Schwimmende AKWs für Bergbau in Tschukotka | Polarjournal
Das Abbaugebiet Peschanka (rot) liegt rund 425 Kilometer südwestlich von Pevek mitten in Tschukotka. Etwa auf halbem Weg liegt das KKW Bilibino, welches noch Strom für den Bau der Abbauanlage liefern soll. Ab 2027 sollen dann die schwimmenden AKWs in der Chaunskaya-Bucht über 500 Kilometer lange Stromleitungen Energie liefern. Karte: Michael Wenger via Google Earth

Der Ferne Osten Russlands gehört zu den rohstoffreichsten Regionen des Landes, gleichzeitig aber auch zu den am infrastrukturell ärmsten Gebieten. Besonders in der äussersten Region Tschukotka finden sich kaum Strassen und Leitungen zur Energieversorgung im Landesinnern. Doch gerade dort liegt eines der vielversprechendsten Abbaugebiete für Kupfer. Pläne, die dortigen Vorkommen abzubauen, bestehen schon länger. Doch nun hat die Betreiberfirma mit der staatlichen Rosatom ein Abkommen geschlossen zur Energieversorgung. Rosatom will mit insgesamt vier schwimmenden Atomkraftwerken ab 2026 Strom liefern.

Wie sowohl Rosatom wie auch die Besitzerin der Abbaufirma, KAZ Minerals bekanntgeben, wurde das Abkommen darauf abzielt, dass Rosatom für die nächsten vierzig Jahre die Energieversorgung des Bergbaugebietes sicherstellen wird und die Abbaufirma GDK Baimskaya LLC entsprechend dafür bezahlen wird. Der Vertrag, der noch erstellt werden muss, soll bis zum nächsten April von beiden Seiten unterschrieben werden, heisst es in den Mitteilungen. Um die Versorgung zu gewährleisten, sollen nach den Plänen von Rosatom insgesamt vier schwimmende Atomkraftwerke der neuesten Generation eingesetzt werden. Drei davon sollen die notwendige Energie liefern, eines bleibt als Ersatz vor Ort. Die AKWs sollen nahe der knapp 425 Kilometer Luftlinie entfernten Ortschaft Pevek in der Chaunskaya-Bucht liegen und via einer rund 500 Kilometer langen Leitung die Energie ins Peschanka-Gebiet liefern. Start des Projektes wird 2027 sein, zwei der Einheiten sind jedoch bereits im Bau, nach Angaben von Rosatom.

Seit 2019 liegt vor der Ortschaft Pevek bereits die «Akademik Lomonossow», das erste schwimmende AKW der Welt (grosses Bild). Das Schiff ist mit zwei KLT-40S-Reaktoren ausgestattet und liefert Strom und Wärme nach Pevek und bis ins Kraftwerk Bilibino. Die neuen geplanten AKWs (kleines Bild) werden mit stärkeren, kleineren RITM-200S-Reaktoren ausgestattet, die jeweils 50 MW Leistung liefern. Bilder: gross: Elena Dider CC BY-SA 3.0; klein: OKBM

Die geplanten OFPU (optimized floating power unit) werden mit zwei neuen, leistungsstärkeren Druckwasserreaktoren ausgestattet sein, die insgesamt 100 MW Leistung bringen werden. Gegenwärtig existiert nur ein schwimmendes AKW, die Akademik Lomonossow, die rund 30 Prozent weniger Leistung liefert. KAZ Minerals hat als benötigte Energieleistung für den Betrieb der Bergbauanlage rund 350 MW veranschlagt. Der Strom soll über eine mehr als 500 Kilometer lange Leitung von Pevek bis nach Peschanka transportiert werden. Die Schiffe werden mit einem dynamischen Positionierungssystem versehen. Noch unklar ist, ob sie selbstantreibend sein werden oder geschleppt werden müssen. Gemäss den Angaben des RITM-200S Herstellers sind die Reaktoren auf eine Laufzeit von 10 Jahren ausgelegt, bevor die Brennstäbe erneuert werden müssen. Dieselbe Art von Reaktoren wird in den neuesten Schiffen der russischen Atomeisbrecherflotte verwendet. Der Vorteile gegenüber der bisher verwendeten sind ihre reduzierte Grösse, ihre Laufzeit und ihre universelle Nutzbarkeit. Auch für ein Land-basiertes KKW in der russischen Region Jakutien wird der Reaktortyp verwendet werden. Für Rosatom ist das neue Projekt eine Prestigesache, denn die schwimmenden Reaktoren könnten sich zu einem Exportschlager entwickeln.

