Norwegen: Eine Sport- und Sportlernation | Polarjournal
Wer keine Angst vor kaltem Wasser hat, reitet auch in Nordnorwegen auf den Wellen. Foto: Stefan Leimer

Die Norweger sind eine sportbegeisterte Nation. Das belegen u.a. so klingende Namen wie Erling Haaland, dem aktuell wohl spannendsten Fussballtalent. Die reichsten Clubs Europas überbieten sich gegenseitig mit ihren Angeboten, um sich die Dienste dieses jungen Ausnahmefussballers zu sichern. Oder Schach-Genie Magnus Carlsen, der seit 2013 Schachweltmeister ist. 

Besser bekannt in der Skination Schweiz dürfte aber Aksel Lund Svindal sein. Der inzwischen zurückgetretene norwegische Skirennläufer ist einer der erfolgreichsten Skiathleten der letzten Jahre. Als Allrounder gewann er im Alpinen Skiweltcup insgesamt 36 Rennen in vier von fünf verschiedenen Disziplinen. 

Aber auch Eishockey, Fußball und Pferderennen sind bei den Norwegern sehr beliebt. Das skandinavische Land verfügt immerhin über 11 Trabrennbahnen. Wer an Norwegen und Sport denkt, dem kommen selbstverständlich vor allem Wintersportarten in den Sinn. Tatsächlich steht Skifahren, und da besonders Langlauf an erster Stelle beim Freizeitsport. 

Die Erfolge im Wintersport sind bei nur 5,5 Millionen Einwohnern erstaunlich. 

„Ski und Schnee, das ist Teil unserer Kultur, unseres Erbes» hört man immer wieder. Gerne wird auch behauptet, dass «Norweger mit Skiern an den Füßen geboren werden». In der Tat ist Norwegen die Heimat des Skisports. Erfunden wurde das Skilaufen in Morgedal, einer Region in der Telemark. Das fast jeder Norweger schon von Kindesbeinen an auf Skiern steht, zeigt sich auch alle vier Jahre bei den Olympischen Winterspielen. Siebenmal konnten die Norweger bei Olympischen Winterspielen bereits den Medaillenspiegel für sich entscheiden. In der ewigen Bestenliste des Medaillenspiegels bei Olympischen Winterspielen liegen sie an zweiter Stelle. Und zweimal war Norwegen bisher Ausrichter von Winterspielen. 1952 in Oslo und 1994 in Lillehammer.

Während in der Schweiz der alpine Skisport im Zentrum steht, betreiben die Norweger vor allem gerne Skilanglauf (norwegisch: langren).

Surf-Anfänger wagen sich unter Anleitung der wohl nördlichsten Surfschule der Welt auf Andøya in die Wellen. Foto: Stefan Leimer

Einer der Gründe, warum Norwegen so erfolgreich als Skination ist, sind die weit über 1’000 Klubs, die man vom Süden bis hoch im Norden findet. Eines haben die Skiclubs gemeinsam. Es geht erst Mal um Entspannung und Spiel, nicht um Siege. Der fehlende Wettbewerb im jungen Alter soll dafür sorgen, dass die Athleten später umso erfolgreicher sind. Auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich klingt, aber die Idee dahinter ist, dass sich die Kinder nicht so leicht frustrieren lassen, wenn die vor zu hohem Erwartungsdruck geschützt werden.

Und, bei allen Ablenkungen, die die moderne Welt mit sich bringt, ist für die meisten Norweger ein regelmässiger Aufenthalt in der Natur noch immer sehr wichtig. 

