Rußablagerungen beschleunigen in vielen abgelegenen, noch relativ ursprünglichen Regionen der Erde, darunter die Arktis, der Himalaya oder die Anden, das Schmelzen von Schnee, Eis und Gletschern, wobei die Quellen der Rußpartikel meist weiter entfernt liegen. In einer neuen Studie wurde jetzt nachgewiesen, dass auch im Gebiet der Antarktischen Halbinsel die Menge des sogenannten «Black Carbon» so hoch ist, dass der Schnee schneller schmilzt, da die dunklen Partikel die Sonnenstrahlung absorbieren und den Schnee erwärmen. Im Unterschied zu anderen Regionen stammt der Black Carbon hier allerdings aus lokalen Quellen, also von Aktivitäten rund um Forschung und Tourismus. Die Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, hat international für Aufsehen gesorgt.
Der Schnee in der Antarktis ist der sauberste auf der Erde. Auf dem weißen Kontinent kann nur etwa ein Nanogramm Rußpartikel pro Gramm Schmelzwasser nachgewiesen werden. Doch dort, wo sich Aktivitäten von Forschern und Touristen konzentrieren — im Gebiet der Antarktischen Halbinsel —, fanden die Autoren der Studie Werte zwischen drei und sieben Nanogramm Rußpartikel pro Gramm Schmelzwasser. Obwohl die Black Carbon-Levels hier deutlich unter denen von abgelegenen Regionen auf der Nordhalbkugel bleiben, wo im Schnee um die 20 Nanogramm Rußpartikel pro Gramm Schmelzwasser gefunden wurden, schätzen die Autoren der jüngst veröffentlichten Studie eine Schneeschmelze von 23 Millimeter jeden Sommer — zusätzlich zum Schneeverlust, der durch die globale Erwärmung bedingt ist.
Für die Studie, an der auch Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung und der Universität Zürich beteiligt waren, nahmen die Forscher in vier aufeinanderfolgenden Sommern von 2016 bis 2020 Schneeproben an 28 Stellen von King George Island an der Nordspitze der Antarktischen Halbinsel bis zu den südlichen Ellsworth Mountains — der am häufigsten von Forschern und Touristen besuchte Region der Antarktis.
Black Carbon entsteht bei der Verbrennung von Diesel, Kohle und Holz und wird in der Atmosphäre über kürzere oder längere Strecken transportiert. Auf Schnee setzen die Rußpartikel die Albedo, also die Rückstrahlfähigkeit herab und absorbieren stattdessen die Sonnenstrahlen, sodass der Schnee schneller schmilzt. Die Antarktis ist jedoch aufgrund der besonderen, ringförmigen Strömungsverhältnisse in der Atmosphäre (wie auch im Ozean) weitestgehend abgeschottet vom Rest der Welt und ein Black Carbon-Eintrag von außen findet nur in sehr geringen Mengen statt. Daher kann die vergleichsweise hohe Menge an Rußpartikeln, die die Autoren im Gebiet der Antarktischen Halbinsel nachgewiesen haben, ganz überwiegend von lokalen Quellen stammen. Zu diesen gehören laut der Studie einerseits Schiffe, Helikopter, Flugzeuge, Fahrzeuge und Diesel-Generatoren, die für den Betrieb von Forschungsstationen und die Durchführung von Forschungsprojekten notwendig sind, sowie andererseits der Kreuzfahrttourismus rund um die Antarktische Halbinsel.
Die Studie verweist darauf, dass die menschliche Präsenz in der Antarktis und speziell um die Antarktische Halbinsel in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Insgesamt gibt es 76 aktive Forschungsstationen in der Antarktis, die im Sommer etwa 5.500 Personen beherbergen. Ungefähr die Hälfte der Stationen liegt auf der nördlichen Antarktischen Halbinsel und auf benachbarten Inseln. Einige der Stationen entwickelten sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu logistischen Knotenpunkten mit einer entsprechend hohen Frequenz an Aktivitäten.
