Wer letztes Jahr eine Antarktisreise geplant und auf diese Saison gebucht oder verschoben hatte, brauchte in den vergangenen Monaten ziemlich viel Geduld. Denn bis vor kurzem war nicht klar, ob die Saison 21/22 tatsächlich stattfinden wird oder nicht. Viele Unsicherheiten in Bezug auf COVID machten es sowohl für die sogenannten «Gateway»-Länder wie auch für die Anbieter kaum möglich, gesicherte Informationen herauszugeben. Doch praktisch in letzter Minute haben nun die beiden Hauptländer Chile und Argentinien de facto grünes Licht gegeben und den Startschuss für einen Neuanfang der Antarktisreisen abgefeuert.
Beide Länder haben in den Medien die Einreisebestimmungen, die für ausländische Gäste gelten, bekanntgegeben, bzw. angepasst. Besonders die Ankündigung von Chile, die fünftägige Quarantänepflicht für Reisende in die Region Magallanes, in der auch Punta Arenas liegt, anders als bisher zu gestalten, dürfte für Aufatmen sorgen. Ausländische Gäste werden bei Ankunft in Santiago de Chile in einem speziellen Bereich des Flughafens gebracht, wo sie sich einem erneuten PCR-Test unterziehen müssen. Fällt dieser negativ aus, kann die Weiterreise mit Charterflügen, die als «Korridore» fungieren, angetreten werden. Die bisher angeordnete Quarantäne fällt damit weg. Weiter beibehalten wird jedoch die Zertifikatspflicht (vollständig geimpft, mindestens 14 Tage seit endgültiger Dosis), die Registrierung vor der Einreise, der Versicherungsnachweise und die Vorgaben der Fluggesellschaften. Diese verlangen ebenfalls in der Regel einen maximal 72 Stunden alten negativen PCR- oder Antigentest.
Für die gebeutelte Tourismusindustrie Chiles sind die Nachrichten Musik. Zwar hatten schon vor einigen Wochen erste Anbieter ihre Absicht bekräftigt, ihre Gäste ab Punta Arenas oder Puerto Williams in Richtung Antarktis zu bringen. Doch die vorherige Regelung mit der Quarantänepflicht hätte nach Angaben der Verantwortlichen kaum Reisende angelockt. Mit der neuen Massnahme hofft man zwar, einen Kompromiss zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und dem wirtschaftlichen Neustart der stillgestandene Tourismusbranche erreicht zu haben. Trotzdem bleiben Bedenken, vor allem in der Umsetzung. Denn die PCR-Test benötigen zum einen einige Stunden bis das Resultat vorliegt; zum anderen bestehen die Befürchtung, dass die Testkapazitäten nicht ausreichen und unter einem möglichen Ansturm kollabieren könnten, da die Regelung auch für inländische Reisende besteht.
Auch Argentinien und besonders Tierra del Fuego mit Ushuaia als Hauptstartpunkt haben weitere Informationen in Bezug auf die kommende Antarktissaison veröffentlicht. Einerseits hat Argentinien definitiv die Einreise für internationale Gäste ab dem 1. November wieder erlaubt. Entsprechend sind die Fluggesellschaften und die argentinische Luftfahrtbehörde daran, die Pläne auszuarbeiten. Die Behörde hat erste Massnahmen für die Abwicklung auf ihrer Webseite veröffentlicht. Für Ausländer, die ab dem 1. November wieder nach Argentinien einreisen können, gelten Impfzertifikat mit vollständiger Impfung mindesten 14 Tage vor Ankunft, ein negativer, maximal 72-Stunden alter PCR-Test, ein Antigen-Test bei Ankunft, ein Versicherungsnachweis und die Pflicht, sich fünf und sieben Tage nach Einreise nochmals einem PCR-Test zu unterziehen. Ob und wie die letztere Massnahme für Antarktisreisende durchgeführt werden soll, ist jedoch immer noch nicht klar.
Doch in Ushuaia ist man nun guter Dinge, was die kommende Saison anbelangt. Nach Angaben der Hafenbehörden haben sich 37 Schiffe für insgesamt 243 Besuche ab dem 7. November angemeldet. Bis März wollen die Anbieter ihre Abfahrten ab der südlichsten Stadt der Welt aufrecht halten. Deswegen befürchtet man auch keinen grossen Konkurrenzkampf mit Chile in dieser Saison. Denn auch einige der neueren Anbieter werden ab Ushuaia losfahren und nicht nach Chile ausweichen. Aber auch hier ist man noch vorsichtig mit dem Korken knallen lassen. Denn man weiss, dass die Lage angespannt bleibt, was den Tourismus anbelangt. Doch Grund für verhaltenen Optimismus gibt es mit den Neuigkeiten allemal.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal