Reisen in die Arktis gehört zu den aufsteigenden Bereichen innerhalb der Tourismusbranche. Vor allem auf und um Svalbard haben die Zahlen in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen, nicht ohne Folgen. Nach einem schweren Vorfall mit einem grossen Kreuzfahrtschiff an der norwegischen Küste wurde von der norwegischen Regierung ein Kreuzfahrtkomitee ins Leben gerufen, um die Empfehlungen und Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit für Kreuzfahrtschiffe, vor allem in den Polarregionen Norwegens auszuarbeiten. Nun hat das Komitee seinen Bericht abgeliefert.
Das 168 Seiten umfassende Werk des Komitees wurde an das norwegische Justiz- und Notfallministerium, welches unter der Leitung von Emilie Enger Mehl steht, letzte Woche abgeliefert. Darin führen die Experten insgesamt 66 Vorschläge und Empfehlungen auf, um den Kreuzfahrtourismus in norwegischen Küstengewässern zu verbessern und sicherer zu machen. Dazu zählt das Komitee auch die Arktis mit Svalbard und Fahrten bis zum Nordpol. Hier schlägt das Komitee beispielsweise eine maximale Zahl für Schiffe in der Höhe von 500 – 750 Menschen an Bord vor. Ausserdem sollten Schiffe, die länger als 150 Meter sind, nur unter beschränkten Auflagen fahren dürfen. Ein weiterer Vorschlag ist, dass innerhalb des Arktisrates «eine internationale Regulierung des Kreuzfahrtverkehrs zum Nordpol im Angesicht der Sicherheit auf See, der Notfallvorsorge und Rettung» ausgearbeitet werden sollte und Norwegen dabei die Initiative ergreifen sollte.
Die wesentlichsten Aspekte des Berichtes betreffen die Sicherheit. Dabei steht nicht nur die Sicherheit der Passagiere und der Mannschaft im Fokus, sondern auch diejenige der Umwelt und der Wirtschaft. Dazu meint Frigg Jørgensen, die als Expertin im Kreuzfahrtourismusbereich im Komitee dabei ist, gegenüber der Lokalzeitung Svalbardposten: «Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass es eines ganzheitlichen Ansatzes bedarf, der neben Notfallvorsorge, Suche und Rettung auch Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft einbezieht.» Dazu zählt auch eine Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten auf Svalbard, eine bessere Ausbildung aller Offiziere eines Schiffes im Rahmen des Polar Codes und eine Aufstockung der Notfallausrüstungen in Longyearbyen, um allen Menschen, die in einem Notfall gerettet werden müssten, adäquate Versorgung gewähren zu können.
Auch den Eiskartenservice, der zu den wichtigsten Werkzeugen aller Arktisfahrten gehört, möchten die Expertinnen und Experten verbessert haben. Denn gegenwärtig sind Eiskarten, die vom norwegischen meteorologischen Institut erstellt werden, nur an Werktagen zu haben. Für das Wochenende sind keine Karten verfügbar, wodurch Kapitäne und Eislotsen lediglich mit ihrer Erfahrung den Verlauf von Packeis vorhersagen können. Dies soll geändert werden und in Zukunft an allen Wochentagen aktuelle Eiskarten zur Verfügung stehen. Doch das Institut hat bereits abgewunken, Man habe nicht die notwendigen Ressourcen, um diesen Vorschlag umsetzen zu können.
Doch neben Vorschlägen für die nördlichen Regionen führt der Bericht auch zahlreiche Vorschläge für die norwegischen Küstengewässer auf. Denn Norwegen hat, gemäss dem Bericht, im Jahr 2019 rund 26 Prozent aller verzeichneten Kreuzfahrtschiffe mit mindestens einer Fahrt oder mehr in seinen Gewässern, Tendenz steigend. Das bedeute aber auch mehr Risiken, denn die Küstengewässer Norwegens sind nicht einfach zu befahren, wie sich am Beispiel der Viking Sky im März 2019 gezeigt hatte. Damals geriet das Schiff aufgrund eines Maschinenschadens mitten in einem Sturm in Seenot und trieb hilflos auf die Küste bei Hustadvika zu. Von den 1’373 Leuten an Bord mussten unter grosser Gefahr für die Rettungskräfte 470 Personen evakuiert werden, 23 waren verletzt, drei davon schwer. Dies war nur einer von 11 schweren Zwischenfällen seit 1989, die der Bericht für die norwegischen und arktischen Gewässer um Svalbard aufführt. Hier sieht das Komitee dringenden Handlungsbedarf und fordert einen ähnlichen Anforderungskatalog für Schiffe und deren Besatzung, wie er bereits für die Polarregionen durch den Polar Code der IMO vorliegt.
Neben den Sicherheitsaspekten für Schiffe, Menschen und Umwelt weist das Komitee auch auf die Auswirkungen auf die Wirtschaft hin, die bei Entscheidungen der Regierung bisher vernachlässigt worden sind. Hier wünschen sich die Expertinnen und Experten eine bessere Zusammenarbeit zwischen Behörden und der Kreuzfahrtindustrie. «Man muss die Industrie als Ressource anerkennen. Und ich glaube, dass die Behörden der Branche durch Treffen und gemeinsame Übungen ganzheitlicher begegnen müssen. Die Branche hat viel Wissen», meint Frigg Jørgensen gegenüber Svalbardposten. Dies ist gerade in der gegenwärtigen Zeit, in der die Branche durch COVID schwer getroffen worden ist, besonders wichtig. Denn neben den Auswirkungen der Massnahmen ist zurzeit auf Svalbard auch eine Diskussion im Gange, wie Umwelt- und Naturschutz mit dem ansteigenden Tourismus unter einen Hut gebracht werden kann. Und hier sehen sich die lokalen Tourismusvertreter etwas aussen vorgelassen. Vielleicht wird der Bericht dies ändern können. Frigg Jørgensen ist auf jeden Fall zuversichtlich: «Der Bericht ist ein guter Beitrag zur Diskussion und Klärung der nationalen Ziele und Strategien für die Kreuzfahrtindustrie durch die Behörden. Meiner Meinung nach enthält er einige gute Anregungen.»
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Link zum Bericht (in Norwegisch) auf der Regierungswebseite