Mygration – Künstlerisch auf den Spuren der Sami in Alaska und Kanada | Polarjournal
Der Goldrausch von Klondike erfasste ab 1896 beinahe die ganze Welt und sorgte für einen Run auf den hohen Norden von Kanada und Alaska, der am Ende nur wenigen das erhoffte Glück brachte. Tausende starben an Kälte, Hunger, Erschöpfung oder wurden umgebracht. Bilder: Library and Archives Canada via Wikicommons

Mygration ist das Ergebnis einer künstlerischen Kooperation von Stina Folkebrant und Tomas Colbengtson. Inspirationsquelle für diese Ausstellung ist die Auswanderung von Sami und Rentieren um 1900 aus Nordskandinavien nach Kanada und Alaska. 

Der 1896 beginnende Klondike-Goldrausch war eines der folgenreichsten Grossereignisse seiner Art. Mehr als 100,000 Menschen strömten in das Gebiet im Norden von Kanada und Alaska. Dies führte zur Grenzziehung zwischen den USA und Kanada, hatte weithin negative Folgen für die indigenen Bevölkerungen und die Umwelt und brachte auch zahlreiche logistische Probleme mit sich. Wie sollte die Versorgung der Goldsucher mit Nahrungsmitteln und Ausrüstung gewährleistet werden? Wie das geförderte Gold abtransportiert? Tierzucht war in dem kalten Gebiet kaum möglich, Pferde als Transporttiere im tiefen Schnee nicht einsetzbar. Gleichzeitig waren Kanada und die USA bemüht, die indigene Bevölkerung dieser Gebiete sesshaft zu machen.

Sami wurden aus Nordskandinavien nach Alaska und Kanada gebracht, um mit ihren Rentieren und ihrer an Polarbedingungen angepassten Lebensweise den Goldrausch zu unterstützen. Doch vielen, die glaubten in der nordamerikanischen Arktis, bessere Bedingungen vorzufinden, blieben am Ende kaum mehr als das, was sie zuhause hinter sich gelassen hatten. Bilder: links: Wilhelm Hester – Wilhelm Hester Photographs Collection / rechts: Beverly Bennett Dobbs – Alaska, Western Canada and United States Collection

Hierfür wurden zu Beginn der 1890er Jahre Sami aus Skandinavien mit ihren Rentieren in die nordamerikanische Arktis verbracht. Neben der Versorgung der Goldgräber, sollten sie die lokalen Bevölkerungen die Rentierzucht lehren. Das Projekt war erfolgreich. Bis 1920 hatten die Sami und ihre Lehrlinge in Alaska 98 Herden mit geschätzten 600,000 Rentieren aufgebaut. Durch das Rentiergesetz von 1937 verlor die Weisse Bevölkerung Alaskas das Recht auf den Besitz von Rentieren. Als «Weiss» galten auch die Sami, die in Europa die indigene Bevölkerung Skandinaviens bilden, in Nordamerika aber Einwanderer aus Europa sind. Ihrer Lebensgrundlage entzogen und eines zentralen Teils ihrer Kultur beraubt, zogen einige desillusioniert zurück nach Skandinavien, andere wanderten in andere Teile der USA ab.

Die Ausstellung „Mygration“ im Museum Cerny, die in Kooperation mit der Schwedischen Botschaft in Bern durchgeführt wird, verbindet den schwedischen Künstler Tomas Colbengtson mit seinen auf Glas gedruckten alten Bildern von Sami mit den grossformatigen Naturbildern von Stina Folkebrant. Bild: Museum Cerny

Die in den Werken des Samikünstlers Tomas Colbengtson gezeigten Menschen sind anonyme Sami und Inuit, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Sapmi und Alaska fotografiert wurden. Die schwedische Künstlerin Stina Folkebrant malt grossformatige Naturdarstellungen in schwarz und weiss.

Beide Künstler verwenden für ihre Stücke nicht die traditionelle Methoden und Arbeitsweisen der Sami, sondern verbinden verschiedene Stilelemente, um ihren Arbeiten die notwendige Tiefe und Aussagekraft zu verleihen. Bilder: Museum Cerny

Die Tatsache, dass ihre Malerei einen vielleicht offensichtlicheren Bezug zur traditionellen chinesischen Tuschemalerei hat, als zu unseren Vorstellungen von zeitgenössischer Kunst, führt dazu, dass sie häufig nicht in die letztgenannte Kategorie eingeordnet wird. Tomas Colbengtson entspricht ebenfalls nicht den gängigsten Vorstellungen von einem Sami-Künstler, da er oft Fotos auf Glas druckt; weder die Technologie noch das Material haben einen Platz in der „traditionellen“ Kunst der Sami. Der inhaltliche Fokus seiner Kunst ist für den grössten Teil seiner Karriere eindeutig außerhalb dessen, was wir als „zeitgenössisch“ verstehen.

Stina Folkebrant ist in Borås geboren und aufgewachsen, lebt aber heute in Stockholm und hat ihr Atelier im Hafen von Gustavsberg, östlich von Stockholm. Sie studierte Kunstwissenschaften und Religionswissenschaften an der Universität von Stockholm. Ihr Fokus lag dabei auf der Zen-Malerei während der Sung Dynastie in China.
Stina malt mit Acryl in Schwarz und Weiss, inspiriert von der chinesischen Tuschemalerei, bei der die schwarze Farbe mit Wasser gemischt wird, um eine Grauskala zu erhalten. Mit etwas Distanz können die Gemälde als sehr realistisch wahrgenommen werden, wenn man sich ihnen nähert, werden wird jedoch die Pinselführung sichtbar und die Konturen lebendig. Sie malt meist auf Leinwand von bis zu 3 x 4,50 Meter, aber auch alten Bettlaken und Paravents. Zudem finden sich Wandmalereien von ihr unter anderem in Stockholm, Borås, Linköping, Oskarshamn und Västervik. Sie kann auf zahlreiche nationale und internationale Soloausstellungen zurückblicken.
Stina ist 2022 Artist in Residence am Women’s International Study Center in Santa Fe und dem National Nordic Museum in Seattle.

Link zur Webseite von Stina Folkebrant

Tomas Colbengtson ist ein Südsami, geboren und aufgewachsen in Björkvattnet, Tärnaby, in der Provinz Västerbotten, Schweden. Tomas arbeitet seit über 30 Jahren als freischaffender Künstler. Er arbeitet und experimentiert in vielen verschiedenen Materialien und Techniken, sowohl mit Bildern, Objekten als auch Text. Unter anderem hat er eine spezielle Technologie des Siebdrucks auf Glas entwickelt und arbeitet mit Virtual Reality. In seiner Arbeit finden sich vielfach Referenzen zur Geschichte und Kultur der Sami und der Landschaft Nordskandinaviens. «Es war bis 1957 an Schulen verboten, meine Muttersprache, Südsami, zu sprechen. Im Klartext: Du wurdest vom Lehrer geschlagen, wenn Du es wagtest. Auch die traditionelle Kleidung und besonders der Jojk, der traditionelle Gesang der Sami, wurden von der Kirche als Sünde bezeichnet und waren im öffentlichen Raum verboten.»
Tomas unterrichtet Kunstdruck an der Konstfack, der Hochschule für Kunst und Design in Stockholm.
Er ist international als Künstler erfolgreich und seine Werke finden sich vielerorts als öffentliche Kunstwerke und in Sammlungen.

Link zur Webseite von Tomas Colbengtson

Pressemitteilung Museum Cerny

Link zur Webseite von Museum Cerny und der Ausstellung

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