Ist nachhaltiges Fliegen in die Antarktis möglich? | Polarjournal
Der Hi-Fly-Airbus A340 landete Anfang November auf der Wolf’s Fang Runway, der Landebahn von White Desert. Der Jet benötigt für Start und Landung offiziell eine 3.000 Meter lange Piste. Bild: White Desert

In den letzten Jahren hat die Diskussion über das Fliegen an Aufmerksamkeit gewonnen. Vor allem aufgrund des Klimawandels wird der Sinn und Zweck von Flügen immer mehr in Frage gestellt, insbesondere bei Flügen in klimasensible Regionen wie die Antarktis. Dies wird sehr deutlich, wenn man sich die Diskussionen ansieht, die durch den Einsatz eines Airbus A340 mitten in der Antarktis entstanden sind. Der Expeditionsreiseveranstalter White Desert, der das Flugzeug gechartert und eingesetzt hat, ist überzeugt, dass Fliegen nachhaltiger und umweltfreundlicher sein kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Der geschickte Einsatz eines der wirtschaftlichsten und modernsten Flugzeuge, gepaart mit der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und einer akribischen Planung, das sind die Rahmenbedingungen, mit denen das Unternehmen die erstmalige Landung eines Airbus A340 in der Antarktis ermöglicht hat. Das Flugzeug der portugiesischen Chartergesellschaft Hi-Fly entspricht den neuesten Umweltstandards und ist nach Angaben des Unternehmens ein äußerst zuverlässiges und sicheres Flugzeug, das als High Gross Weight Flugzeug ein maximales Ladegewicht von 275 Tonnen tragen kann. Der Kraftstoffverbrauch dieses Typs wird mit 6,5 Tonnen pro Stunde angegeben. Damit befindet sich das Flugzeug im vorderen Mittelfeld. Doch White Desert und Hi-Fly wollen das durch den Einsatz von umweltfreundlichem Sustainable Aviation Fuel (SAF) in Zukunft etwas ausgleichen. Das Unternehmen testet in diesem Jahr den Einsatz von 40.000 Litern SAF-Kraftstoff. Dieser Kraftstoff wird aus Rückständen von Öl- und Fettabfällen hergestellt und hat somit einen um 80 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck. Außerdem stößt der Treibstoff viel weniger Partikel und Schwefeloxide aus, was zu weniger Ruß und einer Verdunkelung der weißen Oberfläche der Antarktis führt. Damit und mit der bereits zertifizierten und preisgekrönten CO2-Kompensationsstrategie von White Desert können Flüge in die Antarktis nachhaltiger und mit weitaus geringeren Umweltauswirkungen durchgeführt werden.

White Desert setzt diesen Gulfstream Jet ein, um seine Gäste zu seiner Landebahn Wolf’s Fang Runway zu bringen. Von dort aus werden sie dann zu den beiden Lagern des Unternehmens weiterreisen. Bild: White Desert

White Desert und seine Besitzer Robyn und Patrick Woodhead wissen definitiv, wovon sie sprechen. Seit Jahren betreiben sie erfolgreich die Wolf’s Fang Runway, eine Landebahn für den firmeneigenen Gulfstream Jet, der ihre Gäste von Kapstadt auf den antarktischen Kontinent bringt. Und das auf zertifizierte klimafreundliche und CO2-neutrale Weise. „Es ist absolut wichtig für uns, die Auswirkungen unserer Tätigkeit, einschließlich des Verkehrs, zu auszugleichen“, sagt Patrick Woodhead am Telefon gegenüber PolarJournal. „Wir können nicht in einem der klimatisch sensibelsten Gebiete der Erde operieren und nichts tun. Zusätzlich zu unserem bestehenden und sehr gut funktionierenden Nachhaltigkeitskonzept in unseren Camps werden wir nun auch einen effizienten Treibstoff verwenden, um unsere Flüge noch nachhaltiger zu machen.“ Laut Patrick ist das Ziel eine vollständige Umstellung des Kraftstoffverbrauchs auf den neuen SAF in den nächsten 3 bis 5 Jahren. „Wenn die Testphase in dieser Saison erfolgreich verläuft, wovon wir ausgehen, werden wir komplett auf diesen neuen Kraftstoff umsteigen. Davon betroffen sind nicht nur der neue Airbus und der Gulfstream Jet, sondern auch die Basler Flugzeuge, die die Gäste zu den Kaiserpinguinen und zum Südpol bringen.

White Desert, die ihre Gäste bisher mit einem Gulfstream Jet in die Antarktis brachten, wollen mit dem Airbus A340 nicht nur maximal 40 Personen, sondern auch Hunderte von Tonnen Material in die Antarktis transportieren, insbesondere für Forschungsstationen und Expeditionen. Bild: White Desert

Das von Hi-Fly eingesetzte Modell A340-300 kann normalerweise bis zu 254 Passagiere befördern. Will White Desert, die bisher mit kleinen Reisegruppen von bis zu 12 Personen unterwegs war, nun plötzlich mit den großen Expeditionsschiffen konkurrieren? „Auf keinen Fall“, sagt Patrick Woodhead und lacht. „Das wäre eine völlige Abkehr von unserer Strategie. Wir werden nur maximal 40 Personen mit dem Flugzeug transportieren, eine Mischung aus Wissenschaftlern und Touristen, der Rest wird Fracht sein. Denn wir haben ausgerechnet, dass wir bis zu 20 Prozent Treibstoff einsparen können, wenn wir die Fracht mit dem A340 einfliegen, statt mit dem Schiff von Kapstadt an den Rand des Schelfeises zu fahren und dann alles mit Raupenfahrzeugen zur Landebahn und zu den Camps zu transportieren.“ Um die 40 Plätze zu besetzen, will White Desert enger mit den nationalen Wissenschaftsprogrammen der Antarktis zusammenarbeiten und das Stationspersonal und die Forschungsteams bequem, schnell und zuverlässig in die Antarktis bringen. Die Wolf’s Fang Runway ist dafür ideal. „Unsere Start- und Landebahn ist lang genug für ein Flugzeug dieser Größe, steht während der gesamten Sommermonate zur Verfügung und ist aufgrund ihrer Lage besser geschützt.“

Die riesige Iljuschin Il-76 transportiert Menschen und Material von Kapstadt zum russischen Flugplatz Novo. Bild: ALE

Patrick Woodhead zieht einen Vergleich mit der russischen Station Nowolasarewskaja, auch „Novo Airfield“ genannt, weiter östlich. Dort landen Maschinen wie die geräumige Iljuschin Il-76, die auch Menschen und Material für die umliegenden Antarktisstationen transportiert. Andere große Flugzeuge wie die von Icelandair landen ebenfalls auf dem Troll-Flugplatz der westlich gelegenen norwegischen Troll-Station, um das Stationspersonal abzulösen. Sie sind alle im DROMLAN (Dronning Maud Land Air Network) zusammengeschlossen, und die Zusammenarbeit ist hervorragend. Mit dem A340, der von White Desert eingesetzt wird, gäbe es hier jedoch ein enormes Potenzial. Eine engere Zusammenarbeit und eine effizientere Planung und Nutzung wären zum einen finanziell lukrativer für die nationalen Antarktisprogramme. Andererseits würde damit auch nach außen hin gezeigt, dass Nachhaltigkeit auch ein Thema in der Logistikfrage derjenigen ist, die den menschlichen Einfluss auf den weißen Kontinent untersuchen. Dies würde die gesellschaftliche Glaubwürdigkeit der Forschung in der Antarktis mit ihrer sensiblen, aber wunderschönen Umwelt deutlich erhöhen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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