Als im Jahr 2019 das Institut für Ozeanologie der Russischen Akademie der Wissenschaften ihre beiden Schiffe Akademik Ioffe und Sergey Vavilov plötzlich nach Hause zurückbeorderte, begann für die kanadische Firma One Ocean Expeditions der Anfang vom Ende. Die beiden Schiffe fungieren wieder als Forschungsschiffe für das Institut. Doch der Streit ist weit entfernt von vorbei. Die kanadische Firma hat mehrfach versucht, das Schiff beschlagnahmen zu lassen. Mit Erfolg: Letzte Woche hat ein dänischer Richter die Ioffe bei einem Tankstopp in Skagen tatsächlich das Schiff räumen und festsetzen lassen.
Nach verschiedenen Medienberichten hatte am 1. November ein Richter des dänischen Vollzugsgerichtes den Haftbefehl für die Festsetzung des Schiffes bestätigt. Dadurch konnte die Polizei in Skagen die 61 Personen an Bord der Ioffe an Land bringen und das Schiff beschlagnahmen. Seither liegt das Schiff vor dem dänischen Ort Skagen an der Nordspitze von Nordjütland. Ursprünglich hatte das Schiff in Skagen gemäss dänischen Berichten Treibstoff bunkern wollen, bevor es auf die Weiterfahrt nach Kaliningrad, seinen Heimathafen gehen sollte.
Das Schiff wurde nach einer Klage des kanadischen Expeditionsunternehmens One Ocean Expedition bei den dänischen Behörden festgesetzt. Die Firma macht Schulden des Besitzers in der Höhe von rund US$ 19 Millionen geltend, die durch das Festsetzen des Schiffes eingefordert werden sollen. Der Betrag ergibt sich nach Angaben der ehemaligen Expeditionsfirma aus den Kosten, die entstanden waren, nachdem die Ioffe bei einer Fahrt in der Nordwestpassage 2018 auf Grund gelaufen war und den nachfolgenden Ausfällen bis zum Rückzug der Schiffe im Mai 2019 durch das Institut. Das Unternehmen macht den Kapitän und die Crew für den damaligen Unfall verantwortlich und fordert dafür den Betrag als Kompensation. Bisherige Versuche der Kanadier, das Geld gerichtlich einzufordern, waren nicht erfolgreich, Vergleiche scheiterten.
In den Medien, nicht nur in Russland, wurde die Legalität der Festsetzung in Frage gestellt. One Ocean hatte bereits vorher versucht, eine Festsetzung des Schiffes zu erreichen. Doch in Portugal hatten die Behörden ein Festsetzen des Schiffes abgelehnt. Dänemark sah aber die Sachlage anders. Der zuständige dänische Richter beruft sich auf die Internationale Konvention zur Festsetzung von Schiffen von 1952. Diese erlaubt im Falle einer Klage gegen den Eigentürmer die Festsetzung aller Schiffe als Versicherung während der Klage. Doch da das Schiff dem russischen Staat gehört, greift diese Handhabung nicht, erklären Experten. Ob das Schiff tatsächlich russisches Eigentum ist, muss nun bestätigt werden.
An diesem Punkt könnte die ganze Geschichte nun eigentlich zu Ende sein. Doch seit der Festsetzung jagen auch noch diverse fremdartig anmutende Geschichten durch die Medien. Da wäre beispielsweise die Nachricht über das plötzliche Auftauchen eines russischen Kriegsschiffes vor Skagen in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag. Dabei soll es sich um die Stoikiy gehandelt haben, eine 104 Meter lange, mit Anti-Schiffsraketen ausgestattete Korvette. Sie sei plötzlich auf der Webseite von Marine Traffic aufgetaucht, habe die Ioffe umrundet und sei wieder verschwunden. Die dänischen Behörden aber haben die Nachricht nicht bestätigt und die dänische Rundfunkgesellschaft DR erklärt in einem Artikel, das AIS-Signal des Schiffes sei wahrscheinlich von Russland elektronisch auf die Webseite gebracht worden. Dänische Medien geben ebenfalls an, dass der Richter vom Verteidigungskommando im Vorfeld angerufen und darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass das Schiff nicht festgesetzt werden dürfe, da es als Staatseigentum Russlands betrachtet werde und daher frei fahren dürfe. Diese Aktion hat in Dänemark hohe Wellen geschlagen, da sich eine exekutive Behörde in eine judikative Angelegenheit eingemischt habe.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal