Antarktische Böden ohne jegliches Leben | Polarjournal
Probennahme im Transantarktischen Gebirge in der Nähe des Shackleton-Gletschers. Dort ist der Boden extrem trocken, kalt und salzig. Bedingungen, bei denen selbst Mikroorganismen an ihre Grenzen stoßen. Foto: Noah Fierer

Während auf dem Mars nach Spuren von Leben gesucht wird, haben Forscher auf der Erde eine Region gefunden, in der keinerlei Leben möglich zu sein scheint. Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangenen, dass Mikroben in jeder Umgebung, sei sie noch so heiß, kalt, salzig oder sauer, existieren können, wenn sie genügend Zeit haben, sich anzupassen. Ein internationales Forscherteam hat allerdings bei der Analyse von Bodenproben aus dem Transantarktischen Gebirge keinerlei Anzeichen für mikrobielles Leben entdeckt. Die Berge inmitten des antarktischen Kontinents könnten somit die einzige bekannte Region auf der Erde sein, die nicht einmal extremophilen Mikroorganismen erlaubt zu überleben.

Das Transantarktische Gebirge erstreckt sich von Victoria Land am Ross Eisschelf entlang  bis zum Queen Elizabeth Land. Die Probennahme erfolgte in einem Tal in der Nähe des Shackleton-Gletschers (roter Punkt). Karte: Julia Hager / Australian Antarctic Division

Keine Umgebung scheint Mikroorganismen zu lebensfeindlich zu sein und sie von einer Besiedlung abzuhalten — man findet sie massenhaft in den kochend heißen und sauren Quellen des Yellowstone-Nationalparks, in den bis zu mehrere hundert Grad heißen Schwarzen Rauchern am Meeresboden und in den Trockentälern der Antarktis, einem der trockensten Orte der Erde. Eine aktuelle Studie, die im Journal of Geophysical Research veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass die kältesten, trockensten und salzigsten Böden des Transantarktischen Gebirges Mikroben scheinbar an die Grenze des Möglichen bringen. Wie von Antarctic Sun berichtet, können die Wissenschaftler sich jedoch nicht absolut sicher sein, dass diese Böden vollkommen steril sind. Falls es Leben geben sollte, dann unterhalb der Nachweisgrenzen. Noah Fierer, Mikroökologe an der University of Colorado Boulder und Co-Autor der Studie, sagt gegenüber Antarctic Sun: «Mikroben können im Grunde alles tolerieren, und doch haben wir hier den Beweis, dass das vielleicht nicht immer der Fall ist.» 

«Wenn wir davon ausgehen können, dass diese Böden in der Antarktis eine Art Analogie für eine Studie über den Mars sind, müssen wir uns darauf einstellen, dass dort vielleicht einfach nichts zu finden ist.»

Noah Fierer, Mikroökologe an der University of Colorado Boulder und Co-Autor der Studie

Mikroorganismen sind die häufigste Lebensform auf der Erde, sie kommen überall vor und machen heute etwa 15 Prozent der gesamten Biomasse aus. Anhand der Ergebnisse können die Forscher Bedingungen identifizieren, unter denen es selbst den widerstandsfähigsten von ihnen unmöglich ist, zu überleben. Damit ergibt sich auch eine Bedeutung für die Frage, ob es Leben auf anderen Planeten wie beispielsweise dem Mars gibt. Der Mars ist ebenfalls extrem kalt, trocken und salzig, sodass Mikroorganismen dort möglicherweise gar nicht überleben können.

Eine der 200 Bodenproben, die die Forscher in der Region um den Shackleton-Gletscher genommen haben. Foto: Noah Fierer

Die Grenzen des Lebens

Das Forschungsteam sammelte im antarktischen Sommer 2017/2018 mehr als 200 Bodenproben an zehn verschiedenen Standorten im Transantarktischen Gebirge in der Region des Shackleton-Gletschers in unterschiedlichen Meereshöhen von wenigen hundert Metern bis über 7.000 Metern, um möglichst viele verschiedene Bedingungen abzudecken.
Zurück im Labor analysierten sie die Proben auf Spuren von DNA und trugen Aufschlämmungen der Bodenproben auf Nährboden auf, um festzustellen, ob mikrobielle Kolonien wuchsen. Zuletzt untersuchten sie, ob die Proben Glukose verbrauchten und Energie erzeugten.

Die Böden in höheren Lagen und weiter im Landesinneren sind laut der Forscher im Allgemeinen trockener und salziger und sie wiesen weniger Mikroben auf. In etwa einem Fünftel aller Proben konnten sie keinerlei Anzeichen für lebensfähiges mikrobielles Leben nachweisen. «Die Umweltbedingungen, die mit zunehmender Höhe im Shackleton Glacier Valley immer schwieriger werden, schränken das mikrobielle Leben so weit ein, dass wir es mit den gängigen Methoden nicht mehr nachweisen können», so Nick Dragone, Mikroökologe an der University of Colorado Boulder und Hauptautor der Studie. «Und dieses Muster ist wirklich interessant.»

Byron Adams, Ian Hogg and Geoff Schellens, Mitglieder des Forschungsteams, auf dem Gipfel des Mount Speed im Tal des Shackleton-Gletschers. Foto: Noah Fierer

Die Forscher vermuten, dass die Kombination der extremen Bedingungen die Besiedlung der Böden durch Mikroorganismen verhindert. «Mikroben können jede dieser Bedingungen einzeln tolerieren», so Fierer. «Sie können extrem niedrige Temperaturen vertragen. Sie können hohe Salzkonzentrationen tolerieren. Sie können einen Mangel an flüssigem Wasser tolerieren. Aber ich denke, dass diese Böden, in denen wir keine Mikroben nachweisen können, eine Art Kombination aus allen drei Faktoren sind. Sie haben es mit einem Hattrick an Herausforderungen zu tun.»

Als nächstes sollen die Proben untersucht werden, in denen die Forscher Mikroben gefunden haben, um herauszufinden, wie diese mit den lebensfeindlichen Bedingungen umgehen. Die meisten der nachgewiesenen Mikroorganismen waren Pilze, was darauf hindeutet, dass Pilze möglicherweise am besten an widrige Umgebungen angepasst sind.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Dragone, N. B., Diaz, M. A., Hogg, I. D., Lyons, W. B., Jackson, W. A., Wall, D. H., et al. (2021). Exploring the boundaries of microbial habitability in soil. Journal of Geophysical Research: Biogeosciences, 126, e2020JG006052. https://doi.org/10.1029/2020JG006052

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