Birkenzeisige der Arktis gehören alle zur selben Art | Polarjournal
In den gemäßigten Breiten bekommt man Birkenzeisige nur hin und wieder im Winter zu sehen. Foto: Jyrki Salmi, Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0

Es gibt einige Vogelarten, bei deren Bestimmung sich Vogelbeobachter schwer tun, weil sie anderen, verwandten Arten sehr ähneln. Dies dürfte auch bei den Birkenzeisigen der Fall sein, die zirkumpolar in der Arktis brüten und nur sporadisch in gemäßigte Breiten auf der Nordhalbkugel fliegen. Je nach Region unterscheiden sich die Birkenzeisige in der Körper- und Schnabelgröße und in der Gefiederfärbung. Daher wurden die Birkenzeisige in drei Arten eingeteilt, deren genaue Bestimmung allerdings nicht einfach ist: Taigabirkenzeisig (Acanthis flammea), Alpenbirkenzeisig (Acanthis cabaret) und Polarbirkenzeisig (Acanthis hornemanni). Wissenschaftler der University of Colorado Boulder fanden jetzt heraus, dass es sich bei den drei Arten genetisch gesehen um eine einzige Art handelt.

Birkenzeisige sind gut an ihrer roten Kopfzeichnung zu erkennen, verwirren aber dennoch Vogelfreunde, da ihr Aussehen innerhalb der Art stark variieren kann. Manche sind weiß und haben einen kleinen Schnabel, während andere dunkler und kleiner sind und einen größeren Schnabel haben. Ursprünglich ging man davon aus, dass diese Unterschiede auf drei verschiedene Arten hinweisen. 

Die Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, ergab nun, dass für die Unterschiede in Gefiederfarbe und  Morphologie ein «Supergen» verantwortlich ist. Anders als bei anderen Vögeln fehlt bei Birkenzeisigen das, was üblicherweise verschiedene Unterarten kennzeichnet. Stattdessen gibt es laut Scott Taylor, Assistenzprofessor am Fachbereich Ökologie und Evolutionsbiologie, Direktor der Mountain Research Station der University of Colorado Boulder und Co-Autor der Studie, eine Region im Genom der Birkenzeisige, die zufällig das Aussehen der Vögel beeinflusst.

a – Saisonale Verbreitung der Birkenzeisige: hellrot – Brutgebiet, dunkelrot – Überwinterungsgebiet. Die farbigen Punkte geben die Anzahl und den Standort der Proben an, wobei blau dem Polarbirkenzeisig, gold dem Taigabirkenzeisig und grün dem Alpenbirkenzeisig entspricht. b – „ConStruct Plots“ zeigen, dass die genetische Clusterbildung schlecht mit der Taxonomie übereinstimmt. c – Illustrationen der drei Ökotypen des Birkenzeisigs, die Unterschiede in Größe, Schnabel und Gefiederfärbung zeigen. Abbildung: Funk et al. 2021

In einer früheren Studie im Jahr 2015 erkannten die Forscher bereits, dass es sich bei Birkenzeisigen genetisch um ein und dieselbe Art handeln muss, die mit unterschiedlichen äußeren Merkmalen auftritt. Sie waren sich allerdings nicht sicher, warum. Deshalb untersuchte Erik Funk, Doktorand im Fachbereich Ökologie und Evolutionsbiologie der University of Colorado Boulder und Hauptautor der Studie, die damaligen Proben erneut und sammelte weitere aus anderen Regionen wie Grönland, Island und Europa, um ein vollständigeres Bild zu erhalten.

Insgesamt analysierte Funk das gesamte Genom von 73 Birkenzeisigen aller drei Unterarten. Trotz ihres unterschiedlichen Aussehens, sind sie genetisch fast identisch. Sie verfügen aber über ein Supergen, das die verschiedenen Merkmale steuert, die die Vögel unterschiedlich aussehen lässt. Zudem entdeckten die Forscher bei einem Chromosom eine chromosomale Inversion — eine Umkehrung eines Teils des Chromosoms — die die Entstehung dieses Supergens ermöglichte. 

«Oft gehen wir davon aus, dass viele Merkmale unabhängig voneinander wirken können, das heißt, dass verschiedene Merkmale getrennt voneinander vererbt werden können, aber dieses besondere Ergebnis zeigt, dass diese Merkmale manchmal tatsächlich eng miteinander verbunden sind. … Zumindest bei diesen Vögeln vererben sie eine ganze Gruppe von Merkmalen zusammen», so Funk.

Diese Supergene sind auch bei vielen anderen Vogelarten und auch bei bestimmten Mäusen bekannt. «Es scheint weniger häufig zu sein, aber ich denke, eines der Dinge, die wir lernen, da wir jetzt Zugang zu mehr Sequenzdaten haben, ist, dass sie vielleicht nicht so ungewöhnlich sind, wie wir einst dachten», erklärt Funk weiter.

Nachdem die Forscher herausgefunden haben, warum das Aussehen der Birkenzeisige variiert, wollen sie als nächstes den Fragen nachgehen, wie die Merkmale erhalten werden und wie sich das mit der Erwärmung in der Arktis für diese arktischen Spezialisten ändern wird.

«Manchmal werden Vogelkundler wütend, wenn man Vögel von ihrer Liste streicht, aber ich denke, das macht die Birkenzeisige noch interessanter», so Taylor. «Wenn man die genetische Grundlage dieses Merkmals versteht, ergibt es jetzt viel mehr Sinn, was ich ziemlich cool finde.» 

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Erik R. Funk, Nicholas A. Mason, Snæbjörn Pálsson, Tomáš Albrecht, Jeff A. Johnson, Scott A. Taylor. A supergene underlies linked variation in color and morphology in a Holarctic songbird. Nature Communications, 2021; 12 (1) DOI: 10.1038/s41467-021-27173-z

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