Buch «Cape Race – Eine Biographie» | Polarjournal
Ein Schiff, das auch immer noch im Dienst ist, erhält eine Biographie? Im Falle der «Cape Race» ist das wohl verdient. Denn das kleine, 1963 gebaute Schiff hat einen weiten Weg und eine bewegte (im wörtlichen Sinne) Geschichte hinter sich, vom Fischtrawler in Kanada zum Expeditionsschiff in der Arktis. Bild: mareverlag

Eine Biographie zu schreiben, ist heutzutage schon fast ein Muss. Doch dabei fällt den meisten Menschen zuerst eine prominente Person ein, wenn nach einer bleibenden Biographie gefragt. Auch polare Helden sind keine Ausnahme. Doch, wie das Wort «Biographie» schon sagt, bleibt das Geschriebene den Lebenden (oder ehemals Lebenden) vorbehalten. Wirklich? Kann beispielsweise ein Schiff nicht auch eine Biographie haben? Nikolaus Gelpke, Herausgeber und Chefredaktor, zeigt, dass es tatsächlich möglich ist und haucht einem Schiff Leben ein.

Vom Kabeljautrawler, der 1963 in Kanada gebaut wurde, nur um dann als Muschelfänger eingesetzt zu werden, über den Versuch, das Schiff in eine Forschungsplattform umzuwandeln, bis hin zum heutigen Leben als arktisches Expeditionsschiff für maximal 12 Personen. Kein Zweifel, die Cape Race hat mit ihren 59 Jahren bereits viel erlebt. Und sie hatte auch zahlreiche Leben beeinflusst. Nicht zuletzt dasjenige von Nikolaus Gelpke, dem Herausgeber des Buches «Cape Race – Eine Biographie», denn er ist auch ihr jetziger Besitzer. Auf 100 Seiten beschreibt er nicht einfach den Werdegang und die technischen Aspekte des Schiffes, unterlegt von einzelnen Anekdoten. Nein, er lässt die Menschen, die direkt mit dem Schiff zu tun hatten und deren Leben mit demjenigen der Cape Race verknüpft waren, zu Wort kommen. So werden nicht nur die Figuren wieder lebendig und der Leser wähnt sich mitten im Geschehen, sondern das Schiff beginnt zu leben. Und es lebte bisher mehr als ein Leben.

Menschen wie Alan Atlas, der die «Cape Race» aus ihrer Zeit als Muschelfänger kannte, erzählt ebenso wie Milos Simovic, der das Schiff als Medien- und Forschungsplattform verwenden wollte, vom Schiff und all den Menschen, die es einst belebt hatten. Bild: mareverlag

Ein Schiff ist oft mehr als ein Objekt. Viele Seeleute bezeichneten früher Schiffe als ihre einzige wahre Liebe und machten es zu ihrer Gefährtin. Auch heute favorisieren viele zur See fahrende Menschen ein Schiff, sei es aufgrund seiner Form oder seinem Abschneiden auf hoher See bei Wind und Wetter. Doch meist haben Schiffe nur ein oder zwei Leben, bzw. einen oder vielleicht zwei Existenzzwecke. Doch Nikolaus Gelpke zeigt in seinem Buch, wie die Cape Race bereits 4 verschiedene Leben führte oder besser gesagt, immer noch führt. Das Besondere ist aber dabei, dass die Lebensgeschichten geschickt mit den Leben von Menschen verknüpft werden, die zu dem Zeitpunkt mit der Cape Race zu tun hatten. Da wäre beispielsweise Orlando Vallis, der erste Kapitän, der die Jungfernfahrt und die Zeit als Kabeljaufischtrawler begleitete und den das Schiff überlebte. Oder die Geschichten von Milos Simovic, der das Schiff zu Beginn der 2000er Jahre rostig und in traurigem Zustand vorfand und ihr neues Leben als Forschungsschiff und Medienplattform einhauchen wollte, ihr dabei ein neues, Gesicht gab. Spannend beschreibt der Herausgeber hier, wie aus dem abgewrackten Muschelfänger ein Expeditionsschiff für Forschende, Filmleute und Gäste und wie das Schiff als Forschungsplattform im Nordwesten von Grönland eingesetzt wurde. Ein spezieller Aspekt in der Geschichte des Schiffes: Die Cape Race behielt immer ihren Namen.

Früher wurden die meisten Biographien über Prominente geschrieben, um deren Leben und Wirken nach ihrem Tod zu würdigen und für die Nachwelt zu erhalten. Heutzutage erscheinen Biographien häufig noch zu Lebzeiten der Personen, nachdem sie einen oder mehrere Erfolge gefeiert haben. Hier steht das Buch von Nikolaus Gelpke diesem Trend in Nichts nach. Denn das letzte Kapitel des Buches ist nicht das letzte Kapitel der Geschichte der Cape Race. Im Gegenteil: Mit derselben Hingabe und Liebe, mit der das Schiff rundum erneuert worden war, beschreibt der Herausgeber Nikolaus Gelpke genau dieses Kapitel. Man merkt, dass es auch seine Geschichte ist, ein Teil seines Lebens, in welchem das kleine Schiff nun eine grosse Rolle spielt. Und dies wahrscheinlich für viele Jahre.

Produktionformation

Titel:Cape Race – Eine Biographie
Herausgeber:Nikolaus Gelpke
ISBN:978-3-86648-678-2
Format:Klappenbroschur im Halbleinen
Herausgeber:mare Verlag
Anzahl Seiten:100
Gewicht:219g
Größe:L21.4cm x B15.2cm x D1.5cm
Erstveröffentlichung2021
Auflage1. Auflage
Sprache:Deutsch

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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