Antarktische Pelzrobben (Arctocephalus gazella), die im atlantischen Sektor des Südlichen Ozeans und westlich der Antarktischen Halbinsel leben, ernähren sich hauptsächlich von Antarktischem Krill (Euphausia superba). Deshalb ist es wichtig, die Krillmenge, die sie verspeisen, in Managemententscheidungen für eine nachhaltige Krillfischerei miteinzubeziehen. Bisher werden jedoch nur die Populationen der weiblichen Pelzrobben berücksichtigt, die den Winter in anderen Regionen verbringen als ihre männlichen Artgenossen. Jetzt gibt es dank einer neuen Studie von Wissenschaftlern der Universität Barcelona auch Daten über die Verbreitung junger männlicher Pelzrobben in den Wintermonaten, die natürlich auch einen Einfluss auf die Krillpopulation haben.
Noch sind die Wechselbeziehungen zwischen Antarktischem Krill, seinen Fressfeinden und der Krillfischerei nicht vollständig verstanden und die Fangquoten könnten zu hoch angesetzt sein angesichts der Vernachlässigung des Einflusses der jungen männlichen Pelzrobben auf den Krill. Dabei sind die Jungtiere und die subadulten Männchen diejenigen Tiere, die den höchsten Nahrungsbedarf haben. Daher untersuchten die Autoren der neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Scientific Reports veröffentlicht wurde, die Populationsstruktur von ein- bis vierjährigen männlichen Jungtieren und fünf bis sechs Jahre alten subadulten Männchen, die während des Winters Ruheplätze auf Deception Island, Südliche Shetland Inseln, nutzten. Zudem lieferten 15 mit Satellitensendern markierte Tiere Daten, anhand derer die Forscher ein Verbreitungsmodell für die Art entwickelten und Umweltfaktoren ermittelten, die einen Einfluss auf die Verbreitung der Pelzrobben haben.
Die Ergebnisse zeigen, dass die juvenilen und subadulten Männchen in der männlichen Gesamtpopulation dominieren. Die Südlichen Shetland Inseln und die Bransfieldstraße westlich der Antarktischen Halbinsel bilden ihr Hauptverbreitungsgebiet, wobei sich die Tiere im Spätsommer und Frühwinter von der Bransfieldstraße bis in die Bellingshausensee aufhielten, im Mittel- und Spätwinter verlagerten sie ihren Lebensraum jedoch in Richtung Norden von Adelaide Island bis nach Südgeorgien. Die für die Verbreitung ausschlaggebenden Umweltfaktoren waren laut der Modellergebnisse die Bathymetrie, die Temperatur der Meeresoberfläche, der Salzgehalt, die Chlorophyllkonzentration und die Entfernung zur Eiskante, wobei letztere in Verbindung mit der Krillbiomasse die wichtigsten Faktoren waren. Den Autoren zufolge entsprach die Verbreitung der männlichen Pelzrobben der aus früheren Studien bekannten Verbreitung des Antarktischen Krills. Insgesamt zeigte sich, so die Forscher, dass juvenile und subadulte männliche Pelzrobben den gesamten Winter in den Gewässern nahe des antarktischen Kontinents verbringen.
Ein Grund dafür, dass männliche und weibliche Antarktische Pelzrobben in unterschiedlichen Regionen überwintern könnte möglicherweise in dem sehr ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus liegen — dem markanten Unterschied in der Körpergröße zwischen Weibchen und Männchen. Die viel größeren Männchen verfügen auch über eine deutlich dickere und somit besser isolierende Fettschicht, die ihnen im Winter erlaubt, weiter südlich auf Nahrungssuche zu gehen. Die Thermoregulation der Weibchen ist aufgrund ihrer geringeren Körpermasse dagegen weniger gut, weshalb sie sich womöglich für Überwinterungsgebiete weiter im Norden entscheiden. Allerdings ist die Fettschicht der jungen Männchen ähnlich der der Weibchen.
Der Hauptgrund für die unterschiedlichen Verbreitungsgebiete ist wahrscheinlich die vertikale Verteilung des Krills im Winter, dessen Biomasse dann stark reduziert ist. Er konzentriert sich über die Wintermonate in Schelfgebieten in über 100 Meter Tiefe. Weibliche Pelzrobben tauchen allerdings nur selten so tief, meist nur um die 50 Meter, und würden daher ihre Nahrung nicht erreichen. Männchen können problemlos über 100 Meter tief tauchen und den Krill erbeuten. Dies würde erklären, weshalb die Weibchen im Winter in der Nähe ihrer Brutgebiete bleiben.
Laut der Autoren lässt die ganzjährige Anwesenheit der männlichen Pelzrobben in der Region westlich der Halbinsel vermuten, dass diese für den größten Teil des Krillverbrauchs der gesamten antarktischen Pelzrobbenpopulation im atlantischen Sektor des Südlichen Ozeans verantwortlich sind. Da Jungtiere und subadulte Männchen in der Population auf Südgeorgien und Deception Island überwiegen, sind sie von besonderem Interesse.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte die größte Population Antarktischer Pelzrobben auf Südgeorgien, vermutlich dank der riesigen Krillschwärme. Mit der sich aufgrund des Klimawandels verringernden zeitlichen und räumlichen Ausdehnung des Meereises, zieht sich auch der Krill weiter nach Süden zurück, mit der größten Dichte im Sommer in der Bransfieldstraße und Maguerite Bay. Eine Erklärung, weshalb die jungen männlichen Pelzrobben die Region bevorzugen.
Das Verschwinden des Krills in der Scotia Sea hat dazu geführt, dass der Fortpflanzungserfolg der Pelzrobben deutlich zurückging. Die gute Krillverfügbarkeit in der Bransfieldstraße hat hier keinen Einfluss auf den Fortpflanzungserfolg, da keine Brutkolonien in der Nähe sind.
Abschließend rufen die Autoren dazu auf, das ganzjährige Vorkommen der juvenilen, subadulten und erwachsenen männlichen Antarktischen Pelzrobben in der maritimen Antarktis in das Management der Krillpopulation miteinzubeziehen, um die Fischerei möglichst nachhaltig zu betreiben.
Julia Hager, PolarJournal