Der Antarktische Krill (Euphausia superba) ist die Schlüsselart im Südlichen Ozean, von der praktisch alles Leben im marinen Ökosystem rund um die Antarktis abhängt. Die zentimetergroßen Krustentiere, die riesige Schwärme bilden, sind entsprechend gut erforscht, aber über ihr Schwarmverhalten ist noch recht wenig bekannt. Ein Forscherteam konnte jetzt in einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society erschien, einige Fragen beantworten.
Im Allgemeinen bilden Tiere Schwärme, um in der Masse besser vor Fressfeinden geschützt zu sein und um leichter Nahrung zu finden. Dies trifft auch auf den Antarktischen Krill zu, der beim Schwimmen im Schwarm zudem noch Energie einspart. Das Schwarmverhalten hat also eine entscheidende Bedeutung für sein Überleben. Allerdings rätselte die Wissenschaft noch darüber, wie der Krill Schwärme bildet und aufrecht erhält.
Diesen Fragen sind die australischen Wissenschaftler jetzt erstmals nachgegangen, indem sie einen kleinen, in Gefangenschaft lebenden Krillschwarm mit etwa 3000 bis 4000 Individuen genau beobachteten. Mit zwei Kameras nahmen sie die Bewegungen des Krills auf und wandelten die Bilder anschließend in 3D-Aufnahmen um. Mithilfe mathematischer Software untersuchten die Forscher dann die Bewegungen von einzelnen Krill-Individuen.
Das Team fand heraus, dass Antarktischer Krill stark auf das Verhalten seiner Nachbarn reagiert, wobei die Tiere, ähnlich wie Schwarmfische, klare Interaktionsregeln anwenden. Diese soziale Anziehungskraft ist gekoppelt mit einem Informationsfluss zwischen den Individuen, wie dem Anpassen der Geschwindigkeit an die ihrer Nachbarn. Den Forschern zufolge deutet dieses Verhalten darauf hin, dass Krillschwärme nicht nur aufgrund von guter Nahrungsverfügbarkeit oder Meeresströmungen entstehen, sondern vielmehr aktiv gebildet werden.
Der Abstand von einem Individuum zu seinen nächsten Nachbarn betrug im Experiment zwei bis drei Körperlängen und ähnlich wie in Fisch- oder Vogelschwärmen richtet es sich weitgehend an ihnen aus. Das Team beobachtete außerdem, dass ein Individuum beschleunigt, wenn sich seine nahen Nachbarn vor oder hinter ihm befinden. Als Informationsgeber für die Änderung der Geschwindigkeit könnte der «Antriebsstrahl» der nahen Nachbarn fungieren, vermuten die Autoren.
Im Vergleich mit anderen Schwarm-bildenden Tieren zeigt der Antarktische Krill damit zwar einige Ähnlichkeiten, aber die Forscher haben auch Merkmale beobachtet, die scheinbar einzigartig sind: Krill reagierte unterschiedlich auf seine Nachbarn, je nachdem in welcher vertikalen Schicht sie sich befanden. «Der fokale Krill [ein Krill-Individuum, Anm. d. Redaktion] wandte sich seinen Nachbarn zu, die sich vor und unter ihm befanden, und wandte sich von denen ab, die sich vor und über ihm befanden», so die Autoren.
Eine Erklärung für dieses Verhalten könnte die Hydrodynamik von Krillschwärmen sein. Darüberhinaus könnte die unterschiedliche Reaktion auf benachbarte Individuen mit Strategien zur Vermeidung von Fressfeinden zusammenhängen, da viele Raubtiere von oben oder unten angreifen, nicht aber von der Seite.
Nachdem die Forscher mit dieser Studie wichtige Fragen in Bezug auf das Schwarmverhalten von Antarktischem Krill beantworten konnten, sehen sie es als dringend erforderlich an, ihre Beobachtungen im Labor mit weiteren Studien mit frei lebendem Krill im Südlichen Ozean zu untermauern.
Julia Hager, PolarJournal