Mikroplastik im Weddellmeer untersucht | Polarjournal
Bis auf den westlichen Bereich ist das Weddellmeer frei von Schiffsverkehr, da nur starke Eisbrecher sich einen Weg durch die gefrorene Oberfläche bahnen können. Trotzdem fand das Forschungsteam auch hier Kunststoff, der von Schiffen und Fischerei stammen könnte. Bild: Michael Wenger

Mikroplastik findet sich überall, selbst in Gebieten, in denen sich kaum Menschen aufhalten. Woher kommen die winzigen Kunststoffpartikel? Forschende der Universität Basel und des Alfred-Wegener-Instituts zeigen, dass nur präzise Analysen diese Frage beantworten können.

Mikroplastik ist ein Problem für die Umwelt, weil die kleinen Partikel von Organismen aufgenommen werden und sie schädigen können. Auch entlegene Regionen sind davon betroffen, beispielsweise die Antarktis. Um herauszufinden, wie gross die Belastung ist und woher die Kleinstteile stammen, untersuchte ein Forschungsteam des Departements Umweltwissenschaften der Universität Basel und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf Helgoland Wasser aus dem Weddellmeer, einer Region mit geringer menschlicher Aktivität. „Es ist das erste Mal, dass in der Antarktis eine so umfangreiche Studie durchgeführt wurde“, sagt Clara Leistenschneider, Doktorandin am Departement Umweltwissenschaften. Die Forschenden entnahmen auf zwei Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 34 Proben aus der Wasseroberfläche sowie 79 Unterwasserproben. Insgesamt filtrierten sie rund acht Millionen Liter Seewasser und fanden darin Mikroplastik, wenn auch in sehr geringen Mengen. Die Resultate publizierten die Forschenden in der Fachzeitschrift Environmental Science and Technology.

Einsatz eines Katamarans, mit dessen Hilfe Planktonproben von der Wasseroberfläche genommen werden. Sie werden anschließend auf Mikroplastik-Partikel untersucht. (Archivbild). Foto: Gunnar Gerdts

Bisherige Studien zu Mikroplastik in der Antarktis fanden in Regionen statt, wo es mehr Forschungsstationen, Schiffsverkehr und Menschen gibt. Deshalb vermutete das Forschungsteam um Prof. Dr. Patricia Holm (Universität Basel) und Dr. Gunnar Gerdts (AWI) im abgeschiedenen Weddellmeer deutlich geringere Mikroplastikkonzentrationen. Die Messungen zeigten jedoch, dass diese nur teilweise niedriger sind als in anderen Gebieten der Antarktis.

Symbolbild: Mikroplastik findet sich mittlerweile in allen bisher untersuchten Regionen der Welt. Im Meer sind die kleinen Fasern und Partikel für die Tierwelt gefährlich, da sie sich bereits im Plankton ansammeln, die solche Fäden fressen. Am Ende landet das Ganze wieder bei uns auf dem Teller. Bild: Wiki Commons CC BY-SA 4.0

Festzustellen, dass in einem Gebiet Mikroplastik vorkommt, ist allerdings eine Sache. „Wichtig ist auch zu wissen, welche Kunststoffe vorkommen, um deren mögliche Herkunft zu identifizieren und im besten Fall die Mikroplastik-Emissionen aus diesen Quellen zu senken“, erklärt Clara Leistenschneider. Die aus dem Wasser gefilterten Partikel analysierten die Forschenden zunächst auf ihre Kunststoffzusammensetzung. Dies ergab, dass 47 Prozent der als Mikroplastik identifizierten Partikel aus Kunststoffen bestehen, welche auch als Bindemittel in Schiffslacken verwendet werden können. Schiffslacke und damit der Schiffsverkehr sind also mutmaßlich eine maßgebende Mikroplastikquelle im Südpolarmeer. Weitere Mikroplastik-Partikel ließen sich beispielsweise den Kunststoffen Polyethylen, Polypropylen und Polyamiden zuordnen. Sie finden unter anderem als Verpackungsmaterial und in Fischernetzen Verwendung. Leistenschneider gibt allerdings zu bedenken, dass man zwar die verschiedenen verwendeten Kunststoffe, jedoch nicht die genaue Herkunft und frühere Verwendung der Mikroplastikfragmente bestimmen könne.

Schiffe wie die Polarstern bringen auch Mikroplastik in die abgelegenen Regionen der Antarktis. Denn die Schiffslacke enthalten ebenfalls Kunststoffe, die durch physische Kräfte des Eises und des Wassers abgetragen werden. Dadurch können sie auch die Proben der Forscher verunreinigen. Nur durch aufwendige Untersuchungen können diese Teile identifiziert werden. Bild: AWI

In der aktuellen Studie wiesen insgesamt über die Hälfte aller Fragmente aus den Proben ähnliche visuelle Merkmale auf wie die Farben des Forschungsschiffs Polarstern, mit dem das Team unterwegs war. Diese Fragmente untersuchten die Forschenden am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (Marum) mittels Röntgenfluoreszenz (XRF) genauer auf Pigmente und sogenannte Füller, denn die häufig eingesetzte Methode der Fourier-Transform-Infrarot-Mikroskopie (FT-IR) identifizierte diese Stoffe nicht. Die Analysen in Bremen zeigten, dass 89 Prozent der 101 genau unter die Lupe genommenen Mikroplastik-Partikel tatsächlich von der Polarstern stammten. Die übrigen elf Prozent hatten andere Quellen. Damit ist für Clara Leistenschneider klar: „Es müssen mehrere Methoden vergleichend genutzt werden, um die Herkunft von Farbpartikeln zu definieren.“ Nur so könne man genau unterscheiden zwischen Farbfragmenten aus der Umwelt und einer Verunreinigung durch das eigene Forschungsschiff. Frühere Mikroplastik-Studien schlossen hingegen Partikel, die aufgrund der Zusammensetzung der Bindemittel und/oder visueller Merkmale ähnlich waren wie die Lackierung des eigenen Forschungsschiffes, meist als Kontamination aus, ohne weitere Untersuchungen durchzuführen.

In der Vergangenheit waren nur wenige Touristenschiffe im Weddellmeer unterwegs, da die Eisbedingungen für die meisten zu schwer waren. Doch mit den neuen eisverstärkten Passagierschiffen dürfte sich das ändern und damit auch die Menge an Mikroplastik, auch wenn technische Fortschritte erzielt worden sind. Bild: Michael Wenger

Seit einigen Jahren nimmt der Schiffsverkehr im Südpolarmeer zu, vor allem als Folge des ansteigenden Tourismus und der Fischerei, jedoch auch aufgrund von Forschungsexpeditionen. „Mit der Entwicklung alternativer Schiffslacke, die haltbarer und umweltfreundlicher sind, ließen sich diese Quelle von Mikroplastik und die darin enthaltenen Schadstoffe reduzieren“, resümiert Clara Leistenschneider.

Pressemitteilung Universität Basel / AWI

Link zur Studie: Clara Leistenschneider, Patricia Burkhardt-Holm, Thomas Mani, Sebastian Primpke, Heidi Taubner, and Gunnar Gerdts; Environ Sci & Technol; Microplastics in the Weddell Sea (Antarctica): A Forensic Approach for Discrimination between Environmental and Vessel-Induced Microplastics; DOI: 10.1021/acs.est.1c05207

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