Doppel-Expedition in die Russische Hocharktis | Polarjournal
Die Arctic Century Expedition wird an Bord der Akademik Tryoshnikov, einem russischen Forschungseisbrecher, durchgeführt. Aktuell liegt das Schiff in Kiel, wo es für die Expedition beladen wird. Foto: Jan Steffen, GEOMAR

Im August werden Wissenschaftler*innen aus der Schweiz, Russland und aus Deutschland mit dem russischen Forschungseisbrecher Akademik Tryoshnikov besonders abgelegene und unzugängliche Bereiche der Arktis bereisen, um dort Veränderungen in den empfindlichen Ökosystemen zu untersuchen. Zur Vorbereitung der Arctic Century Expedition liegt die Akademik Tryoshnikov aktuell im Kieler Ostuferhafen, um Ausrüstung  für die Forschungsarbeiten zu laden. «Das ist für uns sehr praktisch, weil wir unsere Geräte nicht aufwendig und teuer verfrachten müssen. Sie werden vor unserer Haustür abgeholt», sagt Dr. Heidemarie Kassens vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, die die Expedition leiten wird.
Etwa zur gleichen Zeit startet eine weitere Expedition in dieselbe Region. Mehr als 50 Studenten und Doktoranden verschiedener russischer Universitäten und Institute werden im Rahmen der russischen «Floating University» an Bord der Akademik Ioffe in acht Bereichen forschen.

Die Arctic Century Expedition wurde gemeinsam organisiert und vorbereitet vom Schweizerischen Polarinstitut (SPI), dem russischen Arktis- und Antarktis-Forschungsinstitut (AARI) und vom GEOMAR in Kiel. Aus Deutschland nehmen ferner auch Wissenschaftler*innen vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung teil. Sie ist als eine multidisziplinäre Forschungsfahrt ausgelegt, die sich auf sonst selten besuchte Regionen in der Kara- und Laptewsee sowie auf Franz-Josef-Land und Sewernaja Semlja in der westlichen Arktis konzentriert.

Bereits in vergangenen Jahren waren die Kieler Wissenschaftler an Bord der Akademik Tryoshnikov in der Arktis auf Expedition. Neben einem umfassenden Arbeitsprogramm an Land und auf Gletschern konzentrieren sich die marinen Forschungsarbeiten während der diesjährigen Arctic Century Expedition auf verschiedene Schlüsselgebiete in der Karasee. Foto: Carina Engicht

«Der Klimawandel schreitet in kaum einer Region der Erde so schnell voran wie hier. Vor Ort wollen wir die Auswirkungen auf das sensible arktische Umweltsystem studieren. Dazu werden wir ein umfangreiches multidisziplinäres Arbeitsprogramm durchführen. Das Besondere ist dabei die Kombination von terrestrischen, glaziologischen, marinen und meteorologischen Untersuchungen, denn im Rahmen dieser Expedition werden wir nicht nur auf hoher See, sondern auch auf kaum erforschten arktischen Inselgruppen arbeiten», erklärt Dr. Kassens.

Die Expedition startet offiziell Anfang August in Murmansk (Russland). Nach wenigen Tagen Transit sollen die ersten wissenschaftlichen Stationen in der Karasee erreicht sein. Danach ist ein umfangreiches terrestrisches und glaziologisches Arbeitsprogramm auf Franz-Josef-Land und Severnaya Zemlya geplant. Das marine Arbeitsprogramm konzentriert sich auf Schlüsselgebiete im Sankt-Anna-Trog, am Kontinentalrand der Karasee und in der zentralen Karasee. Die Expedition wird Anfang September nach Murmansk zurückkehren. In einem Blog werden die Teilnehmer*innen von ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen in der Arktis berichten.

Die beiden Inselgruppen liegen im russischen Sektor der Hocharktis um den 80. nördlichen Breitengrad und sind nicht zuletzt aufgrund ihrer extremen Abgelegenheit nur wenig erforscht. Franz-Josef-Land war zudem militärisches Sperrgebiet während des Kalten Krieges und auch heute noch benötigt man eine Genehmigung Russlands, um die Inseln besuchen zu dürfen. Die kleine Karte zeigt den Expeditionsverlauf der Arctic Century Expedition von Murmansk entlang der Ostküste von Nowaja Semlja in das geplante Untersuchungsgebiet und zurück. Karten: Google Earth/Julia Hager & Schweizerisches Polarinstitut 

Zeitgleich findet im selben Gebiet eine Expedition der «Floating University» statt. Studenten und Doktoranden werden gemeinsam mit führenden Wissenschaftlern im Rahmen der Schwimmenden Universität des Schirschow-Instituts für Ozeanologie der Russischen Akademie der Wissenschaften unter anderem die Ausbreitung von Plastik und die Klimaveränderungen in der Arktis untersuchen, so der Pressedienst des Jahres der Wissenschaft und Technologien in Russland. Mehr als 50 Studenten und junge Wissenschaftler verschiedener Universitäten und Institute in Russland werden an der Expedition in die Karasee an Bord des Forschungsschiffes Akademik Ioffe teilnehmen.

Auch auf dieser Expedition wird interdisziplinär geforscht, im Gegensatz zur Arctic Century Expedition konzentrieren sich die Teilnehmer jedoch nur auf den marinen Bereich. Sie werden ein breites Spektrum von physikalischen, biologischen und geochemischen Prozessen in der russischen Arktis untersuchen. Insbesondere werden sie die Ausbreitung der Plastikverschmutzung in der Arktis, die Veränderung des Abflusses von Ob und Jenissei sowie den Zustrom warmen Atlantikwassers in die nördliche Karasee untersuchen, der vermutlich zur Klimaerwärmung in der Arktis beiträgt.

Im selben Zeitraum und im selben Gebiet werden Studenten und Doktoranden im Rahmen der «Floating University» an Bord der Akademik Ioffe (hier vor Südgeorgien) verschiedene Forschungsarbeiten durchführen. Foto: Dr. Michael Wenger

Die Untersuchungen werden hauptsächlich in verschiedenen Gebieten der Karasee durchgeführt: in  Mündungsgebieten und mündungsnahen Bereichen der Flüsse Ob, Jenissei und Pjasina, in der Karastraße und der Vilkitski-Straße sowie in den Tiefwassertrögen von St. Anna und Voronin. Acht Teams werden an Bord des Schiffes in den Bereichen Hydrophysik, Hydrochemie, Hydrobiologie, Plastikverschmutzung, Meteorologie, Windwellen, Fernerkundung und seismische Akustik tätig sein.

Nach Abschluss der Expedition werden die Studenten und Doktoranden ihre Forschungsprojekte im Weltozeanmuseum in Kaliningrad verteidigen und wissenschaftliche Publikationen auf der Grundlage des gesammelten Materials erstellen.

Das Projekt wird mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft und Hochschulbildung der Russischen Föderation im Rahmen des für 2021 angekündigten Jahres der Wissenschaft und Technologie durchgeführt. Es wird erwartet, dass das Projekt Studenten und Doktoranden bei der Durchführung unabhängiger wissenschaftlicher Forschung hilft sowie Bedingungen für die Entwicklung neuer Kooperationen im Bereich der Meeresforschung schafft.

Pressemitteilungen GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel & TASS

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