Neue Dinosaurier-Spezies mit schwertförmigem Schwanz in Chile entdeckt | Polarjournal
Die neue Dinosaurierart Stegouros elengassen lebte vor 74 Millionen Jahren auf dem Gebiet des heutigen Patagoniens, das zum Megakontinent Gondwana gehörte. Illustration: Mauricio Álvarez

Chile ist nicht gerade bekannt für zahlreiche Dinosaurierfunde — noch nicht jedenfalls. Die erste Art wurde erst vor zehn Jahren beschrieben und seitdem sind nur drei weitere hinzugekommen. Zuletzt fanden chilenische Paläontologen im Jahr 2018 in Patagonien ein sehr gut erhaltenes und fast vollständiges Skelett, das keiner der bereits bekannten Dinosaurierarten eindeutig zuzuordnen war, vor allem wegen seines bizarren, «bewaffneten» Schwanzes. Die genaue Beschreibung ihres spektakulären Fundes veröffentlichten die Wissenschaftler diese Woche im Fachmagazin Nature.

Die Paläontologen fanden das Skelett in der Region Magallanes an einem steilen Hügel im Tal des Río de las Chinas in der Nähe des Nationalparks Torres del Paine in Gesteinen aus der Kreidezeit. Das 74 Millionen Jahre alte Skelett war zu 80 Prozent vollständig. Die Überreste des Dinosauriers ließen die Wissenschaftler nicht nur wegen ihres guten Erhaltungszustandes staunen, sondern vor allem wegen der seltsamen Form des Schwanzes. Dessen hintere Hälfte bestand aus sieben Paaren von seitlich abstehenden Hautknochen, die einem Farnwedel oder einem Macuahuitl ähneln, der gefürchteten Kriegskeule der Azteken. Aufgrund dieser einzigartigen Merkmale konnte der etwa zwei Meter lange Dinosaurier eindeutig als eine neue Art identifiziert werden, dem die Forscher den Namen Stegouros elengassen gaben. Stegouros bedeutet übersetzt «dachförmiger Schwanz», während elengassen der Name eines mythischen, gepanzerten Ungeheuers in der Tradition des einheimischen Volkes der Aonik’enk ist, das auch als Patagonier oder südliche Tehuelche bekannt ist.

Der Stegouros könnte am Ufer des Flusses im Treibsand gestorben sein. Illustration: Luis Pérez López

Die Merkmale von Stegouros erinnern sowohl an Stegosaurier als auch an Ankylosaurier, als ob es sich um eine Hybridart handeln würde. Alexander Vargas, Wirbeltierpaläontologe an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Chile in Santiago und Leiter der Studie, beschreibt, dass «die spektakulären Stegosaurier zu den bekanntesten Dinosauriern gehören, sowohl wegen ihrer berühmten vertikalen Rückenplatten als auch wegen ihrer paarigen Schwanzwaffe mit Widerhaken. Die fortgeschrittenen Ankylosaurier hingegen sind berühmt für ihren breiten, mit Knochenpanzern gepanzerten Rücken und ihre riesige, abgerundete Keule am Ende des Schwanzes. Die Schwanzwaffe unseres Dinosauriers war eindeutig nichts von alledem.»

Sergio Soto, der die Studie gemeinsam mit Vargas leitete und ebenfalls an der Universität Chile forscht, fügt hinzu, dass es sich «um ein evolutionäres Bindeglied zwischen Ankylosauriern und anderen älteren Linien gepanzerter Dinosaurier handelt. Stegouros weist nur einige der Merkmale auf, die normalerweise bei Ankylosauriern zu finden sind, insbesondere am Schädel, aber viele andere fehlen. Er weist auch einige stegosaurierähnliche Merkmale auf, die er von einem gemeinsamen Vorfahren mit den Stegosauriern geerbt hat, die aber bei anderen Ankylosauriern im Laufe der Evolution verloren gingen.»

Die Wissenschaftler vergleichen ihre Entdeckung deshalb mit dem «Stein von Rosetta». Dieser Fund ermöglicht es ihnen, so ihre Argumentation, die Evolution der wenigen als Ankylosaurier identifizierten Überreste in der südlichen Hemisphäre zu verstehen.

Dreidimensionale Rekonstruktion der Schwanzwaffe von Stegouros. Video: Soto et al. 2021

Den Forschern zufolge sind Ankylosaurier in Südamerika weitgehend unbekannt. Bisher wurden nur einzelne, wenig aussagekräftige Knochen und Fragmente gefunden. Die Entdeckung von Stegouros übertraf daher alle Erwartungen. Neben der Identifizierung einer neuen Art, entdeckten die Wissenschaftler auch große Ähnlichkeiten zu zwei früheren Funden: Antarctopelta aus der Antarktis und Kunbarrasaurus aus Australien. Stegouros liefert somit zahlreiche Informationen über die Ankylosaurier der südlichen Hemisphäre und die Unterschiede zu ihren nördlichen Verwandten. Sie sind tendenziell kleiner, haben einen leichteren Panzer, schlankere Gliedmaßen und manche von ihnen weisen auch den charakteristischen Schwanz auf.

Da die Unterschiede zu den bereits bekannten Ankylosauriern so markant sind, schlugen die Autoren in ihrer Studie vor, die Saurier, die auf dem nördlichen Megakontinent Laurasia lebten, als Euankylosaurier («echte Ankylosaurier») und die vom südlichen Megakontinent Gondwana als Parankylosaurier («neben den Ankylosauriern») zu bezeichnen. Auf dem damaligen Laurasia gibt zahlreiche Fossilien von Ankylosauriern in großer Vielfalt.

Die Forscher waren überrascht von dem sehr guten Erhaltungszustand der Knochen, die sie in der Region Magallanes in Chile fanden. Foto: Universidad de Chile

Zudem zeigte die Entdeckung von Stegouros, dass sich unabhängig voneinander drei völlig unterschiedliche Arten von spezialisierten Schwanzwaffen entwickelt haben: die paarigen Stacheln der Stegosaurier, die Keule der «modernen» Ankylosaurier und den Makuahuitl der Stegouros. «Den Parankylosauriern fehlen viele Merkmale der „echten“ Ankylosaurier, die bereits im mittleren Jura, vor etwa 165 Millionen Jahren, vorkamen. Daher müssen die Wurzeln der Parankylosaurier sehr alt sein, also vor diesem Datum», so Vargas.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Soto-Acuña, S., Vargas, A.O., Kaluza, J. et al. Bizarre tail weaponry in a transitional ankylosaur from subantarctic Chile. Nature (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-04147-1

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