energiesektor in diesen Jahren weg von Öl und Gas hin zu erneuerbaren Energien bewegen. Daher ist es selbstverständlich, dass wir unser Geschäftsleben auf die Chancen der Zukunft ausrichten und nicht auf die Lösungen der Vergangenheit.» Tatsächlich waren aber noch bis vor kurzem Bestrebungen der Regierung im Gange, die Menge an Erdöl rund um Grönland besser zu quantifizieren. Während für den Bereich von Westgrönland/Ostgrönland, wo bereits Ölförderungen stattgefunden hatten, die Beurteilungen abgeschlossen waren, hätten sie in den vermutlich ebenso erdölreichen Ostküstenregionen im nächsten Jahr abgeschlossen werden sollen. Das Ziel war es, mithilfe dieser Zahlen plus Steuererleichterungen und verstärkten Marketinganstrengungen das internationale Interesse bis 2024 weiter anzufachen, in grönländischen Gewässern nach Erdöl zu bohren. Denn nach Expertenmeinungen liegen die grössten noch unangetasteten Reserven von fossilen Brennstoffen rund um Grönland. Alleine an der Westküste sollen bis zu 18 Milliarden Fass lagern. Eine frühere Studie liess für den Osten ähnliche grosse Mengen vermuten.
Die grönländische Wirtschaft ist zum einen stark von Ölimporten abhängig. Denn die Schiffe, Boote und alle Landfahrzeuge, die Flugzeuge und Hubschrauber benötigen Treibstoff. Ausserdem wird Öl als Heizmittel verwendet. Daher wären eine eigene Förderung und Produktion von Erdöl durchaus sinnvoll gewesen. Doch der Preiszerfall von Erdöl und die gewaltigen Risiken für die Umwelt und besonders für die wichtigen Fischfangregionen, gepaart mit den ökonomischen Problemen (unrentabler heimischer Markt, zu hohe Produktionskosten für gute Konkurrenzfähigkeit), sind einfach zu starke Argumente für die Regierung gewesen. Man wolle nun stärker auf den Ausbau erneuerbarer Energiequellen bauen, erklärt die Regierung.
Ob diese Entscheidung auch eine Signalwirkung für andere Arktisnationen hat, mehr auf erneuerbare Energien zu setzen und deren Entwicklung «Arktis-tauglich» zu machen, darf aber bezweifelt werden. Zu sehr hängen Länder wie Norwegen, Kanada und Russland vom Verkauf des schwarzen Goldes ab. Auch in Alaska, wo der Kampf um die Förderung von Erdöl im Arctic National Wildlife Refuge zwischen der Bundesregierung in Washington DC und der Regierung in Fairbanks, Alaska weiterhin tobt, ist das letzte Wort nicht gesprochen und die Förderungen in all diesen Ländern geht ungebremst weiter. Daher ist die Entscheidung aus Nuuk sicherlich begrüssenswert und löblich. Doch es verschafft Grönland nur Luft vor dem Ansturm von Öl-Lobbyisten. Das Problem, dass der Boden unter seinen Füssen nicht zuletzt dank dem weiteren Verkauf von fossilen Brennstoffen seiner arktischen Nachbarn weiter abschmilzt, bleibt bestehen.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal