Berühmter Vesuv-Ausbruch schaffte es nicht bis Grönland | Polarjournal
Der Vesuv nahe bei Neapel gehört zu den bekanntesten Vulkanen der Welt. Sein Ausbruch im Jahre 79 nach Christus zerstörte die beiden naheliegenden römischen Städte Pompeji und Herculaneum vollständig. Rückstände des Ausbruchs sollen noch in Grönland nachweisbar sein, was nun widerlegt wurde. Bild: James Chipmunk via Wikicommons CC BY-SA 2.5

Eisbohrkerne aus Grönland liefern der Wissenschaft wertvolle Daten über die Vergangenheit. Die im Eis eingeschlossenen Stoffe und Materialien geben dabei Aufschluss über Vorgänge, die auch in weit entfernten Regionen stattgefunden hatten. Dazu zählen auch Vulkanausbrüche. Einer der bekanntesten ist dabei der Ausbruch des Vesuvs bei Neapel. Forscher hatten 2013 Schichten in einem Eisbohrkern entdeckt, die sie dem damaligen Ausbruch zuschrieben, was bei der Datierung von anderen Schichten enorm wichtig wurde. Doch nun hat ein internationales Team mit Schweizer Beteiligung dieses Ergebnis in Frage gestellt.

Gemäss den Wissenschaftlern um Autoren Professorin Gill Plunkett von der Queen’s Universität in Belfast und Professor Michael Sigl vom Oeschger Zentrum für Klimawandelforschung der Universität Bern stammen die Tephra-Schichten (Ablagerungen vulkanischer Asche) aus dem Eisbohrkern nicht vom Vesuv, sondern wahrscheinlich von einem Vulkanausbruch auf den Aleuten. Dieser hatte sich aber wohl unbeobachtet abgespielt, stand aber in seiner Heftigkeit dem Vesuvausbruch in nichts nach. Das Forschungsteam kommt ausserdem zum Schluss, dass der Ausbruch auf den Aleuten auch zeitlich nicht in denselben Rahmen fällt wie der Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 nach Christus, sondern wahrscheinlich im Winter 87 – 88 nach Christus stattgefunden hatte.

Die Ablagerungen, die zum ursprünglichen Resultat über die Verbindung des Vesuvs mit Grönland geführt hatten, stammten aus Eisbohrkernen, die im Rahmen des ersten grossangelegten Bohrprojekts in Grönland, GRIP, entstanden waren. Ein italienisch-dänisches Forschungsteam hatte damals die Ablagerungen untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass sie vom berühmten Ausbruch des Vesuvs 79 nach Christus stammen müssten.

Die Animation zeigt die Verteilung von Partikeln durch einen Vulkanausbruch auf den Aleuten. Da keine Daten über den spezifischen Ausbruch existieren, wurden generelle Daten von Ausbrüchen von den Aleuten übernommen (u.a. Korngrösse der Partikel: 0.03 – 0.5 mm, Höhe der Wolke: 12 km, Dauer des Ausbruchs: 12 Stunden, Volumen: 0.5 km3).

Die neuen Ergebnisse stammen von neueren Eisbohrkernen, die 2011 im nordwestlichen Teil von Grönland entnommen worden sind. Das internationale Team untersuchte dabei neben den Sulfatablagerungen auch die Partikel aus den Schichten der hohen Sulfatkonzentrationen. Die Haupt- und Spurenelementanalyse der Partikel ergab, dass es sich nicht um Teile aus Italien handeln konnte, da sowohl die chemische wie auch die chronologischen Untersuchungen nicht mit dem Ausbruch des Vesuvs übereinstimmten. Vielmehr wiesen die Daten auf einen Ausbruch aus der Region der Aleuten hin. Mithilfe einer Modellierung zeigte sich, dass die Stärke der Eruption, bei der rund 0.5 Kubikkilometer Material während 12 Stunden in die Höhe geschleudert worden sein könnten, gross genug gewesen sein dürfte, um die Partikel in die entsprechende Höhe zu schleudern, von wo sie danach in Richtung Grönland transportiert und dort wieder abgelagert wurden.

