Seilziehen um arktisches Öl in Europas Norden? | Polarjournal
Norwegens nördlichster Aussenposten, der Svalbardarchipel, wird von der Regierung in Oslo verwaltet und weite Teile sind vor Schweröl-betriebenen Schiffen geschützt. Doch in der südlich gelegenen Barentssee will Norwegen weiter nach Erdöl bohren. Bild: Michael Wenger

Fossile Brennstoffe sind schädlich für das Klima und tragen substantiell dazu bei, dass die Arktis zu den sich am stärksten erwärmenden Regionen der Erde gehört. Doch unglücklicherweise liegen gerade in den Schelfregionen der nördlichen Meere noch grosse Mengen an fossilen Brennstoffen. Und genau diese wollen einige Arktisnationen trotz aller Bedenken weiterhin fördern. Dazu zählt auch Norwegen, dessen Wohlstand zu einem wesentlichen Teil dem «Schwarzen Gold» zu verdanken ist. Doch nun hat die EU in ihrer neuen und umfangreichen Arktisstrategie klar gemacht, alles dafür zu tun, dass diese Rohstoffe in Zukunft unter der Erde bleiben. Ein weiterer Streit zwischen den Partnern scheint unvermeidlich.

Die neue norwegische Regierung unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsident Jonas Gahr Støre hat seit vergangenem Mittwoch ihre Arbeit aufgenommen und bereits klargestellt, in welche Richtung das Land in den nächsten Jahren gehen soll. Besonders interessant sind die Energie- und die Umweltpolitik, deren zuständige Ministerien von den Parteikollegen von Ministerpräsident Støre, Marte Mjøs Persen als Energieministerin und Espen Barth Eide als Umweltminister, geleitet werden. Denn die Regierung hat erklärt, dass ihre Klima- und Umweltpolitik einerseits darauf ausgerichtet sein wird, bis 2050 komplett Kohlenstoff-neutral zu werden, gleichzeitig aber «gerecht» sein soll. Andererseits will man aber an der Erdölförderung festhalten und sicherstellen, dass die Industrie nicht in der Versenkung verschwinden wird. Man werde, so die Regierung in ihrer Erklärung, «den Boden für ein anhaltend hohes Aktivitätsniveau auf dem Schelf vorbereiten». Das bedeutet, dass man an der bereits existierenden Lizenzvergabepolitik für Förderungen auch in den arktischen Gewässern festhalten werde. Dies hatte bereist die konservative Vorgängerregierung getan und Lizenzen für Förderungen nahe dem Svalbardarchipel versteigert. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch damals aus.

In den norwegischen Gewässern des Kontinentalsockels sind zahlreiche Plattformen auf der Suche nach Erdöl. Die tiefen Preise liessen in der Vergangenheit die Investitionen sinken. Doch nun steigt der Preis wieder rasant an, Folgen damit auch neue Investoren in Norwegens arktische Regionen? Karten: Norwegian Petroleum (links) / Grind Arendal (rechts)

Mit ihrer Entscheidung, an den Förderplänen festzuhalten, reiht sich Norwegen in die Liste der Arktisstaaten wie USA, Kanada und Russland ein, die ebenfalls ihn ihren arktischen Gebieten nach Erdöl- und Erdgas bohren. Dagegen hat Grönland bereits ein Förderstopp in seinen Gewässern ausgesprochen und auch Island, Schweden und Finnland sind einem Stopp der Förderungen nicht abgeneigt. Unterstützung für diese Pläne kommt seit neuestem aus Brüssel von der EU. Diese hat sich in ihrer vor kurzem veröffentlichten Arktis-Strategie klar dafür ausgesprochen, dass «alle fossilen Brennstoffe im Erdboden bleiben», de facto als ein Stopp aller Förderaktivitäten. Auch an der diesjährigen Arctic Circle Assembly bekräftigten der EU-Kommissar für Fischerei und Ozeane, Virginijus Sinkevicius und der EU-Botschafter für die Arktis Michael Mann die Position der EU. Den Vorwurf, damit einen wichtigen Wirtschaftszweig auszuschalten, konterte Sinkevicius sehr selbstbewusst mit den Worten, dass dies steigenden Temperaturen und der Klimawandel bereits machen. Man anerkenne zwar die Tatsache, dass viele Arbeitsplätze davon abhängig seien und das Ganze nicht «ein Spaziergang im Park» werde. Doch man sei bereit mit denjenigen, die aussteigen wollen, auf allen Ebenen zusammenzuarbeiten. Doch man werden den Stopp bei Partnern vorantreiben.

Die Plattform «Goliath» von ENI Norge liegt rund 100 Kilometer von der norwegischen Nordküste entfernt. Plattformen wie sie werden wahrscheinlich einen weiteren Zankapfel in den Beziehungen zwischen der EU und Norwegen darstellen. Bild: Screenshot Youtube-Video Norske olje og gass

Die beiden gegenläufigen Aussagen der EU und Norwegen dürften einen weiteren Zankapfel zwischen den beiden Parteien bilden. Bereits jetzt schon streiten sich die EU und Norwegen bezüglich Fischereirechte um Svalbard. Ausserdem bestehen verschiedene Positionen bei der Einfuhr einiger handwerklich hergestellter Produkte von arktischen Völkern, wie beispielsweise Robbenfellen. Ob und wie sich dies auch auf die immer noch hängige Bewerbung der EU als Beobachter im Arktisrat auswirken wird, ist nicht klar. Norwegen als Nicht-EU-Mitglied sieht sich dort zwar einer Front von drei EU-Mitgliedsstaaten (Dänemark, Finnland, Schweden) und sechs Beobachterstaaten (Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Niederlande und Spanien) gegenüber, kann aber in Bezug auf die Förderung von Rohstoffen sicherlich auf die Unterstützung der USA, Kanada und Ratsvorsitzendem Russland zählen. Denn gerade mit letzterem Staat will die neue norwegische Regierung auf bilateraler Ebene verstärkt zusammenarbeiten. Ob dies jedoch die EU, die mit frischem Schwung ihre Arktispolitik vorantreibt, beeinflusst, wird sich in der kommenden Zeit zeigen. Sicher ist, dass es in der Arktis in der Zukunft nicht nur klimatisch heiss hergehen wird.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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