Es gibt viele Möglichkeiten, auf den Klimawandel und dessen Effekte auf die Polarregionen aufmerksam zu machen. Sei es mit wissenschaftlichen Expeditionen wie MOSAiC, Appellen auf Social-Media-Kanälen oder mit extremen Taten. Mit letzterem macht der britische Extremschwimmer Lewis Pugh seit Jahren auf die Bedrohungen aufmerksam. Er stellt Weltrekorde in Langdistanzschwimmen auf und scheut sich auch nicht vor den eisigen Gewässern der Antarktis und Arktis. Nun hat er einen neuen Rekord aufgestellt: Als erster Mensch durchschwamm er den Eisfjord in Ilulissat, Westgrönland, in einem Mehrtages-Schwimmen.
Seit dem 26. August verbrachte der 52-jährige Brite fast jeden Tag in den eisigen Fluten des Eisfjordes vor Ilulissat. In insgesamt 12 Tage legte er dabei eine Strecke von 7.8 Kilometern zurück, zwischen Eisbergen und Treibeis. Im Vorfeld hatte sich der Extremsportler sehr genau auf diese Aufgabe vorbereitet, wurde jedoch von den kälteren Temperaturen wortwörtlich eiskalt erwischt. Die Wassertemperatur im Fjord betrug rund 0°C, weniger als gedacht. «Wir hofften auf 3°C Wassertemperatur heute, hatten aber nur 0°C», schreibt Lewis Pugh in seinem Blog am Starttag. «Nur ein paar Grade kälter, aber der Unterschied zwischen Leben und Tod.»
Zwischen Eisbergen und Treibeis hat sich Lewis Pugh in den vergangen 12 Tagen durch den Eisfjord von Ilulissat gekämpft. Ein Betreuerteam verfolgte den Rekordversucht und kontrollierte auch den Zustand von Pugh, da noch nie zuvor ein mehrtägiges Schwimmen in 0°C durchgeführt worden war. Video: Michael Booth SP Films (via Facebookpage of Lewis Pugh)
Auch starke Strömungen und gefährliches Treibeis, das an einigen Tagen den Fjord fast komplett füllte, behinderten Pugh. Am ersten Tag legte Pugh daher «nur» insgesamt 1’029 Meter in zweimal 10 Minuten zurück. An anderen Tagen lief es für den Briten aber besser und er erreichte grössere Distanzen. Doch insgesamt kam der eigentlich ausgezeichnet vorbereitete Extremsportler öfters an seine Grenzen. «Das war ein extrem herausforderndes Schwimmen. Nicht nur wegen der Kälte, und nicht nur, weil ich Tag für Tag im eiskalten Wasser schwimmen musste, ohne dass sich mein Körper erholen konnte, sondern weil die Bedingungen auch sehr tückisch waren.»
Der Rekord von Lewis Pugh ist es, dass zum ersten Mal ein Mensch in den polaren Gewässern mehrere Tage geschwommen ist. Da dazu keine realen Daten für die Mediziner existierten, wurde Lewis Pugh streng kontrolliert. «Vor dem Schwimmen betrug meine Körpertemperatur über 38° wegen der Aufregung. Auch während dem Schwimmen blieb sie hoch», erklärt er in einem Blog-Video. «Doch sobald ich aus dem Wasser kam, floss kaltes Blut in mein Zentrum und die Temperatur fiel auf knapp über 35°C. Es dauerte 2 Stunden und 36 Minuten, um mich wieder auf eine normale Kerntemperatur zu bringen.» Diese Dauerbelastung ist sowohl für Körper wie auch Geist enorm anstrengend.
Neben den physiologischen Schwierigkeiten mussten Pugh und sein Team auch mit den Tücken der Natur umgehen. Eisberge, die wie ein Pfropf den Eisfluss des Jakobshavn-Gletschers blockiert hatten, brachen auseinander und es flossen auf einen Schlag derart viel Eis aus, dass ein Schwimmen als nicht mehr sicher angesehen wurde. «Alles wurde härter. Das Wasser war kälter, die Lufttemperaturen sanken, und ich hatte mit den scharfen Kanten des rauen Eises zu kämpfen», erklärt Pugh dazu. Dies führte zu einem tagelangen Warten, bis sich die Bedingungen wieder verbesserten. «Die Umwelt lehrt einen, Geduld zu haben», schrieb er in einem Blog-Eintrag.
„Ich schwimme zwischen Eisbergen und friere, weil die Welt immer wärmer wird.“
Lewis Pugh
Mit seinem Rekord will Lewis Pugh aber nicht nur seine eigenen Grenzen ausloten. Seine Mission ist es, einmal mehr die Öffentlichkeit auf den rasanten Klimawandel und dessen Effekte aufmerksam zu machen. Und der Fjord von Ilulissat ist dabei der perfekte Ort. Denn zum einen ist es eine UNESCO-Weltnaturerbestätte, wird von einem der an den schnellsten fliessenden Gletschern der Welt, dem Jakobshavn-Gletscher mit Eis gespiesen, spielt eine wichtige Rolle für die Bewohner der Region dank seinem Fischreichtum und wird, wie viele Teile in Grönland vom Klimawandel stark negativ beeinflusst. «Der Grund, warum ich dieses Schwimmen durchgeführt habe, ist klar: Wir sind auf Eis angewiesen, um zu überleben. Eis hält unseren Planeten kühl genug, damit wir leben können. Aber wir verlieren es schnell. Kein Eis, kein Leben.» Doch «Schwimmen in eisigen Gewässern, um globale Erwärmung zu beweisen?» lautete eine Frage einer Followerin. «Ja, das ist Ironie», antwortet er dazu. «60 Kilometer vom Eingang des Ilulissat-Fjords zerbröselt der grönländische Eisschild und liefert all diese Eisberge hier. Ich schwimme zwischen Eisbergen und friere, weil die Welt immer wärmer wird.»
Lewis Pugh (52) ist ein britischer Extremschwimmer und Umweltaktivist. Seit 2003 hat er mit zahlreichen Schwimmaktionen in allen Ozeanen, besonders in den Polarregionen, auf Klimawandel und Umweltverschmutzung aufmerksam gemacht. Dabei stellte er einige spektakuläre Rekorde auf. Beispielsweise schwamm er als erster Mensch die gesamte Themse hinab, schwamm jeweils einen Kilometer nahe am Nordpol und auf dem antarktischen Kontinent. Daneben tritt er als Vortragsredner zu den Themen auf und macht auch Staats- und Regierungschefs auf die Probleme aufmerksam. Mit seiner Stiftung „Lewis Pugh Foundation“ setzt sich der ehemalige Anwalt für Internationales Seerecht für den Schutz der Ozeane ein.
Mehr dazu auf der Webseite von Lewis Pugh und seiner Stiftung
Dr. Michael Wenger, PolarJournal