Clean Arctic – Russisches Projekt räumt in der Arktis auf | Polarjournal
In vielen Teilen der russischen Arktis wurden menschliche Hinterlassenschaften einfach stehengelassen. Teilweise mit noch Diesel und Öl gefüllte Fässer stehen noch zu hunderttausenden auf den Inseln entlang der Nordostpassage. Bild: Heiner Kubny

Der menschliche Einfluss auf die Arktis ist schon seit Jahrtausenden vorhanden. Doch erst mit der Industrialisierung und der extensiven Nutzung der arktischen Regionen kam auch das Problem von Müll und Schrott in den hohen Norden. In Russland, welches die längste Küste der Arktis besitzt, liegt der Müll, besonders aus der Sowjetzeit, immer noch an den ökologisch sensiblen Orten wie Stränden und Flussufer oder einfach mitten in der Tundra. Gastautor Dmitry «Mitya» Kiselev, Polarguide und Historiker, stellt hier ein ganz neues und scheinbar effizientes Projekt für Müllsammeln in der Arktis vor: Clean Arctic.

Müll aller Art, der sich in den Jahrzehnten seiner wirtschaftlichen und militärischen Entwicklung in der russischen Arktis angehäuft hat, ist längst zu einem nationalen Problem geworden. Allein die Menge an Treibstofffässern, die entlang der russischen arktischen Küsten versenkt werden, wird auf 12 Millionen geschätzt! Im Jahr 2010 kündigte die russische Regierung eine umfassende Säuberung an, die von der Russischen Geografischen Gesellschaft zusammen mit einigen Wirtschaftsunternehmen und öffentlichen Verbänden unterstützt wurde.

Auf dem Franz-Josef-Land-Archipel hat Russland eine seiner neuesten Basen errichtet. Zuvor wurde jedoch die gesamte Alexandra-Insel, auf der die Basis steht, vom Müll aus der Sowjetzeit befreit. Bild: Vadim Savitzky

Im Jahr 2011 begannen die ersten Arbeiten auf der Insel Alexandra Land, Franz Josef Land, einem Schlüsselpunkt der sowjetischen Militärpräsenz in den höchsten nördlichen Breiten vor den 1990er Jahren. In nur einem Jahr wurde die gesamte Insel geräumt: Im Laufe des Betriebs wurden 47’500 Ölfässer mit einem Gesamtgewicht von 1’892 Tonnen gesammelt, gepresst und auf das russische Festland transportiert. Etwa 1’744 Tonnen Brenn- und Schmierstoffe wurden gefördert und zur Zwischenlagerung abgepumpt. Gleichzeitig wurden 4’119 Tonnen verschiedener Metallschrotte und 4’797 Tonnen anderer fester Abfall aus dem gleichen Gebiet gesammelt. 2013 wurden die Aufräumarbeiten auf den Inseln Rudolph, Hayes, Hoffmann und Graham Bell durchgeführt.

Die kleine Siedlung Anderma in der Nenzen-Region steht als Symbolbild, was machbar ist bei Müllbeseitigungsprojekten. Die knapp 500 Einwohner grosse Siedlung wurde 2014 komplett aufgeräumt und der Boden gereinigt. Bild: Sevprostor via Wki Commons

Im Jahr 2014 wurde die Siedlung Amderma im Autonomen Kreis der Nenzen von Müll aus der Sowjetzeit geräumt. Spezialisten sammelten Altmetall und reinigten eine Fläche von 40’000 Quadratmetern mit umweltfreundlichen Reinigungsmitteln. Leider wurde jeder weitere Fortschritt des Reinigungsprojekts aufgrund der Abgelegenheit und Unzugänglichkeit vieler arktischer Gebiete verlangsamt.

Das Promotionsvideo des Projektes «Clean Arctic» zeigt, wie mit Freiwilligen an zahlreichen Stränden und Regionen Schrott und anderer Müll aufgeräumt wird. Das Projekt selbst geht auf eine Initiative von Polarkapitänen zurück, die in der Region viel unterwegs sind. Video: Clean Arctic

Anfang dieses Jahres wurde eine öffentliche Initiative zur Verstärkung der Reinigungsbemühungen in der russischen Arktis von zwei Polarnavigatoren – Kapitän Dmitriy Lobusov des atomgetriebenen Eisbrechers „50 Let Pobedy“ und Kapitän Gennadiy Antokhin – vorgeschlagen. Anfang Juli wurde das neue Projekt mit dem Namen „Clean Arctic“ in der Bürgerkammer der Russischen Föderation – einem 2006 von der Regierung gebildeten Beratungsorgan – vorgestellt. Mitte Juli brachte der Eisbrecher „50 Let Pobedy“ den Forscher und Künstler Fyodor Konyukhov zum Nordpol. Eines seiner Ziele bei dieser Mission war die Beurteilung des Mikroplastikreichtums in den arktischen Gewässern. Die zweiwöchige Forschungsarbeit war aber auch ein Versuch, das Projekt «Clean Arctic» einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Im August formierten sich im Rahmen von «Clean Arctic» an einigen stark verschmutzten Stellen des hohen Nordens erste Gruppen freiwilliger Reinigungskräfte. Mitte September veröffentlichte die Projektleitung erste Ergebnisse ihrer Aktivitäten. In einem Monat wurden etwa 600 Tonnen Altmetall gesammelt und für die Entsorgung in verschiedenen Gebieten vorbereitet, wie zum Beispiel im Petschora-Tal (Autonomes Gebiet Yamalo-Nenezki), an der Küste des Weissen Meeres und die historische Festung Novodwinskaja in der Nähe von Archangelsk. Russische Militärs machen einen ähnlichen Job. Laut Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums hat die „Umwelteinheit des zentralen Militärbezirks“ seit Anfang Juni 2021 rund 750 Tonnen Schrott in der russischen Arktiszone gesammelt, das sind 150 Tonnen mehr als geplant. Soldaten zerlegten und zerschnitten 25 Metallkonstruktionen und Treibstofftanks, pressten mehr als 5’500 Ölfässer und bereiteten gesammeltes Material für den Transport vor. Alle diese Arbeiten wurden auf dem Territorium einer ehemaligen Militäreinheit in der Nähe des Dorfes Volochanka (Taimyr-Halbinsel) durchgeführt.

Dmitry „Mitya“ Kiselev

Link zur Webseite des Projekts: Clean Arctic

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