Schweres subantarktisches Erdbeben verursachte 2021 globalen Tsunami | Polarjournal
Die Südsandwichinseln sind eine Kette vulkanischer Inseln mitten im Südatlantik, am Ende des sogenannten Scotiabogens. Die Inseln sind einerseits die Heimat von Millionen von Pinguinen, andererseits aber auch inmitten von zahlreichen Erdbeben in der Region, die auch schon mal einen Tsunami verursachen. Bild: Michael Wenger

Die subantarktische Region der Südsandwichinseln gehört zu einer seismisch sehr aktiven Zone. Die Inseln sind allesamt vulkanisch und teilweise auch noch sehr aktiv. Immer wieder verzeichnen Erdbebenwarten im weiteren Umfeld Erschütterungen und Erdbeben in der Region, die auch zeitweise Tsunamiwarnungen auslösen. Im vergangenen August 2021 wurde ein Tsunami gemeldet, der am Ende rund um den Globus registriert worden war. Der wahre Grund dafür blieb lange Zeit unbekannt. Doch nun haben Forscher eine Erklärung dafür gefunden.

Die Seismologen Zhe Jia, Zhongwen Zhan und Hiroo Kanamoori vom California Institute of Technology (CalTec) entdeckten bei der Auswertung von Erdbebendaten der Südsandwichinseln, dass nicht ein Erdbeben, sondern gleich eine Serie von fünf Beben an jenem Tag stattgefunden hatte. Das stärkste davon, mit der Stärke von 8.2, geschah demnach auch nur in 15 Kilometer Tiefe, was den registrierten Tsunami ausgelöst hatte. «Das damals registrierte Beben bei den Südsandwichinseln war komplex und bestand aus mehreren Unterbeben», erklärt Hauptautor Zhe Jia. «Dadurch war es schwierig, das Ganze zu interpretieren.» Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die drei Wissenschaftler in der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlicht.

Der Scotiabogen ist ein Einschub der Scotiaplatte zwischen Südamerika und Antarktika. Südgeorgien und die Südsandwichinseln sind am Rand des Bogens, wobei letztere als Vulkaninseln entstanden sind. Das für den Tsunami verantwortliche Beben war trotz seiner Stärke derart langsam, dass es beinahe unsichtbar in den Daten war. Karte: Michael Wenger via Google Earth / Grafik: Jia et al. (2022)

Im August 2021 verzeichneten Forscher bei den Südsandwichinseln in einer Tiefe von 47 Kilometern ein Erdbeben mit der Stärke 7.5 auf der Skala. Bei einem Beben in dieser Tiefe geht man normalerweise nicht von einem Tsunami aus. Umso überraschter waren die Experten, als in über 10’000 Kilometer Entfernung im Pazifik, Indischen Ozean und sogar im Nordatlantik Tsunamiwellen an die Strände schlugen, ohne Vorwarnung. Zhen Jai und seine Kollegen analysierten die Daten von damals und entdeckten ein verstecktes Beben in einer Reihe von insgesamt fünf, die das damalige Beben ausgemacht hatten. Dazu mussten sie die Erdbebenwellen speziell nach der Länge der Wellen filtern. Dabei fanden sie ein rund 200 Sekunden dauerndes Signal in einem dritten Beben, dass nach ihren Berechnungen für rund 70 Prozent der gesamten Energie der Beben verantwortlich war «Das dritte Beben ist speziell, denn es war riesig und es war still», erklärt Zhen Jia weiter. «In den Daten, die wir normalerweise auswerten, war es praktisch unsichtbar.» Mit Hilfe eines neu entwickelten Algorithmus konnten die Forscher das zwischen den vier anderen Beben «versteckte» Erdbeben erst entdecken.

«Wir müssen aber unsere Art, Erdbeben-Tsunami-Gefahren zu mindern, neu überdenken»

Zhen Jia, Seismologe CalTec

In der Regel werden Erdbeben nach Wellen untersucht, die zwischen 20 und 500 Sekunden lang sind. Die Forscher unterscheiden hier zwischen einfachen und «wilden» Beben. Bei Letzteren können sich längere Wellen, also «langsamere» Beben zwischen solchen kürzeren Signalen verstecken und werden damit nicht registriert. Die Arbeit von Jia und seinen Kollegen geht jedoch noch weiter, denn die Geschichte kann noch komplizierter werden. «Es ist selten, dass komplexe Erdbeben wie dieses beobachtet werden,» sagt Zhen Jia. «Ein zweites Beben zu entdecken ist schwierig, denn es ist im ersten Erdbeben eingegraben. Wenn wir dann nicht die richtigen Datensätze verwenden, sehen wir nicht, was in einem Beben versteckt ist.» Dadurch können so auch mögliche Tsunamis verpasst werden.

Im Fall der Bebenserie vom August 2021 ging es noch glimpflich aus. Denn die Wellen waren bei ihrem Auftreffen an bewohnten Küsten mit rund 20 Zentimetern verhältnismässig klein. «Wir müssen aber unsere Art, Erdbeben-Tsunami-Gefahren zu mindern, neu überdenken», meint Zhen Jia zu den Ergebnissen der Studie. «Dazu müssen wir die echte Grösse schwerer Erdbeben sowie ihre physikalischen Prozesse schneller und genauer charakterisieren können.» Ohne diese Daten könnte ein nächstes Beben zu einem Tsunami führen, der nicht nur die Pinguine auf den um den Scotiabogen liegenden Inseln wie Südgeorgien und die Südorkneys überraschen würde.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Jia, Z., Zhan, Z., & Kanamori, H. (2022). The 2021 South Sandwich Island Mw 8.2 earthquake: A slow event sandwiched between regular ruptures. Geophysical Research Letters, 49; https://doi.org/10.1029/2021GL097104

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