Das geplante Abbaugebiet liegt rund 425 Kilometer Luftlinie südwestlich von Pevek in einer abgelegenen Region. Schon seit 1972 ist bekannt, dass es dort reichhaltige Mineralienlager geben soll. Doch erst 2011 wurden ernsthaftere Erfolgs- und Machbarkeitsstudien durchgeführt. Diese kamen zum Schluss, dass die Region eines der grössten Kupfervorkommen aufweist und pro Jahr rund 250’000 Tonnen Kupfer produzieren kann. Daneben haben die Prospektoren auch signifikante Gold- und Molybdänvorkommen geortet. Die Goldproduktion soll rund 1’100 Kilo des Edelmetalls betragen, gemäss den Angaben von KAZ Minerals. Gegenwärtig sei eine Profit-Projektstudie im Gange, die mit dem jetzt getroffenen Abkommen einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht hat. Insgesamt belaufen sich die Kosten für das Projekt auf rund US$ 8 Milliarden, von denen KAZ Minerals nur einen Teil tragen wird.

Schwimmende Kernkraftwerke. Leitungen und LKW-durch die Tundra und ein Tageabbau, der Alptraum eines jeden Natur- und Umweltschützers. Umweltstudien, die von unabhängigen russischen Stellen erstellt worden sind, haben bereits auf verschiedene potentielle Gefahren hingewiesen, aber auch die wirtschaftlichen Vorteile in der wirtschaftsschwachen Region berechnet. Bild: KAZ Minerals

Abgebaut werden sollen die Rohstoffe im Tagebau, das heisst an der Oberfläche. Die Rohstoffe werden danach per LKW nach Pevek gebracht und von dort mit dem Schiff nach Asien zur Weiterverarbeitung transportiert. In Pevek selbst soll rund 20 Kilometer von der Ortschaft entfernt eine Verschiebestation für die Logistik zwischen Abbaugebiet und der restlichen Welt sorgen. Eine unabhängige Studie hat die potentiellen Gefahren für die Umwelt und die Bevölkerung analysiert und neben den Emissionen von verschiedenen Schadstoffen und Staub auch auf den Beitrag zum Klimawandel ausgewiesen. Zusätzlich besteht die Gefahr von Verschmutzung der zahlreichen Flüsse in der Region, Schädigungen an Tieren und Pflanzen und vor allem am Boden. Zahlen wurden jedoch keine genannt. Auch die Auswirkungen auf die Bevölkerung werden von der Studie aufgeführt, sowohl die positiven wie auch die negativen. Vor allem die indigene Bevölkerung mit ihren Rentierherden könnte stark direkt und indirekt vom Projekt beeinflusst werden, heisst es in der Studie. Und trotz der wirtschaftlichen Vorteile sei von Seiten der betroffenen Bevölkerung auch Widerstand gegen das Projekt entstanden, schreibt der Environmental Justice Atlas. Aber das Ministerium für die Entwicklung des Fernen Ostens, regierungsnahe Stellen und die Verwaltung in Anadyr stehen dem Grossprojekt wohlwollend gegenüber. Deswegen werden wohl ab 2026 schwimmende AKWs für eine strahlende Zukunft in Tschukotka sorgen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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