Die Menopause, also der Stopp der Fortpflanzungsfähigkeit bei Weibchen, geschieht in der Tierwelt nur selten. Tatsächlich ist dieser biologische Mechanismus nur bei Menschen und einige Walarten bekannt. Nach Ansicht der Forschung könnte er ein Weg sein, das Überleben der Nachkommen zu sichern, weil die älteren Weibchen nicht mehr mit den Jüngeren konkurrieren müssen, sondern sich auf die verbesserte Aufzucht ihrer Enkel konzentrieren können. Bei Walen ist ein solches Verhalten unter anderem bei einer Orcagruppe bekannt geworden. Ein internationales Forschungsteam hat nun dasselbe Verhalten bei einer anderen, ökologisch unterschiedlichen Gruppe an der Westküste Kanadas überraschend entdeckt.
Die Orcaweibchen der untersuchten Gruppe, die zwischen Washington State und British Columbia lebt, zeigen ein ähnliches Menopausemuster wie die einzige bisher bekannte Orcagruppen in derselben Region. Doch letztere gehört zu den sogenannten «Residents», deren Mitglieder kaum die Gruppen wechseln. Dies führt zu einem höheren Verwandtschaftsgrad, je älter die Weibchen werden und damit auch zu einem grösseren Vorteil die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zugunsten des nahe verwandten Nachwuchs aufzugeben. Die neu untersuchte Gruppe, genannt die «Biggs-Orcas» zeigen nicht ein solch ausgeprägtes Sozialverhalten. Trotzdem fanden Erstautorin Mia Lybkaer Kronborg Nielsen und ihr Professor Darren Croft von der Universität Exeter ein ähnliches Alter für den Beginn der Wechseljahre und eine ähnlich lange Lebensspanne der Weibchen wie in der Residents-Population. «Diese unterschiedlichen Walpopulationen zeigen mit zunehmendem Alter eine steigende weibliche Verwandtschaft, aber – da dies bei Residents stärker ist als bei Biggs Orcas – ist nicht sofort klar, warum das Alter in den Wechseljahren und die Länge der postreproduktiven Lebensspanne bei beiden gleich zu sein scheint», erklärt Professor Croft. Die Studie ist in der Juli-Ausgabe der Fachzeitschrift Ecology and Evolution erschienen.
Gemäss der Theorie der Forscher müssten eigentlich die untersuchten Biggs-Orcas eine schwächere Tendenz zu Wechseljahren zeigen. Das bedeutet, später einsetzend und ein weniger lange Altersspanne der Fortpflanzungslosigkeit. «Frühere Studien über die Entwicklung der Wechseljahre konzentrierte sich auf residente Orcas, bei denen sowohl Männchen wie Weibchen in den sozialen Gruppen bleiben, in die sie geboren werden», erklärt Mia Lybkaer Krnonborg Nielsen. «Die Biggs-Orcas verlassen häufig die Gruppe, wenn sie das Erwachsenenalter erreichen. Dadurch sind die Weibchen ab rund 35 – 40, also bei Erreichen der Wechseljahre, weniger stark mit den Jungtieren und deren Mütter verwandt, als bei anderen Orcas. «Wir erwarteten, dass dies im Hinblick auf die Menopause wichtig ist, da eine schwächere Verwandtschaft den Weibchen einen schwächeren evolutionären Grund zu geben scheint, die Fortpflanzung einzustellen», erklärt Darren Croft weiter. Doch die Daten, die mehr als 40 Jahre und mehr als 500 Individuen umspannen, zeigten, dass die Annahme der Forscher falsch ist. Weibchen der Biggs-Orcas kamen im gleichen Zeitraum in die Wechseljahre und lebten praktisch ähnlich lange ohne Fortpflanzung wie die anderen Orcagruppen, mit denen sie nicht verwandt sind. Zwar ist die Lebensspanne von Biggs’Orcas länger (durchschnittlich 44 Jahre für Männchen, 59 für Weibchen). Doch dafür treten die Wechseljahre auch erst später bei Letzteren ein.
Gemäss den Schlussfolgerungen des Teams dürfte eine lange Menopause ein altes Merkmal bei Orcas sein und auch bei anderen Populationen und Ökotypen vorkommen. Bekannt ist, dass noch bei anderen Zahnwalen wie Belugas, Narwale und Grindwale die Menopause auftritt. Mit den Ergebnissen können Forscher nun weiterarbeiten und genauer untersuchen, welche Vorteile eine derartige Strategie bringt, auch im Hinblick auf die Interaktion mit Menschen. Denn zum einen sind Orcas und Menschen nicht unbedingt immer Freunde. Gerade dort, wo sich Residents mit Fischern um die wertvollen Speisefische wie Lachse oder Thunfische streiten, kommt es häufig zu Konflikten. Dazu meinen die beiden Mitautoren Thomas Doniol-Valcroze und Jared Towers von der kanadischen Fischerei- und Ozeanbehörde: «Die Ergebnisse tragen nicht nur zu einem besseren Verständnis der Tierevolution bei, sie haben auch erhebliche Auswirkungen auf den Naturschutz, indem sie die Bedeutung der Sozialstruktur für die Erholung dieser Populationen beleuchten.»
Dr. Michael Wenger, PolarJournal