Hinzu kommt die zunehmende Zahl an Kreuzfahrtschiffen, die jeden Sommer vor allem die Region um die Halbinsel ansteuern. In der Vor-Pandemie-Saison 2019/2020 zählte die IAATO (International Association of Antarctica Tour Operators — Internationaler Verband der Reiseveranstalter mit Zielgebiet Antarktis) insgesamt etwa 74.000 Touristen, die zum größten Teil mit Expeditionskreuzfahrtschiffen in die Antarktis reisten und auch Landausflüge unternahmen. Das sind ungefähr doppelt so viele wie noch zehn Jahre zuvor. Etwas mehr als 700 Touristen flogen direkt auf den antarktischen Kontinent, zum Beispiel zum Union Glacier Camp in den Ellsworth Mountains.
Das Autorenteam schätzt den durch den Eintrag von Black Carbon verursachten Schneeverlust auf etwa 600 Tonnen pro Kopf und Sommer durch Forschungsaktivitäten, wobei hier nur der Einfluss der elf Stationen auf King George Island mit 700 Betten betrachtet wurde. Für den Tourismussektor kamen die Autoren auf circa 83 Tonnen Schneeverlust pro Kopf und Saison. Ausgehend von einem Mittelwert von 53.000 Touristen pro Saison in den Jahren 2016 bis 2020 schätzen die Autoren also den gesamten auf den Tourismus rund um die Antarktische Halbinsel zurückzuführenden Schneeverlust auf über vier Millionen Tonnen pro Jahr, während die Forschungsaktivitäten allein auf King George Island für 400.000 Tonnen verantwortlich sein sollen.
Die Regeln, die für sämtliche Unternehmungen und Aktivitäten in der Antarktis zum Schutz der Umwelt gelten und im Antarktis-Vertrag festgeschrieben wurden, sind sehr streng. So müssen nicht nur alle Forschungsvorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, sondern auch alle Anbieter von (Expeditions-)Kreuzfahrten müssen einem strikten Protokoll folgen und eine Vielzahl von Auflagen erfüllen, wobei die IAATO die Regeln für ihre Mitglieder zum Teil noch verschärft hat.
«Die IAATO will das Management des Tourismus in der Antarktis stärken, indem sie von ihren Mitgliedern verlangt, die von ihr aufgestellten Regeln einzuhalten, die oft über die Anforderungen des Vertragssystems hinausgehen», wie Amanda Lynnes, Direktorin für Umwelt und Wissenschaftskoordination bei der IAATO, ausdrücklich betont.
Zusätzlich ist es den touristischen Anbietern seit zehn Jahren mit der Einführung des Schwerölverbots durch die International Maritime Organisation (IMO) strikt untersagt, ihre Schiffe in der Antarktis mit Schweröl zu betreiben. Einige Anbieter betreiben Amanda Lynnes zufolge ihre Schiffe sogar bereits mit saubereren Hybridantrieben oder alternativen Treibstoffen. Die Forschung hat hier wohl noch Nachholbedarf.
Abschließend stellen die Autoren der Studie heraus, dass es dringend erforderlich ist, den Eintrag von Black Carbon in die Antarktis zu verringern, um diese zusätzliche Schneeschmelze zu begrenzen. Einerseits fordern sie von der IAATO einen schnelleren Umstieg auf sauberere Schiffe und eine Limitierung der touristischen Aktivität, wobei Amanda Lynnes herausstellt, dass die IAATO auf Letzteres keinen direkten Einfluss hat — das liege in der Hand der Vertragsstaaten. Man könne aber zumindest Aktivitäten mit reduzierten Emissionen befürworten und fördern, erklärt sie weiter. Andererseits müssten auch die nationalen Antarktisprogramme ihren Fußabdruck verringern, indem sie beispielsweise Energieeffizienzstandards einführten und Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Mit gutem Beispiel geht die belgische Station «Princess Elizabeth Antarctica» voran: sie ist die erste emissionsfreie Forschungsstation auf dem weißen Kontinent. Und chilenische Antarktisbasen prüfen derzeit «grüne» Energiequellen.
Zweifellos will die Studie dazu beitragen, die Antarktis künftig stärker vor Verschmutzungen zu schützen.
Julia Hager, PolarJournal