Die Aleuten sind ein Teil des pazifischen Feuerrings, einer Kette von Vulkanen. Doch da die Region schon immer spärlich besiedelt gewesen ist und die dortigen Bewohner nur mündliche Überlieferungen gekannt hatten, sind kaum Belege für heftige Ausbrüche aus dem Altertum vorhanden. Für das Team um Plunkett und Sigl könnte der Aniakchak (Bild) in Frage kommen. Bild: National Park Service Aniakchak

Ein Problem, dass die Forscher um Gill Plunkett und Michael Sigl haben, ist die Tatsache, dass für den Ausbruch keine genauen Überlieferungen vorliegen. Denn die Aleuten sind zwar vulkanisch sehr aktiv, aber nur spärlich besiedelt. Und die damaligen Bewohner kennen nur die mündliche Überlieferung. Doch es ist bekannt, die Aleuten immer wieder heftige Ausbrüche verzeichnet hatten, wie beispielsweise diejenigen des Vulkans Okmok in den Jahren 45 und 43 vor Christus. Diese waren derart heftig gewesen, dass es zu klimatischen Veränderungen bis in den Mittelmeerraum gekommen war. Diese Ergebnisse hatten im Übrigen ebenfalls Gill Plunkett und Michael Sigl in Eisbohrkernen entdeckt. Doch im nun vorliegenden Fall konnte das Team den genauen Ort des Ausbruches nicht feststellen. Aufgrund der chemischen Zusammensetzung der Partikel käme, gemäss den Autoren, der Vulkan Aniakchak in Frage.

Genaue Kenntnisse über bestimmte Ereignisse, die als Schichten abgelagert sind, hilft Forschern, die Klimageschichte und andere Ereignisse den verschiedenen Bereichen eines Eisbohrkerns zuzuordnen. Je tiefer die Schicht, desto weiter zurück liegt das Ereignis oder die Klimabedingung. Bild (Archiv): Dorte Dahl-Jensen

Eisbohrkerne sind eigentlich wie Bibliotheken, in denen Informationen aus verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Tiefen als Schichten gelagert sind. Daher ist es wichtig, bekannte Ereignisse, deren Zeitpunkt bekannt ist, den entsprechenden Tiefen zuzuordnen. Die Ergebnisse der Studie von 2013 halfen dabei sehr, da Vulkanausbrüche im Altertum und noch früher nur selten beobachtet und noch weniger genau dokumentiert worden waren. Daher war es für weitere Forschungsarbeiten ein Glücksfall, dass man die Ablagerungen in diesem Kern dem von Plinius dem Jüngeren überlieferten Datum des Ausbruchs zuordnete. Doch schon andere Arbeiten und Resultate von Forschungen an Eisbohrkernen, die aus anderen Teilen Grönlands stammten, hatten die Schlussfolgerungen des italienisch-dänischen Teams in Frage gestellt. Die Erkenntnisse, die nun mit dieser neuen Arbeit von den Professoren Plunkett und Sigl gewonnen worden sind, dürften weiteres Öl ins Feuer der hitzigen Debatte um die eiskalten Daten aus den weiten des grönländischen Eisschildes gewesen sein.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur aktuellen Studie: Plunkett, G., Sigl, M., Schwaiger, H. F., Tomlinson, E. L., Toohey, M., McConnell, J. R., Pilcher, J. R., Hasegawa, T., and Siebe, C.: No evidence for tephra in Greenland from the historic eruption of Vesuvius in 79 CE: implications for geochronology and paleoclimatology, Clim. Past, 18, 45–65, https://doi.org/10.5194/cp-18-45-2022, 2022

Link zur Vesuv-Studie: Barbante, C., Kehrwald, N. M., Marianelli, P., Vinther, B. M., Steffensen, J. P., Cozzi, G., Hammer, C. U., Clausen, H. B., and Siggaard-Andersen, M.-L.: Greenland ice core evidence of the 79 AD Vesuvius eruption, Clim. Past, 9, 1221–1232, https://doi.org/10.5194/cp-9-1221-2013, 2013

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