Für ein paar Abgehärtete bedeutet «Aufenthalt in der Natur» surfen im 4-5° kalten Nordmeer. Norwegen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Surfrevier entwickelt. 2015 trat das Land der ISA, der International Surf Association bei und darf nun auch an bedeutenden, internationalen Surfwettbewerben teilnehmen. Von Rogaland im Südwesten bis zu den Lofoten-Inseln im Norden bieten die norwegischen Küsten hervorragende Bedingungen für diesen Wassersport. Die Hauptsaison geht von September bis Mai, da in diesen Monaten mit den größten Wellen zu rechnen ist. Allerdings sind dies auch die kältesten, windigsten und dunkelsten Tage im Jahr, was zeigt, mit welcher Leidenschaft der Sport in Norwegen ausgeübt wird. Jedes Jahr im September treten beim Lofoten Masters, dem nördlichsten Surfwettbewerb der Welt, die Profis gegeneinander an. Ein dicker Neoprenanzug ist hier unvermeidbar, denn surfen in Norwegen bedeutet vor allem kaltes Wasser und im Winter Schnee bedeckte Strände. Für «romantische» Surfer gibt es die Möglichkeit, vor verschneiten Bergen unter den magischen Nordlichtern zu surfen. 

Der Surfsport ist auch in der königlichen Familie angekommen. Im Oktober 2020 gewann die 16-jährige Prinzessin Ingrid Alexandra in Stavanger die Norwegische Nationale Juniorenmeisterschaft im Surfen. Kronprinz Haakon und seine Frau, Kronprinzessin Mette-Marit waren selbstverständlich vor Ort anwesend, um ihre Tochter anzufeuern.

Bei uns auf der Insel Andøya bekommt man zwar keine königliche Unterstützung, aber surfen kann man auch hier sehr gut. Die kleine Surfschule Andøya Arctic Aloha bietet sowohl Anfängern als auch erfahrenen Surfern die Möglichkeit, im Nordmeer ihrem Sport zu frönen. Und kann sich wohl zu Recht als nördlichste Surfschule der Welt bezeichnen.

Andøya Arctic Aloha ist nicht für den grossen Massentourismus ausgelegt. Während sich auf den Lofoten jedes Jahr bis zu 5’000 Surfer auf der ganzen Welt einfinden, geht es hier auf dem Vesterålen wesentlich geruhsamer zu und her.

Nichts für Warmduscher — bei 4 bis 5°C kaltem Wasser ist die Motivation noch etwas höher, nicht vom Brett zu fallen. Foto: Stefan Leimer

Anders Stave und seine Frau Camilla Celise Christensen, haben 2016 den arktischen Surf Club gegründet. Den beiden geht es vor allem darum, Spass am Outdoor-Sport zu vermitteln und die wunderbare Umgebung zu achten und zu bewahren. Anders arbeitet in Andenes im lokalen Helsesenter als Arzt. Aber sobald es der Arbeitsplan zulässt und das Wetter gute Wellen verspricht, packt er seine Bretter, um sich auf dem südlichen Teil der Insel in die Fluten zu stürzen.

Ich hatte das Vergnügen, ein paar Arbeitskolleginnen meiner Frau bei einem Surf-Schnupperkurs zu begleiten. Nathalie musste an diesem Tag «leider» arbeiten. Allzu unglücklich war sie darüber wohl nicht, da sie die Kombination aus kalten Temperaturen und Wasser nicht wirklich schätzt. 

Solch einzigartige Lichtstimmungen bieten sich Surfern wohl nur in der Arktis. Foto: Stefan Leimer

Während ich es mir warm eingepackt am Strand gemütlich machte, rüsteten sich die Frauen mit dicken Neoprenanzügen inkl. Kappen, Handschuhen und Schuhen aus. Nach ein paar Sicherheitsinstruktionen, gut gemeinten Tipps und Aufwärmübungen angeleitet durch Anders Stave stürzten sich die Frauen wagemutig ins Wasser. Aber aller Anfang ist schwer und nur den wenigsten gelang es, stehend auf dem Brett wenigstens eine paar Meter auf einer Welle zu surfen. Dabei zeigte sich das Nordmeer an diesem Tag noch nachsichtig mit den Anfängern. Nach einem Sturm können die Wellen hier schnell eine Höhe von mehreren Metern erreichen.

Nach einer knappen Stunde fanden sich alle Surferinnen wieder am Strand ein. Die anstrengende Bewegung im eiskalten Wasser forderte ihren Tribut. Erschöpft, aber happy über die gemachten Erfahrungen freuten sich die Teilnehmerinnen auf eine heisse Dusche und eine stärkende Tasse Kaffee. 

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