Neue nördlichste Insel vor Grönland entdeckt | Polarjournal
Die winzige Insel besteht hauptsächlich aus kleinen Schlick- und Kieshügeln. Sie könnte das Ergebnis eines großen Sturms sein, der mit Hilfe des Meeres nach und nach Material vom Meeresboden zusammengeschoben hat. Foto: Julian Charriere/via REUTERS

Polarforscher aus Dänemark und der Schweiz entdeckten bei einer Expedition in Nordgrönland im Juli überraschend eine kleine Insel, die nun als nördlichste Insel der Erde gilt. Eigentlich waren die Forscher nach Nordgrönland gekommen, um wissenschaftliche Proben zu sammeln und Daten von bereits existierenden Monitoringstationen herunterzuladen, unter anderem auf der bisher angenommenen nördlichsten Insel Oodaaq. Erst später realisierten sie, dass die vor Ort ermittelten Koordinaten nicht mit der Lage von Oodaaq übereinstimmten.

In Wirklichkeit waren die Forscher mit dem Helikopter auf einer Insel gelandet, die 780 Meter nördlich von Oodaaq liegt, wie die Universität Kopenhagen berichtet. Das kleine Eiland mit einer Größe von 30 x 60 Metern wurde offenbar durch die Verschiebung des Packeises freigelegt. Mit dieser Entdeckung vergrößert sich das Territorium von Grönland und des Königreichs Dänemark, wenn auch nur unwesentlich. Laut Reuters schlug das Team vor, die Insel «Qeqertaq Avannarleq» zu nennen, was auf grönländisch «Nördlichste Insel» bedeutet.

Die neue Insel liegt etwas nördlich von Oodaaq vor dem Kap Morris Jesup, knapp 700 Kilometer vom Nordpol entfernt. Karte: Julia Hager/GoogleEarth 

«Wir waren überzeugt, dass es sich bei der Insel, auf der wir standen, um Oodaaq handelte, die bis dahin als die nördlichste Insel der Welt registriert war. Aber als ich Fotos der Insel und ihre Koordinaten in den sozialen Medien veröffentlichte, drehten einige amerikanische Inseljäger durch und meinten, das könne nicht stimmen», erklärt Expeditionsleiter Morten Rasch vom Fachbereich Geowissenschaften und Management natürlicher Ressourcen der Universität Kopenhagen und Leiter der grönländischen Forschungseinrichtung Arctic Station.

‘Inseljäger’ sind Abenteurer, die es sich zum Hobby gemacht haben, unbekannte Inseln zu entdecken. Auf ihre Kommentare in den sozialen Medien hin kontaktierten Rasch und seine Kollegen einen Experten der Technischen Universität Dänemark. «Gemeinsam mit der DTU wurden wir darüber informiert, dass ein Fehler in meinem GPS vorlag, der uns glauben ließ, wir befänden uns auf der Insel Oodaaq. In Wirklichkeit hatten wir eine neue Insel weiter nördlich entdeckt, eine Entdeckung, die das Königreich nur geringfügig vergrößert», so Rasch. Das GPS des Hubschraubers bestätigte dies.

Die Schweizer Unternehmerin Christiane Leister, Gründerin der Leister-Stiftung, die die Expedition finanzierte. Foto: Julian Charriere/via REUTERS

«Alle waren froh, dass wir das gefunden hatten, was wir für die Insel Oodaaq hielten», sagte die Schweizer Unternehmerin Christiane Leister gegenüber Reuters, Gründerin der Leister-Stiftung, die die Expedition finanzierte. «Es ist ein bisschen wie bei Entdeckern in der Vergangenheit, die dachten, sie seien an einem bestimmten Ort gelandet, aber in Wirklichkeit einen ganz anderen Ort gefunden haben.»

Die Insel besteht laut Rasch aus Meeresschlamm und Moräne — Gestein und Erde, das Gletscher zurückgelassen haben — und weist eine maximale Höhe von etwa drei Metern  über dem Meeresspiegel auf. Da sie bei Flut nicht komplett überspült wird, erfüllt sie Rene Forsberg zufolge, Professor und Leiter der Abteilung für Geodynamik am Nationalen Weltrauminstitut Dänemarks, alle Kriterien einer Insel. Wie lange sie jedoch erhalten bleibt, kann nicht vorhergesagt werden. Die Forscher vermuten, dass es sich um eine ‘kurzlebige’ Insel handelt, die schon mit dem nächsten starken Sturm wieder verschwinden könnte. Einen direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel hat die Verschiebung des Packeises nach Ansicht der Forscher nicht

Henrik Lassen, Cheflogistiker der Leister-Expedition auf der neuen nördlichsten Insel. Foto: Julian Charriere/via REUTERS

Die Entdeckung neuer Inseln in so geringer Entfernung zum Nordpol könnte einen Unterschied machen im Kampf der arktischen Nationen um die Kontrolle des Nordpols, des Meeresbodens, der Fischereirechte und der Schifffahrtsrouten, die durch den Rückgang des Meereises infolge des Klimawandels freigelegt werden. Forsberg glaubt jedoch nicht, dass die Entdeckung etwas an den Gebietsansprüchen von Dänemark ändert. «Diese kleinen Inseln kommen und gehen», sagt er.

Julia Hager, PolarJournal

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